Jeder Blick ins Archiv verändert die Gegenwart, jeder Gegenwartsblick das Archiv. Symposium, Filme, Ausstellung und Projektpräsentationen: Vom 8.–15.6. wirft das zweijährig stattfindende Festival erneut einen Blick auf internationale Filmarchive als lebendigen Gestaltungsraum für die Zukunft des Kinos.
Das Symposium im silent green ist eine Kooperation mit dem Masterstudiengang „Filmkultur“ an der Goethe-Universität Frankfurt. Thema ist der Titel des gleichzeitig erscheinenden Buches: „Accidental Archivism. Shaping Cinema’s Futures with Remnants of the Past“. Das Konzept des „Accidental Archivism“ – der Begriff wurde von dem nigerianischen Filmemacher Didi Cheeka geprägt – durchzieht alle Bereiche des Festivals als ein Modell, das die Möglichkeit eröffnet, etablierte und festgefahrene Strukturen durch Begegnungen mit dem durch Krisen, aber auch durch den Alltag geprägten Leben wachzurütteln und zu verändern. Beide Symposiumstage enden mit Performances im SİNEMA TRANSTOPIA: Am 9.6. wird Vaginal Davis ihre langjährige Arsenal-Serie „Rising Stars, Falling Stars“ wieder aufleben lassen. Ausgangspunkt der Performance NON-ALIGNED NEWSREELS: FRAGMENTS #5 von Mila Turajlić am 10.6. ist ein Fund in den Räumen der Yugoslav Newsreels in Belgrad.
In zwei Wortveranstaltungen begrüßen wir Olena Honcharuk, Leiterin des Oleksandr Dovzhenko National Centre in Kyiv, sowie Vertreter*innen von Archiven in Frankfurt, Berlin, Prag und Wien, die über den Umgang mit internationalen Beständen diskutieren. (11.6.)
Dem kongolesischen Filmemacher Petna Ndaliko Katondolo ist eine Hommage gewidmet. Seine genreübergreifenden Arbeiten zeichnen sich durch ihren afrofuturistischen Stil aus, der historische Inhalte mit zeitgenössischen Themen verbindet. (Stefanie Schulte Strathaus)
In der Betonhalle ist vom 8.–30.6. die Ausstellung How to know what’s really happening zu sehen, kuratiert von Kafy-ta (Maha Maamoun und Ala Younis). Im Rahmen der mit dem Goethe-Institut konzipierten Serie Found Futures stellen accidental archivists Archivfunde und Projekte vor. Präsentiert wird auch Filmap.org, eine Website, die dazu dienen soll, das im Rahmen von Archival Assembly #1 entstandene Netzwerk zu vergrößern und lebendig zu halten. Dank an die Kulturstiftung des Bundes.
Der Eintritt zu den kostenpflichtigen Veranstaltungen des Festivals ist durch den Kauf von Einzelkarten in den jeweiligen Kinos oder durch den Erwerb eines Festivalpasses möglich. Der Eintritt zur Ausstellung, zum Symposium, zu Found Futures und anderen ausgewählten Projektpräsentationen ist kostenlos.
Festivalpass: € 80, € 70 ermäßigt. Der Festivalpass ist ausschließlich an der Arsenal-Kasse erhältlich und ermöglicht die Teilnahme an allen Veranstaltungen des Festivals. Der Pass ist nicht übertragbar und nur zusammen mit einem amtlichen Lichtbildausweis gültig. Der Zugang zu den Filmvorführungen, Projektpräsentationen und Performances für Inhaber*innen eines Festivalpasses ist ausschließlich über den vorherigen Erwerb eines Freitickets an der Abendkasse in Verbindung mit dem Festivalpass möglich. Es besteht weder ein Anspruch auf Tickets für bestimmte Veranstaltungen, noch auf eine bestimmte Anzahl an Tickets. Die Festivalpässe werden nach Verfügbarkeit ausgegeben („first-come, first-served“).
Das Symposium "Accidental Archivism" wurde gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und von CEDITRAA.
HOW TO KNOW WHAT’S REALLY HAPPENING
Ausstellung mit Ala Dehghan, Alejandro “Luperca” Morales, Ali Eyal, Ana Dana Beroš, Armina Pilav, Aseel AlYaqoub, Chinar Shah and Nihaal Faizal, Francis McKee, Jan Němec, Lei Lei & Thomas Sauvin, Matija Kralj, Mauro Sirotnjak, Miodrag Gladović, Rafaela Dražić, Rick Myers, Tobias Zielony, Romeo Grünfelder und Ute Aurand,
kuratiert von Maha Maamoun and Ala Younis
im silent green Betonhalle
Opening 8.6.2023, 16:00
9.6.–2.7.2023
Mo–Fr 14:00–20:00
Sa/So 11:00–20:00
Archive haben einen doppelten Charakter. Sie können der Ort sein, an dem ein Teil einer Erzählung verschwunden ist und eine aufschlussreiche Lücke hinterlässt, die mit der Zeit die Aufmerksamkeit auf sich selbst, ihren weiteren Kontext und die Schuldigen hinter dieser zufälligen oder absichtlichen Auslassung lenken wird. In ähnlicher Weise können Archive der Ort sein, an dem ein Teil einer Erzählung gefunden wird, dieses Mal eine aussagekräftige Quelle, manchmal der/die einzige überlebende Zeug*in einer Geschichte, die ebenso interessante Untersuchungen über die Gründe für diesen zufälligen oder absichtlichen Akt der Bewahrung eröffnet.
Archivarische und kriminalistische Untersuchungen haben viel gemeinsam – oft ähneln sie sich in ihren Beweggründen, Verfahren, Sprachen, Techniken und Auswirkungen. Als Orte der Untersuchung sind sie wie miteinander verbundene Gefäße – was von einem Ort verschwindet, kann im anderen wieder auftauchen. Möglicherweise Jahre später. Die Zeit wird es zeigen.
How to know what’s really happening geht diesen miteinander verflochtenen Sprachen der Untersuchung nach. Anhand einer Auswahl von Arbeiten, die Archive erforschen und über sie reflektieren, untersuchen wir die verschiedenen Arten, wie das Archiv angetroffen, navigiert, aufgebaut oder zerstört wird, durch Prozesse, die oft mühsam sind und die gleichermaßen Fakten aufdecken wie Fiktionen schaffen.
Der Titel der Ausstellung „How to know what’s really happening“ ist dem Titel von Francis McKees Buch entnommen, das 2016 im Rahmen der Kayfa ta-Reihe veröffentlicht wurde.