In den folgenden Filmen wird die Welt nicht gezeichnet, sondern sie ist von etwas gezeichnet, und deshalb wird sie aufgezeichnet. HIROSHIMA MON AMOUR (1959) von Alain Resnais, geschrieben von Marguerite Duras: Eine durch einen Atomschlag zerstörte und notdürftig wieder aufgestellte Stadt ist das "Set" für einen Rest von Geschichte, in dem alle Protagonisten von unbewusster Kollaboration und hilfloser Liebe gezeichnet sind. (6.11.)
DESERTO ROSSO (1964) von Michelangelo Antonioni. Wie bei jedem großen Filmemacher sind bei Antonioni Storys nur ein Vorwand, um etwas ganz Anderes zu zeigen, zum Beispiel die "Landschaften", in denen sie stattfinden. Er war der erste, der diese Absicht so unverhüllt in einem prinzipiell vergifteten System durchzusetzen verstand. Hier ist es die Industrie, die die Landschaft zeichnet und auf die schon im Vorspann eine verzerrte Arie gesungen wird. Danach bestimmt die Kinematografie von Carlo di Palma den weiteren Lauf der Dinge. (13.11.)
SHOAH (1985) von Claude Lanzmann umkreist das, was nicht gezeigt werden kann: die Konsequenzlogik und Tötungsmaschinerie des deutschen Antisemitismus, das Leben und Sterben in den Konzentrationslagern der Nazis, erzählt von dessen letzten Zeugen. Wie unmöglich und aggressiv verharmlosend dagegen die Versuche, dem Geschehen die Story-Logik der Spielfilmform überzustülpen, um sie so "aufzulösen". (20. & 21.11.)
THE DEER HUNTER (1978) von Michael Cimino. Eine Welt gezeichnet von Familien und reziprok dazu die des Krieges. Clairton, Pennsylvania: Eine Gruppe befreundeter Arbeiter in allen Facetten eines zivilen Lebens – beim Stahlkochen, Hochzeitfeiern und auf der Hirschjagd – wird auf die andere Seite des Globus gebeamt und findet sich dort beim Töten und Getötetwerden wieder. (27.11.) (Heinz Emigholz)