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Al hayatt al yawmiyah fi qariah suriyah

Alltagsleben in einem syrischen Dorf
Filmstill aus "Alltagsleben in einem syrischen Dorf": Eine Gruppe von Kindern spielt mit Sand.

Mo 12.06.
16:15

Der erste Langfilm von Omar Amiralay zeichnet ein detailliertes Bild über das Leben in Al Mouwayleh, einem Dorf im Nordosten Syriens. Das Filmteam verbrachte mehrere Monate in dem Gebiet, um anhand eines Dorfes die Probleme des Landes zu veranschaulichen. „Wir behaupten nicht,“ so der Regisseur in einem Interview von 1976, „dass dieser Film ein vollständiges Bild vom Leben in diesem Dorf liefert. Wir versuchten, [...] die wichtigsten sozio-ökonomischen und kulturellen Merkmale des Dorfes zu reproduzieren, die wahrscheinlich in ihren Machtstrukturen anderen syrischen Dörfern gleichen.“ Die Grundlage des Films bildet die Spannung zwischen Regierung und Landbesitzer*innen einerseits sowie den Landarbeiter*innen andererseits, die Amiralay beobachtet und analysiert.
Eine Kopie des Films befindet sich seit seiner Aufführung im Berlinale Forum 1976 (seinerzeit Internationales Forum des Jungen Films) im Archiv des Arsenal. Anfang des Jahres übergab Ismat Amiralai den filmischen Nachlass seines Bruders an das Arsenal.

Im Forums-Katalog wurde zu AL HAYATT AL YAWMIYAH FI QARIAH SURIYAH neben einem Vorwort des Regisseurs und Sadala Wannous (Buch) zum Film ein Gespräch zwischen Omar Amiralay und Guy Hennebelle veröffentlicht, aus dem folgender Auszug zitiert ist. Das gesamte Katalogblatt kann als PDF heruntergeladen werden.

[…]
Hennebelle: Wie waren die Drehbedingungen? Wie waren die Kontakte mit den Dorfbewohnern und mit den Autoritäten?
Amiralay: […] Unsere Kontakte mit den verschiedenen vorhandenen Parteien waren äußerst schwierig. Wir befanden uns in einer Zwickmühle zwischen zwei umfassenden Reaktionen: auf der einen Seite die Bauern, die uns als Vertreter des Staates ansahen, einfach weil das Nummernschild unseres Autos grün war, was genügte, um bei ihnen mehr Vorsicht als Neugierde, um nicht zu sagen sogar eine gewisse Furcht hervorzurufen. Zum anderen die regionalen und lokalen Autoritäten, die uns mit Mißtrauen betrachteten, trotz des offiziellen Dokuments, das wir besaßen. Erstens sind die Verantwortlichen eine solche Fürsorge durch die Hauptstadt nicht gewöhnt, zum anderen entzückte sie unsere Einmischung in ihre persönlichen Geschäfte nicht allzu sehr, da wir für ihren Geschmack zu viele Fragen stellten.
Angesichts dieser Situation haben wir in unseren Beziehungen zu den zwei vorhandenen Lagern eine neutrale Haltung eingenommen, besonders im Kontakt mit den Verantwortlichen. Das Wichtigste war für uns, mit allen Mitteln ein grundlegendes Wissen über das Thema zu erhalten.
Wir wurden durch die Überzeugung ermutigt, daß das starke Interesse der offiziellen Stellen, das durch unsere Ankunft hervorgerufen worden war, allmählich nachlassen und am Ende schließlich ganz verschwinden würde ... So kam es dann auch. Diese Bürokratie ist nicht gewohnt, lange zu arbeiten: Sie wurde schnell durch unsere wiederholten Schritte erschöpft, die sie schließlich soviel zusätzliche Arbeit kosteten und die auch durch noch so viele Tassen Tee nicht aufgewogen werden konnte.
Während unseres zweiten Aufenthaltes im Dorf, diesmal mit dem Ziel, eine Beziehung zu den Bauern aufzubauen, stellten wir fest, daß die Einstellung der Angehörigen der Lehrergewerkschaft zu uns sich verbessert hatte. Gleichzeitig hatten wir auch die Methoden unserer Befragung und unsere Integration in das Milieu geändert. Wir konnten nur stufenweise zum Ziel gelangen. Erst als sich die Einwohner an unsere Gegenwart und die Präsenz unserer Geräte gewöhnt hatten, begannen wir die ersten Dialoge mit ihnen zu führen. Trotzdem, als wir uns später die Muster ansahen, war dies keineswegs ermutigend. Wir stellten fest, wie sehr unsere Listen, uns den Bauern zu nähern, unzulänglich waren und es uns nicht ermöglichten, zu einem offenen und freien Dialog zu kommen. Unseren festen Versicherungen, daß wir ihren Standpunkt im Film voll respektieren würden, war nicht ganz geglaubt worden.
Die meiste Zeit zeigten unsere Interviews mit den Bauern entweder eine unbewußte Listigkeit, die alles mystifizierte oder eine bewußte Offenheit; aber diese erwies sich auch als unzulänglich, um ein wahres Bild des Klassenkampfes zu geben, der unter der Oberfläche der vielfältigen Beziehungen zwischen den einzelnen angesprochenen Parteien weiterbestand.
Dieser Klassenkampf wurde sehr fühlbar bei den regionalen Wahlen, die während der Dreharbeiten im ganzen Land stattfanden, so daß der Lack von der Oberfläche der vielfältigen Beziehungen von denen ich gerade sprach, zersprang. In unserem Dorf gab es drei Kandidaten: Der eine vertrat die Scheichs, d.h. die Grundbesitzer, der andere (ein Verantwortlicher für die Gewerkschaft) re- präsentierte die Bauern und der dritte profitierte von den bestehenden Widersprüchen und erklärte sich als Unabhängiger. Als Folge des Wahlsieges des Dritten demonstrierten die Bauern eine verstärkte Unterstützung für den Verantwortlichen der Gewerkschaft, weil sie besorgt waren, die sozialistischen Vorteile zu verlieren, die sie zuvor im Kampf und um den Preis großer Opfer gewonnen hatten. Dieses neue Element in den Produktionsbeziehungen konnte die Vertreter der Grundeigentümer nur irritieren, die darin das Anzeichen einer großen Gefahr zu sehen begannen. Sie heckten also, unter dem Deckmantel einer Stammesfehde die Ermordung des Verantwortlichen der Gewerkschaft aus und fanden auf diese Weise einen Vorwand, die Bauern und ihre Familien von ihren Feldern zu vertreiben und mit Repressalien zu bedrohen.
In dieser neuen Situation begannen die Bauern mit einer überraschenden Beredtsamkeit vor der Kamera die Lage zu analysieren und die Verantwortlichen anzuklagen, so daß nur noch aufzunehmen war, was geschah und was gesprochen wurde. Wir waren sehr erstaunt über diese Entschlossenheit. Als Marxisten, die wir zu sein glaubten, hätten wir wissen müssen, daß diese Leute, die in ihrem eigenen Land als Fremde behandelt wurden, nichts mehr zu verlieren hatten. […]

Aus: Guy Hennebelle, „Le cinéma syrien“, in „L'Afrique littéraire et artistique“ Paris, Nr. 36, 1975, S. 87 ff

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