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Film und Kunst rangeln nicht mehr um Zuständigkeitsbereiche, sondern erleben etwas Neues zwischen den Genres, an unbestimmten Orten, etwas, das Festgeschriebenes in Bewegung setzt. Die scheinbar grenzenlose Vielfalt der Mittel verleiht der Subjektivität dabei eine besondere Dringlichkeit. Die ausgestellten Arbeiten in diesem Jahr zeichnen sich durch Reduktion in Form und Inhalt aus, sie konzentrieren sich, wie die Installation MIRAGE („CLUB SILENCIO“) von Franziska Cordes, auf ihre Atmung, oder, wie die Arbeit SPAZIERGANG AM RAND DER DEMOKRATIE von Jörg Hommer, auf das unmittelbare Erfassen politischer Realität. Natascha Sadr Haghighian fragt in ihren Beiträgen nach der Rolle des Affektiven bei der Bildung eines politischen Bewusstseins und nach Möglichkeiten der Wissensproduktion durch den Körper. Ideen werden, wie in der Arbeit von Jeanne Faust und Jörn Zehes im Gebüsch zugeflüstert, bei Keren Cytter und Deborah Schamoni/Judith Hopf wird laut gedacht. Die Tanzenden bei Agneszia Brzezanska sind nur als Schattenriss erkennbar, dafür wird jedoch die ganze Kraft des begehrenden und berührenden Körpers eingesetzt. Bei Sabine Marte und Jeremy Shaw verschwimmt die Grenze zwischen Tanz und Kampf. Stephen Dwoskin nutzt die Intimität der Handykamera, um in sechs Minuten die Transformation vom Blick zur Körpererfahrung nachzuvollziehen. Jenes Ich ist ein historisches, und es erinnert sich: Ken Jacobs bringt die Geschichte des Stummfilms auf das Moment des Körperausdrucks zurück, Tomonari Nishikawa reduziert das Kino auf die Filmprojektion, die Gebäude konstruiert. Im Rahmen der Reihe "Cinema Talks" spricht Marie Losier darüber, wie sie sich fast symbiotisch Protagonisten des Undergrounds wie Mike & George Kuchar und Tony Conrad (aber auch Guy Maddin, der im Forum vertreten ist) zuwendet und dabei Geschichte in ihre Welt hinein holt. Graham Weinbren präsentiert in seiner interaktiven Arbeit 25 LETTERS nicht nur einen seiner eigenen strukturellen Filme aus dem Jahre 1970 (BERTHAS CHILDREN), sondern verweist auch auf den Klassiker des Genres, ZORN'S LEMMA von Hollis Frampton. Ein weiterer Cinema Talk findet in der Botschaft von Kanada statt, die wieder zu unseren Veranstaltungsorten zählt: Kent Monkman und Gisèle Gordon stellen dort THE CHIEF EAGLE TESTICKLE TRILOGY vor, in der First-Nation-Geschichte mit der des Cowboy- und Indianerfilms und Drag-Performance verbunden werden. Wie kanadische, naturverbundene und sexuelle Identität durch Projektion erzeugt werden, zeigt die Performance-Ausstellung WILDFLOWERS OF MANITOBA von Luis Jacob und Noam Gonnick in der Wilde Gallery, die in ihrer 70er Jahre-Ästhetik Jugendfantasien einer Generation hervorruft. Heinz Emigholz, dessen neuer Film LOOS ORNAMENTAL im Forum zu sehen ist, reflektiert seine eigene Lebens- und Werkgeschichte inmitten seiner Ausstellung "Die Basis des Make-Up" im Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart, wo er mit Hubert Bächler, Oliver Broumis und Susanne Sachße in den Projektionsstrahl hinein Tage- und Notizbucheinträge vorträgt. Forum expanded geht aus dem Kino heraus und wieder hinein: YEARS WHEN I WAS A CHILD OUTSIDE (FAMILY MULTI-CHANNEL) ist eine Dreifachprojektion mit Live-Musik des philippinischen Regisseurs John Torres. Das Kurzfilmprogramm GRANDMA THREADING HER NEEDLE ist nach dem wohl ersten Drag-Film der Geschichte benannt. Vor aller Augen zieht Grandma einen historischen roten Faden durch ein