"1,2,3… Avant-Gardes", herausgegeben von Łukasz Ronduda und Florian Zeyfang und bei Sternberg Press erschienen, umfasst Texte von David Crowley, Steven Ball und David Curtis, Anselm Franke, Leire Vergara, Jan Verwoert, Axel John Wieder und Michał Wolinski, sowie künstlerische Beiträge von Paweł Althamer und Artur Żmijewski, Bernadette Corporation, Matthew Buckingham, Judith Hopf und Katrin Pesch, Igor Krenz, Jonathan Monk, Jeroen de Rijke und Willem de Rooij, und Wilhelm Sasnal. Das Buch ist in sechs Themenfelder organisiert: Analytischer Film, Politischer Film/Soc Art, Ton & Bild, Imagination, Spiele/Partizipation und Konsum. Ähnlich sind die drei Filmprogramme im Arsenal strukturiert – auch wenn die reiche Geschichte des polnischen Experimentalfilms hier nur in Ausschnitten gezeigt werden kann. Am 16. Mai um 19.00 führt Łukasz Ronduda ein in ein Programm mit Filmen des Workshop of the Film Form (1970-1977), dessen Mitglieder an der Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse durch die Erfindung einer zugleich offenen und direkt in die soziale Realität der zwischenmenschlichen Kommunikation eingreifenden Formensprache arbeiteten. Die Werke von by Kazimierz Bendkowski, Wojciech Bruszewski, Pawel Kwiek, Józef Robakowski und Ryszard Wasko kann man mit den "Thesen zur Kontextuellen Kunst" des zeitgleich arbeitenden Künstlers und Theoretikers Jan Swidzinski verstehen, die als Gegenentwurf zu den damals von Joseph Kosuth vorgebrachten Ideen zur "konzeptuellen Kunst" gedacht waren. Die kontextuellen Zeichen in diesen experimentellen Filmen standen, vor dem Hintergrund des kommunistischen Polens, neben ihrer avantgardistischen, selbstbezüglichen Haltung auch für eine Art "radikaler Demokratie", schreibt Łukasz Ronduda. (16.7.) Das Doppelprogramm am 17. Mai präsentiert zunächst Arbeiten, die als Interpretation und Weiterführung der "Open Form" des Architekten Oskar Hansen von seinen StudentInnen entwickelt wurden, darunter GRA NA TWARZY AKTORKI (Auf dem Gesicht der Schauspielerin spielen) und GRA NA WZGORZU MORELA (Spiel auf dem Morel Hügel). Zu Hansens SchülerInnen zählten damals Zofia Kulik, Przemysław Kwiek, Jan Wojciechowski, Waldemar Raniszewski, Wiktor Gutt und Grzegorz Kowalski, die später zu den wichtigsten Protagonisten der experimentellen Kunst in Polen gehörten. Die von ihnen entworfenen Spielsituationen forderten von den TeilnehmerInnen, etwas über jene Verantwortung zu lernen, die in jeder Handlung in der öffentlichen Sphäre oder deren Modell eine Rolle spielt. Zwischen den TeilnehmerInnen entstand eine "intersubjektive" Sphäre der Kommunikation. Paweł Althamer ist, neben Artur Żmijewski, einer der jüngeren polnischen Künstler, die diese Tradition wieder aufnahmen. Wir zeigen von ihm BRODNO 2000. Der zweite Teil führt ein in Soc Art und die Diskussion um Konsum im Polen der frühen 1970er Jahre. Beide Themenfelder belegen das starke Interesse der experimentellen FilmemacherInnen an politischer Einflussnahme und der produktiven Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Bildern von Warenkonsum und Körpersprache in Ost und West. Zwei Filme von Paweł Kwiek – NIECHCICE (1971–1973) und 1,2,3… CWICZENIE OPERATORSKIE (1, 2, 3… Operator's Exercise) – sowie ODMIANY CZERWIENI. DROGA EDWARDA GIERKA (Variants of Red. Edward Gierek's Path. Eine Rekonstruktion) von Zofia Kulik und Przemysław Kwiek zeugen von dem Versuch, eine sozial engagierte Kunst produzieren, die von der Formel des Sozialistischen Realismus abwich, indem sie in ihrer avantgardistischen, politisch engagierten Arbeit die "neuen Sprachen der Kunst" (prozessorientierte Kunst, Minimalismus, Happenings, Konzeptualismus, Interaktivität, Partizipation, Kollektivismus, Kollaboration, strukturalistisches Kino etc.) mit Politik verband. Auf der anderen Seite thematisierten Zdzisław Sosnowski, Zbigniew Rytka, Janusz Haka, Natalia LL und weitere KünstlerInnen auf zum Teil provokative, zum Teil forschende Weise in ihren Filmen Gedanken zu einer anderen Form von "Konsum" und den damit verbundenen Projektionen. (17.7. Kino 1&2) Die Geschichte dieser Filme ist die einer Auseinandersetzung der künstlerischen Form mit der Realität – vor dem Hintergrund des Kalten Krieges und der sozialistischen Gesellschaft. Die FilmemacherInnen wagten dabei Modelle, die so in der Welt des Westens nicht probiert wurden, nicht entworfen werden konnten. Um es mit Jan Verwoert aus seinem Text in "1,2,3… Avant-Gardes" zu formulieren: die "Provokanz dieser avantgardistischen Gesten (liegt) darin, durch die Aufführung einer anderen Art der Kommunikation eine andere und bessere Art des Zusammenlebens herbeiführen zu wollen, in dem direkte und offene Formen des Austauschs endlich das gesellschaftliche Leben von der Macht ideologisch geprägter Umgangsformen befreien." In Zusammenarbeit mit Künstlerhaus Stuttgart, sala rekalde und CCA Ujazdowski Castle; mit Unterstützung von Büro Kopernikus und Sternberg Press.