Bonne mère

Die verwitwete Nora (Halima Benhamed) ist Rückgrat und Seele einer großen Familie. Im Morgengrauen durchquert sie die halbe Stadt, um zum Flughafen zu gelangen, wo sie als Reinigungskraft arbeitet. Danach ist sie als ­Pflegerin und Haushaltshilfe bei einer alten Dame tätig. Zu Hause schließlich halten sie ihre Kinder und Enkel auf Trab: Ein Sohn neigt zum Müßiggang, die Tochter versucht sich in der Escort-Branche. Ihren Ältesten, der im Knast sitzt, besucht sie häufig und tut alles, um ihm beizustehen. Wegen der teuren Rechnungen seiner Anwältin verkauft sie ihren Schmuck und verzichtet auf ein mühsam erspartes neues Gebiss. Nora ist erschöpft – aber sie gibt nicht auf. Mit liebevollem Blick zeichnet Hafsia Herzi in ihrem zweiten Film das Porträt einer zeitgenössischen Mater Dolorosa. Mit Laiendarstel­ler*in­nen in jener Banlieue im Norden Marseilles gedreht, in der sie selbst aufwuchs, und von ihrer eigenen Mutter inspiriert, erzählt sie undramatisch und mit lebhafter Handkamera von familiärem Miteinander und sozialen Fragen, ohne je in Miserabilismus zu verfallen. (bik)