Der Autor und Filmemacher Antonio Pietrangeli war einer der wichtigen Erneuerer des italienischen Kinos der 50er- und 60er Jahre. Als er 1968 im Alter von 49 Jahren bei Dreharbeiten tödlich verunglückte, hatte sein Schaffen mit dem zuletzt fertiggestellten IO LA CONOSCEVO BENE (Ich habe sie gut gekannt) gerade einen Höhepunkt erreicht. Hierzulande sind Antonio Pietrangelis Filme bisher wenig bekannt und warten auf ihre Entdeckung. Das Arsenal zeigt in Kooperation mit dem Italienischen Kulturinstitut die mit zwölf Filmen bisher umfassendste Retrospektive in Deutschland.
Antonio Pietrangeli wurde 1919 in Rom geboren, absolvierte ein Medizinstudium und arbeitete zunächst als Übersetzer sowie Literatur- und Filmkritiker. In seinen Texten engagierte er sich für eine Neubelebung des italienischen Films und wurde zum Fürsprecher des Neorealismus, ein Begriff, dessen Prägung durch die erstmalige Verwendung in einem Artikel aus dem Jahr 1942 Pietrangeli zugeschrieben wird. Im gleichen Jahr begann er als Regieassistent und Ko-Autor an Filmen mitzuwirken. Er war an zwei Arbeiten Luchino Viscontis beteiligt und als Drehbuchautor u.a. für Roberto Rossellini, Alberto Lattuada, Pietro Germi, Alessandro Blasetti und Luigi Comencini tätig. 1953 drehte Pietrangeli mit IL SOLE NEGLI OCCHI (Sonne in den Augen) seine erste eigene Regiearbeit. Bis zu seinem frühen Tod folgten zehn Spielfilme und zwei Beiträge zu Episodenfilmen. Sein Debüt gab bereits vor, was in Tonlage und Thematik später exemplarisch für Pietrangelis Werk werden sollte: Zentrales Thema seiner Filme ist das ungleiche Verhältnis der Geschlechter in der modernen Industriegesellschaft. Pietrangelis besonderes Interesse galt den Frauen und ihren Lebensrealitäten vor dem Hintergrund der Transformation der italienischen Gesellschaft vom Agrar- zum Industriestaat. Dabei verband er moralische Dringlichkeit und soziale Anklage des Neorealismus mit satirischen Elementen der Commedia all’italiana und entwickelte im Zusammenführen von Gesellschaftskritik, Drama und Unterhaltung einen eigenständigen Stil. Seine meist aus weiblicher Perspektive erzählten Filme sind Komödien mit einem melancholischen Grundton. (Hans-Joachim Fetzer)
Eine Veranstaltung mit freundlicher Unterstützung des Istituto Italiano di Cultura di Berlino.