Das Resultat dieses dreifachen Debüts, das gleichzeitig auch den Beginn einer über 40 Jahre währenden Zusammenarbeit zwischen Ismail Merchant, James Ivory und Ruth Prawer Jhabvala markierte, war der Film THE HOUSEHOLDER (1963), mit der wir die Hommage an die berühmte Schriftstellerin und Drehbuchautorin Ruth Prawer Jhabvala eröffnen. Im Gegensatz zu den diversen Literaturverfilmungen, die man mit der deutsch-britisch-indischen Drehbuchautorin Ruth Prawer Jhabvala immer wieder in Verbindung bringt – wie A ROOM WITH A VIEW (1985), Howards End (1992) oder The Remains of a Day (1993), möchten wir anhand von sechs in Deutschland wenig bekannten Filmen die Anfänge von Prawer Jhabvalas Arbeit für den Film beleuchten. Die meisten dieser frühen Filme beruhen auf Prawer Jhabvalas eigenen Kurzgeschichten und Romanen und spielen in Indien, wohin die Schriftstellerin 1951 mit ihrem Ehemann C. S. H. Jhabvala zog. Geboren wurde sie 1927 in Köln in eine jüdisch-deutsch-polnische Familie, die 1939 nach England emigrieren musste. Nach der Schulausbildung studierte Ruth Prawer Englische Literatur an der University of London, bevor sie ihren späteren Ehemann kennen lernte. Ihre Situation als Europäerin in Indien, bildete immer wieder den Ausgangspunkt für ihr schriftstellerisches Schaffen, wie auch in THE HOUSEHOLDER, einem gleichermaßen einfühlsamen wie komödiantischen Porträt der mühsamen Annäherung eines frischverheirateten Ehepaars in Neu-Delhi. Vor allem der Ehemann Prem (gespielt von Bollywood-Star Shashi Kapoor) kann sich nicht an die neue Situation der arrangierten Ehe gewöhnen. Es fällt ihm schwer, Verantwortung als Ehemann und bald auch Vater zu übernehmen. Als seine junge Frau ihn wenige Monate später verlässt und er erneut mit seiner Mutter konfrontiert ist, sucht Prem Rat bei verschiedensten Menschen seiner Umgebung: einem erfahrenen Ehemann, einem Swami und einem Europäer, der Indien auf der Suche nach Erleuchtung bereist. (15. & 20.8.) Zwei Jahre später arbeiteten Merchant, Ivory und Prawer Jhabvala für SHAKESPEARE WALLAH erneut zusammen – die erste Produktion, die unter dem Dach der Firma Merchant Ivory Productions gedreht wurde. Auch SHAKESPEARE WALLAH (1965) basiert auf einem Roman von Prawer Jhabvala und schildert die bittersüße Geschichte einer im post-kolonialen Indien umherziehenden Theatertruppe, deren Schauspielkunst – es werden vor allem Shakespeare-Stücke aufgeführt – sich gegen das aufkommende Bollywood-Kino immer seltener durchsetzen kann. Als sich die Tochter des Theaterdirektors in einen reichen Playboy (eine weitere Paraderolle für Shashi Kapoor) verliebt, der sich im Dunstkreis der indischen Filmindustrie bewegt, müssen sich alle Mitglieder der Theater-Familie mit den kulturellen, politischen und gesellschaftlichen Veränderungen in Indien auseinandersetzen. (16. & 24.8.) Auch in BOMBAY TALKIE (1970) ist Shashi Kapoor zu sehen, diesmal in der Rolle des jungen indischen Filmstars Vikram. Im Mittelpunkt des Film steht jedoch die britische Schriftstellerin Lucia Lane, die in Bombay Material für ihr neues Buch zu finden hofft. Doch anstelle von Inspiration trifft sie zunächst auf Vikram, der ihr von einem Produzenten (Ismail Merchant in einer Cameo-Rolle) vorgestellt wird. Es ist Liebe auf den ersten Blick, doch die sich entwickelnde Affäre führt im Umfeld der beiden zu allerlei