Zunächst zeigen wir einige Beispiele aus der Geschichte des frühen deutschen Tonfilms: die Verfilmung von Döblins Roman "Berlin Alexanderplatz" (1931) von Piel Jutzi mit Heinrich George in der Rolle des Franz Biberkopf, Leontine Sagans anti-autoritäre Studie eines Internats, MÄDCHEN IN UNIFORM (1931), Fritz Langs grossen Klassiker M (ebenfalls 1931) mit Gustaf Gründgens und Peter Lorre, ein Meisterwerk in Milieuzeichnung, Dekor, Beleuchtung und Montagetechnik, sowie Fritz Langs unheimliches TESTAMENT DES DR. MABUSE (1933), einen Film, der den Unwillen von Goebbels erregte und Lang, seinem eigenen Zeugnis zufolge, bewog, Deutschland zu verlassen. Es folgt KUHLE WAMPE (1932), ein Meilenstein der deutschen Filmgeschichte (Drehbuch Bert Brecht, Musik Hanns Eisler, mit Ernst Busch), nach Kracauer der einzige kommunistische Film der Weimarer Republik. Der Film kulminiert in der berühmten Diskussionsszene in der Berliner S-Bahn ("Ja, wer wird denn nun die Welt verändern?" fragt ein Fahrgast nach einem Streitgespräch über Fragen der Weltwirtschaft. "Die, denen sie nicht gefällt!" antwortet eine junge Frau mit schneidender Stimme). Max Ophüls entwirft in seinem stilistisch vollendeten Film LIEBELEI (1932/33) anhand einer Novelle von Schnitzler ein Bild der österreichischen k. und k.-Monarchie, das Melancholie und Tragik vermischt.
VIKTOR UND VIKTORIA (1933) von Reinhold Schünzel ist eine filmisch einfallsreiche Komödie und zugleich ein Musical um Verhaltensnormen und Geschlechterklischees; und Karl Valentins Kurzfilm-Komödien aus den 30er Jahren sind Grotesken, die Absurditäten und Paradoxien des Alltags auf die Spitze treiben. Diese Filme sind kleine Inkunabeln, sie gehören zum Besten, was der deutsche Film in dieser Zeit hervorgebracht hat. Ein zweites Kapitel in diesem Monat ist dem französischen Tonfilm der Zeit bis 1945 gewidmet. In dieser Zeit war in Frankreich die filmische Avantgarde noch sehr lebendig. Die dominierende Strömung war der Surrealismus. Diesem Stil steht Cocteaus LE SANG D'UN POETE (Das Blut eines Dichters, 1930) nahe, obwohl Cocteau von einigen Vertretern der surrealistischen Schule wegen angeblichem "Ästhetizismus" kritisiert und verurteilt wurde. Luis Buñuels UN CHIEN ANDALOU und L'AGE D'OR (Der andalusische Hund, 1928, Das Goldene Zeitalter, 1930) sind Manifest-Filme der surrealistischen Bewegung, sie zeigen eine traumhaft durcheinandergeratene Wirklichkeit, arbeiten mit Schockbildern und filmischen Assoziationen (berühmt: das durchschnittene Auge und der Flügel mit Eselskadavern); sie vermitteln gleichzeitig eine subversive Kritik an den Werten und Grundlagen der bürgerlichen Gesellschaft. L'AGE D'OR war deshalb lange von allen Leinwänden verbannt.
In den Umkreis der Avantgarde gehören auch Carl Theodor Dreyers in Frankreich entstandener traumhaft-unheimlicher VAMPYR (1932) sowie die Filme Jean Vigos: ZERO DE CONDUITE, 1933, von dem sich Truffaut für Les quatre cents coups inspirierte, und der immer wieder zitierte L'ATALANTE, 1934, ein poetischer Filmroman aus dem Milieu der Flußschiffer. Zu den großen französischen Regisseuren der 30er Jahre gehören René Clair, Marcel Carné, Jean Renoir und Jacques Feyder. Clair brillierte mit rasant geschnittenen Komödien (LE MILLION, 1932) und poetischen Studien aus dem Paris der "kleinen Leute" (SOUS LES TOITS DE PARIS, Unter den Dächern von Paris, 1930), in denen auch Musik und Gesang eine zentrale Rolle spielen. Bemerkenswert sind diese Filme wegen ihrer poetisch-realistischen Dekors (Lazare Meerson) und der originellen Typenzeichnung sowie ihrer neuartigen Bild-Ton-Montagen (wie man überhaupt Anfang der 30er Jahre in der Kinematographie verschiedener Länder einen schöpferischen Umgang mit dem neuen Medium des Tons konstatieren kann). Marcel Carné entwickelte in Zusammenarbeit mit dem Dichter und Szenaristen Jacques Prévert einen – zumeist düster gefärbten – Stil des "Poetischen Realismus", so in QUAI DES BRUMES und LE JOUR SE LEVE (Hafen im Nebel und Der Tag bricht