Marcello Mastroianni (1924–1996) war einer der herausragenden Schauspieler der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, der in mehr als 150 Filmen seine Wandlungsfähigkeit in den unterschiedlichsten Genres, in leichten Komödien ebenso wie in existentiellen Dramen zeigte. Seine beeindruckende Leinwandpräsenz, sein melancholischer Blick und der unaufdringliche Charme, die Vielschichtigkeit seiner Darstellung sowie die Fähigkeit, ohne forcierten Ausdruck komplexeste Gefühlsregungen vermitteln zu können, machten ihn im europäischen Kino zu einer einmaligen Erscheinung.
1924 in der Nähe von Neapel in eine Handwerkerfamilie geboren, wuchs Marcello Mastroianni (eigentlich: Mastrojanni) in Turin und Rom auf, wo er ab 1943 als Bauzeichner arbeitete und Architektur und Volkswirtschaft studierte. Luchino Visconti entdeckte ihn 1948 auf einer Studentenbühne und besetzte ihn bis 1956 als Charakterdarsteller seines Ensembles am Teatro Eliseo u.a. in Stücken von Tennessee Williams, Arthur Miller, Goldoni, Shakespeare und Tschechow. Kleine Auftritte in Filmen übernahm Mastroianni ab 1947, die ersten nennenswerten Rollen folgten ab 1950 unter der Regie von Luciano Emmer. Der nationale Durchbruch gelang 1954 mit Alessandro Blasettis PECCATO CHE SIA UNA CANAGLIA (Schade, dass Du eine Kanaille bist). Die Komödie war der Auftakt zu zwölf gemeinsamen Filmen mit Sophia Loren und steht prototypisch für die Rollenfestlegung Mastroiannis in den 50er Jahren als gutmütiger, naiver junger Mann aus einfachen Verhältnissen. Luchino Visconti, Federico Fellini und Michelangelo Antonioni befreiten Mastroianni aus dem Klischee der folkloristischen Komödien und besetzten ihn als Darsteller komplexer intellektueller Charaktere. Zu seiner „Weihe und Bewährung“ (M.M.) wurde die erste Zusammenarbeit mit Federico Fellini: LA DOLCE VITA (1960) fügte dem Volkstümlich-Pittoresken die Extravaganz des Mondänen hinzu, der nette Typ von nebenan reifte zum Mann von Welt, der die Stimmung einer Epoche zum Ausdruck zu bringen verstand. Der Welterfolg des Films verschaffte Mastroianni Zugang zum europäischen Autorenkino. Er drehte fortan mit den namhaftesten Filmemachern Italiens und benachbarter europäischer Länder Filme aller Genres. Von den komischen Figuren der Commedia all’italiana bis zu den existentialistisch verlorenen Charakteren, von den Liebhabern, denen er das Gebrochene hinzufügte, bis zum Alter Ego Fellinis verkörperte Marcello Mastroianni das Bild des italienischen Mannes in all seinen widersprüchlichen Facetten. In seinem Spätwerk, das verstärkt auch außerhalb Italiens entstand, entwickelte er in Filmen von Theo Angelopoulos, Nikita Michalkow und Manoel de Oliveira u.a. mit großer darstellerischer Poesie die Biografie des nostalgischen, träumenden Mannes.
In Kooperation mit dem Istituto Italiano di Cultura di Berlino präsentieren wir bis zum 16. Oktober eine Auswahl von 16 Spielfilmen mit Marcello Mastroianni aus den 50er und 60er Jahren. Ergänzt wird das Programm um ein Porträt, aufgenommen von seiner Lebensgefährtin Anna Maria Tatò drei Monate vor seinem Tod im Herbst 1996. (Hans-Joachim Fetzer)
Eine Veranstaltung mit freundlicher Unterstützung des Istituto Italiano di Cultura di Berlino.