zeitgenössisches Programm mit Filmen von Künstlern, Filmemachern, Musikern, Kuratoren und Lehrenden, darunter Scott M. Berry, Marie Losier, Karl Kels, Maria Thereza Alves, Tim Blue, Florian Zeyfang, Monika Kijas und Vanessa Aab. Das Programm LOCATIONS & SPECULATIONS zeigt, wie Räume und Landschaften spekulativ in die Welt gebaut werden und Geschichte schreiben. Es enthält Arbeiten von Olaf Nicolai, Isabelle Prim, Bady Minck, Ute Aurand und Johann Lurf. ONE HAND ON OPEN von Stefan Pente und William Wheeler ist ein Theoriefilm in Drag. In CRIME AGAINST ART setzt die Kuratorin/Filmemacherin Hila Peleg die verbrecherische Kunstszene einer Gerichtsverhandlung aus. Filmemacher, Künstler und Kuratoren erinnern sich an die Geschichte ihres Gegenstands und ihrer selbst. 2007 zeigte Jerry Tartaglia im Rahmen des von Marc Siegel kuratierten Programms "Underground/Übersee" bislang unbekannte Super-8-Juwelen von Jack Smith. In diesem Jahr gibt es weitere Ausgrabungen: SINDBAD OF BAGDAD und JACK SMITH PERFORMANCES 1975–1985. Forum expanded wirkt ins Innere des Forums hinein: Michel Auder hat mit THE FEATURE ein dreistündiges Lebenswerk geschaffen, das im Forum präsentiert wird und weitere Erinnerungen an "Underground/Übersee" weckt. Zu sehen sind neben Viva Shirley Clarke, Jonas Mekas, Philippe Garrel, Brigid Berlin, Andy Warhol, Jackie Reynal und andere. Die Geschichte des Experimental- und Undergroundfilms ist in der Regel eine westliche. Im Rahmen der Cinema Talks zeigen wir philippinische Filme aus den Jahren 1988/89, die vor fast 20 Jahren, vermittelt durch Christoph Janetzko, im Forum zu sehen waren und noch heute Teil der Sammlung von arsenal experimental sind. John Torres und Khavn, dessen stumme Sexualfantasie mit Pferden ebenfalls mit Live-Musik im Forum zu sehen ist, kommentieren das Programm im Gespräch über Filmcoop-Bewegungen auf den Philippinen. Schließlich wird Shai Heredia, die in Bombay das Festival Experimenta ins Leben gerufen hat, einen Einblick in Geschichte und Gegenwart des hierzulande unbekannten, aber nicht weniger reichhaltigen Experimental- und Undergroundkinos in Indien geben. Im Foyer steht eine überdimensionale Uhr von Jörn Hintzer, Jakob Hüfner und Mark Formanek. Ihr Uhrwerk besteht aus Menschen, die kollektiv arbeiten. Die Zeit läuft und legt eine STANDARD TIME für alle fest, während Stefanie Schneider mit 29 PALMS ein auf zwei Jahre angelegtes interaktives Filmprojekt präsentiert, in dem jeder seine eigene Rolle schreibt.
Erinnerungen ans Kino als verändernde Kraft werden herausgelöst, um in anderer Form – subversiv, progressiv, in jedem Fall nachhaltig eingreifend – wieder zusammengesetzt oder erneuert zu werden. Performances und Diskussionen, aber auch Klatsch und Tratsch gehören dazu: Aus diesem Grund ist der kommunikativste Bestandteil von Forum expanded auch 2008 wieder das CHEAP Gossip Studio mit Cocktailbar, konzipiert und betrieben von der Künstlergruppe CHEAP mit Susanne Sachße, Marc Siegel, Daniel Hendrickson, Tim & John Blue und Special Guest Vaginal Davis. Am Tresen werden Gedanken über die Künste und ihre Künstler, Filme und ihre Filmemacher, Geschichte und Brandaktuelles aufgeschnappt, gehuldigt, verworfen, produziert, zerlegt und neu verwertet. Am Ende des Festivals geht daraus ein veränderter Besucher hervor, mit expandierten Plänen und projizierten Fantasien.

Gefördert durch:

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Arsenal on Location wird gefördert vom Hauptstadtkulturfonds