In Anwesenheit des Filmemachers Gerd Kroske zeigen wir als Berliner Premiere KEHRAUS, WIEDER (D 2006), den Abschluss seiner Leipzig-Trilogie, sowie in Ergänzung die beiden früheren Teile dieser Langzeitbeobachtung: KEHRAUS (D 1990) und KEHREIN, KEHRAUS (D 1996). Zusammen erzählen die drei Filme eine Geschichte von wachsender Verarmung, von zunehmend prekären Lebens- und Arbeitsverhältnissen – aber auch, mit welchen Anstrengungen, welcher Würde sich die Protagonisten gegen Verwahrlosung und Vereinsamung stemmen.
KEHRAUS entstand in den Wendezeiten vom Herbst 1989 bis in den März 1990. Eine Nacht lang begleitete Kroske die während der ersten freien Volkskammerwahlen im März 1990 vielbeschäftigten Straßenkehrer Leipzigs. Was nach der DDR kommen sollte, war damals noch nicht greifbar. Mit der Frage, was aus ihren Hoffnungen und Ängsten wurde, hat Kroske drei der damaligen Protagonisten in KEHREIN, KEHRAUS (D 1996/97) noch einmal aufgesucht. Gabi, Stefan und Henry leben nach wie vor in Leipzig, aber ihr Leben hat sich – ebenso wie die Stadt selbst – inzwischen verändert. Der ehemalige Stützpunkt der Stadtreinigung existiert nur noch als Ruine. In der Stadt hallen die Geräusche von Presslufthämmern. "Leipzig kommt" verspricht die Werbung. Gabi, Henry und Stefan fegen nicht mehr in den Straßen. Ihr Alltag ist jetzt sehr fragil, sie pendeln zwischen Wohnung, Sozialamt, Gelegenheitsjob und Kneipe.
Weitere zehn Jahre sind bis zu KEHRAUS, WIEDER (D 2006) vergangen. Zwei der Protagonisten sind mittlerweile verstorben, die Umstände ihres Todes rekonstruiert der Film anhand von behördlichen Akten, Sozialamtsunterlagen, Obduktionsberichten und Armengräbern. Die Arbeitslosigkeit ist zum Dauerzustand geworden, die Perspektivlosigkeit unerfüllter Hoffnungen wird anhand von Fragen zum Damals wie zum Heute sehr deutlich. Der soziale Zusammenhalt, ob von Freunden oder Familien, ist brüchig, viele Kontakte abgebrochen. Man schlägt sich durch und versucht, den Widrigkeiten des Alltags zu trotzen. Mit nüchternem und gleichzeitig empathischem Blick erzählt KEHRAUS, WIEDER (D 2006) von diesen Leben, zeigt Sozialstaatsbürokratie, Elend, Tapferkeit, Lebensmut und ein großes Ausmaß an Desillusionierung. (10.4.)