Zu Gast: Evgenij Kondratev
In der letzten Phase der Sowjetära arbeiteten zahlreiche Regisseure und Filmemacher parallel zum offiziellen Kulturbetrieb. Bereits in den frühen 80er Jahren, in der politischen Stagnationsperiode, formierten sich aus der bunten Masse der punkigen Subkultur mehrere Zentren eigenständiger Filmproduktion, die mit dem Sammelbegriff "Paralleles Kino" bezeichnet wurden. Die Spannweite der Auseinandersetzung mit dem Medium Film reichte hier von der Anerkennung einer besonderen totalitären Ästhetik, über den sich mit dem Stillstand des offiziellen Filmbetriebs befassenden Nekrorealismus bis hin zu den konzeptualistischen Experimenten im Medium Film. Evgenij Kondratev ist einer der schillerndsten Vertreter des Parallelen Kinos. Er wurde am 7. März 1959 in Rybinsk (Gebiet Jaroslavl) geboren. Mit 20 Jahren findet er Eingang in die Leningrader Undergroundszene und befasst sich zunächst mit Fotografie. Bereits zwei Jahre später filmt er mit einer 16mm-Kamera seinen ersten Film PROVINCIALNAJA ZIZN (Provinzleben).
Die für seine Filmsprache typische Hinwendung zum Archaischen drückt sich im Tanz und in Verfolgungsjagden in der Manier des frühen Kinos aus. Zudem bearbeitet er die Filmoberfläche per Hand und überzieht das Kinobild mit einem Netz aus Gekratztem und Bemaltem. Seit 1995 lebt und arbeitet Evgenij Kondratev in Deutschland. In Anwesenheit des Regisseurs zeigen wir NANAJNANA (1985), TRUD I GOLOD (Arbeit und Hunger, 1985), GREZY (Wunschträume, 1988), ZDRAVSTVUJ NOVYJ GOD! (Guten Tag, Neues Jahr!, 1998), ETO BYLO U REKI (Es geschah am Fluss, 1991), STORONIKI OLFA (Olfs Anhänger, 1987), KAPLI OSTAJUTSJA NA DEREVJACH (Die Tropfen bleiben auf den Bäumen, 1990) (Andreas Fertig) (19.4.)