Wenn aus dem gedämpften Inneren etwas das geräuschvolle Äußere berührt, entstehen Echos und Rückkopplungen, schlagen Funken. Sie brennen sich ins Filmmaterial, das zu herrlichen Landschaften vernarbt. Stimmen aus dem Vor-dem-Film dringen ins Nach-dem-Film und langsam versucht der Zuschauer etwas zu rekonstruieren, von dem er ahnt, dass es ihm sonst fehlen würde.
Er überraschte im vergangen Jahr in Mannheim und in Osnabrück: DEAD TIME (2005) des kanadischen Filmemachers Steve Sanguedolce ist der Versuch einer filmischen Darstellung des Lebens im Drogenrausch. Für diesen Tagebuch-Film über die Geschwister Wendy und Julie und deren Versuche, ihrer Geschichte zu entkommen, hat Sanguedolce den Bildern alle falsche Normalität ausgetrieben. Jedes Bild ist handbearbeitet und verfremdet. Dazu hören wir Geschichten aus einer Welt der lebenden Drogentoten, die versuchen, den Kontakt zur wirklichen Welt nicht ganz zu verlieren und die Geheimnisse ihrer Kindheit doch noch zu verarbeiten. (24.4.)
SMACK (2000) ist gewissermaßen eine Vorarbeit zu DEAD TIME: Teilweise dokumentarisch, teilweise fiktional verfolgt der Film den Weg dreier Brüder, die ihren Weg in die Welt suchen. Dabei probieren sie alles aus, was verboten ist (Drogen, Kriminalität, Gewalt) und bringen sich dabei in Gefahr. Die Geschichten werden von realen Personen erzählt, die über ihr Leben sprechen, und reichen von religiöser Transformation bis zur Einnahme von Heroin. Sie sind voller Humor, aber auch erschreckend real. Die Voice-over-Stimmen durchziehen einen überwältigenden Bilderrausch aus handbearbeitetem und eingefärbtem Material, wodurch eine leuchtende Welt entsteht, die gleichzeitig verführerisch schön und bedrohlich wirkt. Sie besteht aus intensiven familiären Bindungen, verlockenden Gefahren und der Hoffnung auf Erlösung. (25.4.)
"MEXICO (1992, mit Mike Hoolboom) seziert rücksichtslos die Annahmen und Halbwahrheiten, die wir uns selbst über Entwicklung und Fortschritt erzählen. Es ist weniger ein Film als vielmehr eine Serie von lebendigen Postkarten. Die Bilder werden von einem scharfsinnigen Voice-Over unterstützt. Die Tour führt von einem archäologischen Museum über eine Autofabrik ('eine Fabrik, die nur Qualm produziert') bis zu einem ungeheuer plastischen Stierkampf, und verbindet kulturellen Kolonialismus mit freiem Handel. 'Alles, was man berührt, verwandelt sich in Toronto', sagt Hoolboom, und sein Ferienausflug endet mit der beunruhigenden Verwandlung der Straßen von Mexico City in den Highway 401." (Josh Ramisch) (25.4.)
"AWAY (1996) beansprucht viel Raum und Struktur, und damit wird Steve Sanguedolce seinem Thema gerecht. Inspiriert von Francis Ford Coppolas Biografie and der Saga von Apocalypse Now amüsiert sich der Film über diese kulturellen Mythen und schreibt sie gleichzeitig sehr durchdacht und einfallsreich neu, oft mit sehr viel Witz. Sanguedolces vielschichtige Art und Weise, in Textfragmente Humor zu injizieren, trifft den Punkt."
(Helen Lee) (25.4.)
Wir freuen uns, Steve Sanguedolce anläßlich der Vorführung seiner Filme im Arsenal begrüßen zu können.