an, 1938 und 1939, beide mit Jean Gabin). Zuvor drehte Carné aber mit DROLE DE DRAME (Ein sonderbarer Fall, 1937) eine der genialsten Satiren, die je auf die Leinwand gebracht wurden (zitatwürdig sind die Szenen mit Louis Jouvet als Bischof in schottischer Verkleidung, Michel Simon als Mimosenzüchter und Jean Louis Barrault als mordwütigem Schlachter). Der gebürtige Belgier Jacques Feyder hatte ebenfalls Anteil an der Entwicklung des "Poetischen Realismus". Seine KERMESSE HEROIQUE (1935), eine deutsch-französische Koproduktion (es gab neben der französischen auch eine deutsche Version mit anderen Schauspielern) beschreibt im Tonfall einer Farce den Widerstandskampf einer kleinen Stadt in Flandern gegen ausländische Okkupanten im Jahre 1616. Der Film ist eine Hommage an die Schule der Malerei aus Flandern (Breughel, Frans Hals, Vermeer), Lazare Meerson schuf die Dekors. Vielleicht der größte französische Filmregisseur der 30er Jahre war Jean Renoir. Wir können nicht anders, als ihm in diesem Kapitel mit fünf Filmen eine kleine Hommage darzubringen. Wir zeigen: BOUDU SAUVE DES EAUX (1932), das Drama eines Pariser Clochards; UNE PARTIE DE CAMPAGNE (1936), die Fragment gebliebene, impressionistische Verfilmung einer Novelle von Maupassant; LA MARSEILLAISE (1938), eine Auseinandersetzung mit der Französischen Revolution, mit Monarchie, Jakobinertum und Volksfront; LA VIE EST A NOUS (1936), ein Propagandafilm für die Kommunistische Partei ("der erste militante Film in Frankreich und ein unbestreitbares Kunstwerk" – Georges Sadoul); und schliesslich als Kulmination LA REGLE DU JEU (Die Spielregel, 1939), eine schneidend scharfe und subtile Gesellschaftsanalyse und großartige Regieleistung.
Um das Kapitel abzuschließen, zeigen wir André Malraux' Spanien-Film ESPOIR (Hoffnung, 1939-45), ein Werk zwischen Dokument und Fiktion, Realismus und poetischer Stilisierung, begonnen in der letzten Phase des Spanischen Bürgerkriegs, den der Film dokumentiert, aber aufgeführt erst nach Ende des 2. Weltkriegs; und Marcel Carnés großes Opus LES ENFANTS DU PARADIS (Kinder des Olymp, Frankreich 1939-45), ein Film, mit großem Aufwand in südfranzösischen Studios gedreht und lange hinausgezögert, damit das Filmteam den Krieg überstehen konnte, ein Werk, das alle Elemente des klassischen französischen Films – literarisches Drehbuch, vorzügliche Schauspieler, schwelgerische Dekors, Kostüme und Massenszenen, Pantomimen und stilisierte Dialoge, Düsterkeit, Tragik und Fatalismus – zu einer meisterlichen Synthese verschmolz und dadurch für lange Zeit als Verkörperung der französischen Filmkunst schlechthin erschien.
VIKTOR UND VIKTORIA (1933) von Reinhold Schünzel ist eine filmisch einfallsreiche Komödie und zugleich ein Musical um Verhaltensnormen und Geschlechterklischees; und Karl Valentins Kurzfilm-Komödien aus den 30er Jahren sind Grotesken, die Absurditäten und Paradoxien des Alltags auf die Spitze treiben. Diese Filme sind kleine Inkunabeln, sie gehören zum Besten, was der deutsche Film in dieser Zeit hervorgebracht hat. Ein zweites Kapitel in diesem Monat ist dem französischen Tonfilm der Zeit bis 1945 gewidmet. In dieser Zeit war in Frankreich die filmische Avantgarde noch sehr lebendig. Die dominierende Strömung war der Surrealismus. Diesem Stil steht Cocteaus LE SANG D'UN POETE (Das Blut eines Dichters, 1930) nahe, obwohl Cocteau von einigen Vertretern der surrealistischen Schule wegen angeblichem "Ästhetizismus" kritisiert und verurteilt wurde. Luis Buñuels UN CHIEN ANDALOU und L'AGE D'OR (Der andalusische Hund, 1928, Das Goldene Zeitalter, 1930) sind Manifest-Filme der surrealistischen Bewegung, sie zeigen eine traumhaft durcheinandergeratene Wirklichkeit, arbeiten mit Schockbildern und filmischen Assoziationen (berühmt: das durchschnittene Auge und der Flügel mit Eselskadavern); sie vermitteln gleichzeitig eine subversive Kritik an den Werten und Grundlagen der bürgerlichen Gesellschaft. L'AGE D'OR war deshalb lange von allen Leinwänden verbannt.
