Was wäre, wenn man die Wände eines Multiplex-Kinos einreißen und zwischen den Filmen hin- und herwandern könnte? Zwei antagonistische, aber sich ergänzende Programme laufen parallel, und das Publikum wechselt zwischen den Sälen. Das heimliche Verlassen des Saals wird Teil einer stillen Performance. Das Programm ist von zwei Chaplin-Filmen aus dem Archiv des Arsenal inspiriert.
Programm Kino 1:
Im titelgebenden Film von Charlie Chaplin beginnt alles als netter Ausflug, der schnell in eine Katastrophe mündet. In diesem Programm zeigen wir Filme, die Schwindel erregen – durch verwirrende Kameraschwenks oder die Präsenz der Körper, wenn Gefühle den Bewegungen des Lichts folgen. In diesem Strudel treten Latentes und Verdrängtes zutage: die Verarbeitung von Trauma und die Suche nach einer neuen Sprache. Viele dieser Filme funktionieren ohne Worte, rein somatisch. Sie nutzen die einfachsten Elemente – Farbe, Form, Sound und Bewegung – und verwandeln den Zuschauerraum in einen körperlich erlebbaren, dreidimensionalen Raum. Die hermetische Realität des Kinos übt Druck auf den Zuschauerraum aus: sie betört, umfängt und entführt. Aus einem Tag kann schnell eine lange Nacht werden, in der wir das Erlebte verarbeiten.
A Day's Pleasure
Als Charlie beschließt, mit seiner Familie einen Ausflug zu machen, passiert ihm ein Missgeschick. Zuerst bleiben sie im Stau stecken und dann ist Charlie gezwungen, den Tag auf einem Ausflugsboot zu verbringen. Das Leben beginnt zu schwanken, der Schwindel setzt ein.
I Change, I Am the Same
Ein kurzer, wahnsinnig komischer Film über eine Frau und einen Mann, die sich ständig in verschiedenen Zuständen des Auskleidens und beim Tragen der Kleidung des jeweils anderen befinden.
Matata
Ein junges Model erlebt während eines Fotoshootings, das die Zeit von König Leopolds Herrschaft im Kongo nachstellt, eine transformative Reise durch Traumbilder und begegnet Figuren, die ihr helfen, ihre Identität und die Geschichte des Landes zu verstehen. Rhythmus, Farbe und Bewegung lenken den Film weg von stereotypen Afrikabildern hin zu einer neuen Zukunft.
Grandmamauntsistercat
Der aus Archivmaterial des Lehrfilmstudios in Łódź zusammengesetzte Film erzählt die Geschichte einer Familie durch die Perspektive eines Kindes, das sich mit ideologischen Systemen und binären Geschlechterrollen auseinandersetzt. Ursprünglich zu Lehr- und Propagandazwecken im kommunistischen Polen produziert, werden diese Filme in einen autofiktionalen Erinnerungsort verwandelt, und sexistisches Bildmaterial in Werkzeuge der Freiheit und des Widerstands umgedeutet.
Gestalt
Vierdimensionale Quaternionen, eine Gruppe von Fraktalen, werden durch Projektionen in den dreidimensionalen Raum sichtbar gemacht, wobei die zugrunde liegende Mathematik im Mittelpunkt steht – statt 3D-Modeling-Software. Die Visualisierung basiert auf der Formel xn+1=xnp−cxn+1=xnp−c, deren Variablen über fast zwei Jahre hinweg manipuliert und die Bilder gerendert wurden.
Untitled Sequence of Gaps
besteht aus einer Montage von Aufnahmen in verschiedenen Techniken und Materialitäten und verwendet die Form eines Essayfilms, um sich dem traumabedingten Gedächtnisverlust durch Reflexionen über Licht außerhalb des sichtbaren Spektrums zu nähern - über das, was gefühlt, aber nie gesehen wird.
Fugue
Eine schemenhafte Figur führt vor einem gerasterten Hintergrund Bewegungen aus, die auf der Filmemulsion Lichtspuren hinterlassen, während unleserliche Texte auf ihren unebenen Körper projiziert werden. Der Film untersucht durch kontrapunktische Kompositionstechniken die Verbindung von Bild, Ton und Bewegung, indem er frühere Bewegungsstudien des 20. Jahrhunderts nutzt.
Errant Gestures
Bewegungen, auch unbeabsichtigte, werden zu Gesten der Kommunikation. Füsse bewegen sich durch die Stadt, Hände öffnen Türen. Alles erzählt einen Ausdruck. Der experimentale Found Footage Film weist darauf hin, wie gestische Ausdrucksformen in der Kultur verwurzelt sind und lesbar werden.
Hände
Ein faszinierendes Werk der Filmavantgarde, in dem körperliche Ausdruckskraft und abstrakte Formen in einem Tanz der Hände inszeniert werden. Menschliche Bewegungen werden isoliert und mechanisiert – im Zeitalter entfremdeter Industrialisierung.
Back and Forth
Der Film zeigt einen einfachen Schulraum, der mit einer mechanisch bewegenden Kamera festgehalten wird, während Menschen gelegentlich erscheinen und die Kamerabewegung zunehmend schneller wird, bis alles verwischt und nur noch Energie, Licht und Bewegung übrig bleiben. Eine radikale "Verschmelzung von Form und Inhalt" (Jonas Mekas).
Die Sprache der Dinge
Tokios Hightech-Vergnügungsparks und künstlichen Welten, präzise kalkulierte Beschleunigungs- und Karussellmaschinen – Wie verhält sich die Sprache des Menschen und die Sprache der Dinge – hier in Bezug auf die industrielle Entwicklung von Hightech-Amusementparks mit der Kalkulierbarkeit himmelstürmender Affekte?
Endarchiv
inszeniert performative Löschungsprozesse in radikal veränderten Umwelten 1989 und 2019.
Zerzura
Wie nehmen wir die „Natur“ wahr? Ist es ein „Ding“, dem wir Menschen äußerlich sind? Oder sind wir alle Teil eines Netz, in dem es weder Zentrum noch Peripherie gibt? Kann eine Zusammenstellung von Klängen und Bildern uns dazu einladen, die „Natur“ als lebendig, empfindungsfähig und handlungsfähig zu betrachten?
Curupira, Bicho do Mato
Der Film porträtiert die brasilianische Mythologie des Curupira, des Schutzgeistes des Waldes in einem speziellen Arrangement betörender Dschungelgeräusche. Zuschauer werden stille Beobachter und zugleich Teil der immersiven Naturerfahrung im Kino.
Somniloquies
Eine Überwindung der Grenze zwischen innerer Traumlandschaft und menschlichem Körper – die Traumberichte des Songwriters Dion McGregor werden mit fließenden visuellen Formen und Geräuschen immersiv verbunden. Die feine Linie zwischen behutsamer Beobachtung und invasiver Darstellung körperlicher Transformation wird hinterfragt.
Stadt in Flammen
Ein explosiver Film, in dem die Filmemulsion wie zähflüssige Lava über das Bild kriecht und schemenhafte Teile einer Soap-Opera in Zeitlupe aufreißen und zerfallen. Ähnlich wie uralte Gemälde machen die Szenen Sprünge und lösen sich von ihrer Oberfläche, wodurch eine brodelnde Auflösung entsteht.