zwischenmenschliche Konsequenzen. BOMBAY TALKIE ist eine beeindruckende Mischung aus psychologischem Drama und liebevoll-parodistischer Reverenz an die indische Filmindustrie, aufgenommen von einem der berühmtesten indischen Kameramänner: Subrata Mita, der in fast allen Filmen Satyajit Rays die Kamera geführt hat. (17.8.) Wie in SHAKESPEARE WALLAH treffen auch in AUTOBIOGRAPHY OF A PRINCESS (1975) Vergangenheit und Gegenwart aufeinander. Die schmerzliche Schnittstelle findet in AUTOBIOGRAPHY OF A PRINCESS am Todestages des Maharadschas statt, an dem sich seine Tochter und der ehemalige Tutor des indischen Königs, Cyril Sahib, zum Tee treffen, um die guten alten Zeiten noch einmal Revue passieren zu lassen. Doch beim Betrachten der alten Fotos wird deutlich, wie unterschiedlich die beiden ihr damaliges Leben empfinden. Während sich die Prinzessin voller Nostalgie und Wärme an ihren Vater und die gemeinsame Vergangenheit erinnert, muss Sahib im Laufe des Gesprächs immer stärker an die manipulativen, grausamen und geschmacklosen Seiten des Maharadschas denken. Ruth Prawer Jhabvalas straff und pointiert geschriebenes Drehbuch wird von den beiden Schauspielern Madhur Jaffrey und James Mason beeindruckend umgesetzt. (19. & 26.8.) Mit ROSELAND (1977) siedelt Ruth Prawer Jhabvala eine Geschichte außerhalb Indiens an. Der Titel des Films ist dem Namen eines New Yorker Tanzpalastes entlehnt, Spielort von drei Erzählsträngen, die zum Teil nebeneinander laufen, sich dann aber überraschend kreuzen. Im Mittelpunkt stehen Frauen, die dem Leid und den Nöten ihres Lebens für die Länge eines Tanzes entkommen wollen. So z.B. die Witwe May, die beim Tanzen in den Spiegeln des Ballsaals ihren verstorbenen Mann zu sehen glaubt. Oder Marilyn, Cleo und Pauline, die alle in den gleichen Gigolo verliebt sind und sich seiner ungeteilten Aufmerksamkeit und Zuwendung nur beim Tanzen im ROSELAND ganz sicher sein können. (21.8.) HEAT AND DUST (James Ivory, GB 1982) beruht auf Ruth Prawer Jhabvalas gleichnamigem Roman, für den sie 1975 den renommierten britischen Booker-Preis erhielt. Sie beschreibt darin die Erfahrungen einer jungen Engländerin im modernen Indien und kontrastiert diese mit der Liebesbeziehung, die die erste Frau ihres Großvaters in den 20er Jahren mit einem indischen Adligen unterhielt. Durch die Parallelmontage scheint die altindisch-kolonialistische Welt mit der des modernen Indiens auf faszinierende Weise zu verschmelzen. Auch die aus Fremdbestimmtheit, Heimatlosigkeit und Selbstfindungssehnsucht resultierenden Probleme sind den Figuren beider Welten ähnlich schmerzlich vertraut. (18. & 30.8.) Wir beenden die Reihe mit Ruth Prawer Jhabvalas herzerfrischender Version von E.M. Forsters Roman "A Room With a View", in der es Prawer Jhabvala meisterlich gelungen ist, Forsters ironische Studie der englischen Mentalität in der Begegnung mit der fremden – italienischen – Kultur und die zarte Liebesgeschichte Anfang des 20. Jahrhunderts für die Leinwand zu adaptieren. Die Handlung des Films A ROOM WITH A VIEW (James Ivory, GB 1985) setzt 1907 in einer kleinen Pension in Florenz ein, wo es wegen eines Zimmers mit Blick zunächst zu diplomatischen und später zu emotionalen Verwirrungen kommt. (27. & 31.8.) Eine Veranstaltung in Zusammenarbeit mit dem Münchner Filmmuseum. Besonderer Dank an Petra Maier-Schoen.