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Fiktionsbescheinigung Programm 5

Filmstill aus „Normalität 1–10“ von Hito Steyerl. Eine dunkelhaarige Frau in Nahaufnahme, im Hintergrund eine Demo mit Menschen und Transparenten.
Hito Steyerl, NORMALITÄT 1–10 © Hito Steyerl

Mo 14.02.
20:30

Kino

Akademie der Künste

Die Reihe „Fiktionsbescheinigung“ wirft die Frage auf, wie Kultur im Allgemeinen, Kino im Besonderen, Gesellschaft und Rassismus zusammenhängen. Sie widmet sich dem Schaffen von Schwarzen Regisseur*innen und Regisseur*innen of Color in Deutschland und versteht sich als ein Experiment in geteilter kuratorischer Verantwortung. Dabei wirft sie auch ein Schlaglicht auf ein zu Unrecht zu wenig bekanntes Kapitel deutscher Filmproduktion.
 
Die Filmauswahl Kurator*innen Enoka Ayemba und Biene Pilavci die Filmauswahl getroffen. Unterstützt haben sie dabei Karina Griffith, Jacqueline Nsiah, Can Sungu sowie das Auswahlkomitee des Berlinale Forums. 

  • Regie

    Hito Steyerl

  • Österreich, Deutschland / 2001
    38 Min. / OmeU

  • Originalsprache

    Deutsch, Englisch

Normalität 1-10

Zwischen 1999 und 2001 produzierte Hito Steyerl unter dem Titel NORMALITÄT 1–10 eine mehrteilige Video-Arbeit. Am Ende des dritten Videos kommentiert sie, die Serie sei nicht geplant, aber alternativlos gewesen in einer Zeit, in der Normalität Gewalt bedeute. Auf körnigem VHS-Material bahnt sich Steyerl ihren Weg durch Deutschland und Österreich und beschließt die Serie mit dem 10. Jahrestag der deutschen Wiedervereinigung, an dem es wenig zu feiern gibt. Die Schändung jüdischer Gräber kündigt antisemitische Auslassungen in deutschen Talkshows an; ähnliche Vorgänge in Wien gehen über in skandierte Solidaritätsbekundungen in Berlin, nachdem die FPÖ die österreichischen Wahlen gewonnen hat; ein Bombenanschlag auf jüdische Einwander*innen in Düsseldorf läutet eine Reihe von Attacken auf Geflüchtete, Migrant*innen und Ausländer*innen in Deutschland ein. Der Newsticker der Hannoveraner U-Bahn informiert über eine dieser Attacken, auf der Expo werden leere Versprechen gegeben, PoC machen in Deutschland gegen Rassismus und Kapitalismus mobil. Vom heutigen Standpunkt aus scheinen diese Dinge alles andere als normal, aber neue Normalitäten sind immer nur eine Frage der Zeit. (James Lattimer)

  • Regie

    Cana Bilir-Meier

  • Deutschland, Österreich / 2019
    16 Min. / OF

  • Originalsprache

    Englisch

This Makes Me Want to Predict the Past

Zwei junge Frauen bummeln durch eine Mall. Sie albern herum, probieren Sonnenbrillen an, posieren für die Kamera, die schwarz-weißes Super8-Filmmaterial belichtet, sehen Fotoabzüge durch, auf denen andere Menschen ähnliche Posen einnehmen. Auf der Tonspur eine Abfolge absurd-widersprüchlicher Sehnsüchte – die Vergangenheit vorhersagen, den Wecker aus dem Schlaf reißen, vergessen, woran man sich nicht erinnern kann. Ein Tag wie jeder andere, irgendwo und irgendwann. Dann verortet ein Datum auf einer Gedenktafel die Szene: Wir sind im Olympia-Einkaufszentrum in München, wo am 22. Juli 2016 bei einem rassistischen Anschlag neun migrantische Jugendliche getötet und weitere verletzt wurden. Die Fotos – wie oft in Cana Bilir-Meiers Werk Fundstücke aus dem Familienarchiv – zeigen Szenen des Theaterstücks „Düşler Ülkesi“ (dt.: Land der Träume), an dessen Inszenierung 1982 Bilir-Meiers Mutter mitwirkte. Eine Bombendrohung verhinderte die Premiere.
Verbindungslinien und Brüche entstehen zwischen migrantischem Alltag damals und heute, zwischen jugendlicher Unbeschwertheit und den Kontinuitäten rassistischer Gewalt in Deutschland. (Uli Ziemons)

  • Regie

    Forensic Architecture

  • Vereinigtes Königreich / 2017
    29 Min. / OF

  • Originalsprache

    Englisch

77sqm_9:26min

Am 6. April 2006 wurde Halit Yozgat in einem Kasseler Internetcafé erschossen. Der Mord an dem jungen Mann war der neunte in einer Serie von insgesamt zehn. Alle Taten verübte die Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) in den Nuller Jahren. Zugegen war an jenem 6. April auch ein Mitarbeiter des Hessischen Verfassungsschutzes, Andreas Temme. Er behauptete, zur Tatzeit das Café schon verlassen zu haben.
Das Kollektiv Forensic Architecture, bekannt für das Verschmelzen von künstlerischer und politischer Praxis, nimmt sich des Mordes an Halit Yozgat an, indem es für seinen Film 77SQM_9:26MIN die Minuten vor und nach der Tat genau rekonstruiert. Was an den Aussagen Andreas Temmes stimmt und was nicht, ist die Leitfrage des Films, der erstmals bei der documenta 14 in Kassel zu sehen war. Zeugenaussagen werden abgeglichen, in einem Nachbau des Internetcafés werden Bewegungsabläufe rekonstruiert, bei einer digitalen Simulation zeigt sich, wie lange der Geruch der Schüsse in der Luft hängt.
Den Ermittlungsbehörden und der Justiz stellen die Rückschlüsse, die sich aus den Recherchen ziehen lassen, ein vernichtendes Zeugnis aus. (Cristina Nord)

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