In den Umkreis der Avantgarde gehören auch Carl Theodor Dreyers in Frankreich entstandener traumhaft-unheimlicher VAMPYR (1932) sowie die Filme Jean Vigos: ZERO DE CONDUITE, 1933, von dem sich Truffaut für Les quatre cents coups inspirierte, und der immer wieder zitierte L'ATALANTE, 1934, ein poetischer Filmroman aus dem Milieu der Flußschiffer. Zu den großen französischen Regisseuren der 30er Jahre gehören René Clair, Marcel Carné, Jean Renoir und Jacques Feyder. Clair brillierte mit rasant geschnittenen Komödien (LE MILLION, 1932) und poetischen Studien aus dem Paris der "kleinen Leute" (SOUS LES TOITS DE PARIS, Unter den Dächern von Paris, 1930), in denen auch Musik und Gesang eine zentrale Rolle spielen. Bemerkenswert sind diese Filme wegen ihrer poetisch-realistischen Dekors (Lazare Meerson) und der originellen Typenzeichnung sowie ihrer neuartigen Bild-Ton-Montagen (wie man überhaupt Anfang der 30er Jahre in der Kinematographie verschiedener Länder einen schöpferischen Umgang mit dem neuen Medium des Tons konstatieren kann). Marcel Carné entwickelte in Zusammenarbeit mit dem Dichter und Szenaristen Jacques Prévert einen – zumeist düster gefärbten – Stil des "Poetischen Realismus", so in QUAI DES BRUMES und LE JOUR SE LEVE (Hafen im Nebel und Der Tag bricht an, 1938 und 1939, beide mit Jean Gabin). Zuvor drehte Carné aber mit DROLE DE DRAME (Ein sonderbarer Fall, 1937) eine der genialsten Satiren, die je auf die Leinwand gebracht wurden (zitatwürdig sind die Szenen mit Louis Jouvet als Bischof in schottischer Verkleidung, Michel Simon als Mimosenzüchter und Jean Louis Barrault als mordwütigem Schlachter). Der gebürtige Belgier Jacques Feyder hatte ebenfalls Anteil an der Entwicklung des "Poetischen Realismus". Seine KERMESSE HEROIQUE (1935), eine deutsch-französische Koproduktion (es gab neben der französischen auch eine deutsche Version mit anderen Schauspielern) beschreibt im Tonfall einer Farce den Widerstandskampf einer kleinen Stadt in Flandern gegen ausländische Okkupanten im Jahre 1616. Der Film ist eine Hommage an die Schule der Malerei aus Flandern (Breughel, Frans Hals, Vermeer), Lazare Meerson schuf die Dekors. Vielleicht der größte französische Filmregisseur der 30er Jahre war Jean Renoir. Wir können nicht anders, als ihm in diesem Kapitel mit fünf Filmen eine kleine Hommage darzubringen. Wir zeigen: BOUDU SAUVE DES EAUX (1932), das Drama eines Pariser Clochards; UNE PARTIE DE CAMPAGNE (1936), die Fragment gebliebene, impressionistische Verfilmung einer Novelle von Maupassant; LA MARSEILLAISE (1938), eine Auseinandersetzung mit der Französischen Revolution, mit Monarchie, Jakobinertum und Volksfront; LA VIE EST A NOUS (1936), ein Propagandafilm für die Kommunistische Partei ("der erste militante Film in Frankreich und ein unbestreitbares Kunstwerk" – Georges Sadoul); und schliesslich als Kulmination LA REGLE DU JEU (Die Spielregel, 1939), eine schneidend scharfe und subtile Gesellschaftsanalyse und großartige Regieleistung.
Um das Kapitel abzuschließen, zeigen wir André Malraux' Spanien-Film ESPOIR (Hoffnung, 1939-45), ein Werk zwischen Dokument und Fiktion, Realismus und poetischer Stilisierung, begonnen in der letzten Phase des Spanischen Bürgerkriegs, den der Film dokumentiert, aber aufgeführt erst nach Ende des 2. Weltkriegs; und Marcel Carnés großes Opus LES ENFANTS DU PARADIS (Kinder des Olymp, Frankreich 1939-45), ein Film, mit großem Aufwand in südfranzösischen Studios gedreht und lange hinausgezögert, damit das Filmteam den Krieg überstehen konnte, ein Werk, das alle Elemente des klassischen französischen Films – literarisches Drehbuch, vorzügliche Schauspieler, schwelgerische Dekors, Kostüme und Massenszenen, Pantomimen und stilisierte Dialoge, Düsterkeit, Tragik und Fatalismus – zu einer meisterlichen Synthese verschmolz und dadurch für lange Zeit als Verkörperung der französischen Filmkunst schlechthin erschien.