Jonas Mekas – Filmemacher, Autor und Kurator (1922–2019) – äußerte immer wieder, seine Werke seien nicht politisch. Häufig ist jedoch genau das Gegenteil der Fall. Seine Antwort auf die Schrecken des 20. Jahrhunderts war die künstlerische Hinwendung zum Alltäglichen, für das er in seinen Filmen, Tagebüchern und Gedichten eine ästhetische Form suchte und ihm eine humanisierende Kraft zuschrieb. In seinem Werk spiegelt sich die wechselhafte Geschichte der letzten 100 Jahre.
Geboren 1922 in Litauen, erlebte Mekas in seiner Jugend, wie das Land im Baltikum zwischen die Fronten von Nationalsozialismus und Stalinismus geriet. 1944 musste er seine Heimat verlassen. Die Flucht und seine Gefangennahme, das Leben im Arbeitslager und in verschiedenen Displaced Person Camps schilderte er in seinen Tagebüchern eindringlich. Sie sind einzigartiges Zeitzeugnis der Nachkriegsjahre in Deutschland sowie der litauischen Diaspora in New York, wohin er 1949 mit seinem jüngeren Bruder Adolfas emigrierte. Dort wurde Mekas zu einem einflussreichen Netzwerker internationaler Avantgarden und schuf so Räume für eine Gegenkultur. In seinen Tagebuch-Filmen und in den New York Diaries dokumentierte er diese Entwicklung und reflektierte zugleich sein fortdauerndes Displacement.
Sein Geburtsland blieb ein wichtiger Ankerpunkt seiner Arbeit. Mit der Unabhängigkeit Litauens und der politischen Einbindung des Baltikums in die EU und die NATO schien die Gefahr erneuter Bedrohungen gebannt. Durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine sind Konfliktlinien des letzten Jahrhunderts wieder aufgebrochen, die Mekas in seinem Werk zum Gegenstand gemacht hat.
Anlässlich seines 100. Geburtstags thematisiert das umfassende, von Christoph Gnädig, Christian Hiller und Anne König kuratierte Programm die politischen Dimensionen von Jonas Mekas’ Schaffen. Entlang seiner Lebensgeschichte werden dabei die Themen MEMORIES (18.01.), DISPLACMENT (19.01.), COUNTER-CULTURE (20.01.), COLD AND NEW WARS (21.01.) und POLITICS OF EVERYDAY (22.01.) in Gesprächsrunden mit Filmemacher*innen, Künstler*innen und Weggefährt*innen erörtert.
Neben dem Filmprogramm im Kino 1 werden im Kino 2 Videoarbeiten von Mekas bei freien Eintritt gezeigt. Sie werden als sich explizit mit historisch-politischen Fragestellungen auseinandersetzende Werke verstanden und sollen einen kontextualisierenden Hintergrund für die jeweiligen thematischen Programmschwerpunkte bieten.
Filmische Fußnoten ergänzen auf der digitalen Plattform arsenal 3 das Programm online mit Filmen von Chantal Akerman, Sergei Loznitsa, Sarah Payton, Chris Teerink, Josh Waletzk und Jonas Mekas erweitert.
Während des gesamten Programms intervenieren performative Lesungen von Heike Geißler, Eglė Lukšaitė und Goda Palekaitė. Sie lesen aus Texten von Jonas und Adolfas Mekas. Asia Bazdyrieva liest aus ihrem ukrainischen Kriegstagebuch.
Die Veranstaltungen finden in englischer Sprache statt.
Gefördert vom Hauptstadtkulturfonds. Projektträger: ARCH+ Verein zur Förderung des Architektur- und Stadtdiskurses e.V., Berlin; mit Unterstützung von: Lithuanian Culture Institute, Vilnius, Botschaft der Republik Litauen, Berlin, Estate of Jonas Mekas, New York, Dovzhenko Centre, Kyiv, Re:Voir, Paris und Spector Books, Leipzig.