Der zehn Jahre nach der Oktoberrevolution anlässlich dieses Jubiläums entstandene Film Sergej Eisensteins OKTJABR (Oktober, UdSSR 1927) ist gewissermaßen ein Reenactment eines Reenactments. Da von der Erstürmung des Winterpalastes in St. Petersburg im Oktober 1917, einem der zentralen Ereignisse der Oktoberrevolution, keinerlei fotografisches Material existiert, wurde es drei Jahre später als größtes Massenspektakel aller Zeiten mit zahlreichen Statisten nachgespielt. Dabei wurde weniger Wert auf eine geschichtstreue Rekonstruktion denn auf eine spektakuläre Inszenierung gelegt, die den teilnehmenden Massen erst eine Vorstellung von sich selbst als revolutionärem Subjekt gab. Die Vergangenheit wurde gemäß den Bedürfnissen der Gegenwart neu geschaffen. Auf diesen Bildern dann basiert Eisensteins OKTJABR, für den ihm großzügige finanzielle Mittel, tausende Statisten, das Winterpalais in St. Petersburg und der Panzerkreuzer Aurora zur Verfügung gestellt wurden. (2.1., mit einer Einführung von Gabriele Horn und Klavierbegleitung von Eunice Martins & 12.1., Magical History Tour) S 21 – LA MACHINE DE MORT KHMÈRE ROUGE (S 21 – The Khmer Rouge Killing Machine, Rithy Panh, Kambodscha/F 2002) konfrontiert Henker und Opfer der Roten Khmer miteinander. Dem Terrorregime der Roten Khmer in Kambodscha von 1975 bis 1979 fielen an die zwei Millionen Menschen zum Opfer. Erst in jüngster Zeit wurde mit der Aufarbeitung dieser schmerzlichen Vergangenheit begonnen und die Täter zur Verantwortung gezogen. Ein besonders grausames Folter- und Vernichtungslager war das S 21. Mit ehemaligen Wärtern kehrt Rithy Panh an diesen Ort zurück und lässt sie die Gesten und Bewegungen nachstellen, die früher zu ihrer täglichen Arbeit gehörten. "In meiner Gedächtnisarbeit hat die Geste einen zentralen Platz. Die prägende Szene, in welcher der Henker die Gesten vornimmt, die er damals gegenüber den Häftlingen ausgeführt hatte, ist in dieser Hinsicht emblematisch. Kritiker haben behauptet, er spiele diese nach, doch es geht nicht um eine Inszenierung: Es sind einfach Gesten, die auf unerklärliche Art mechanisch wiederkommen." (Rithy Panh) (6. & 11.1.) In LA COMMUNE (Peter Watkins, F 1999) stellten die über 200 Mitwirkenden, die meisten von ihnen Laien, die Ereignisse der Pariser Kommune 1871 von nach, die nach etwas über zwei Monaten von Regierungstruppen gestürmt wurde und mit 30.000 Toten blutig endete. Den Dreharbeiten gingen gemeinsame Recherchen voraus, in denen sich die Darsteller ihre Figuren und deren Engagement erarbeiteten. Die politischen und sozialen Debatten, die von den Darstellern geführt werden, bewegen uns heute indes ebenso sehr wie damals die Kommunarden: Fragen nach Arbeitslosigkeit, Rassismus und Gleichberechtigung. Integriert in die Handlung sind zwei Fernsehteams, die die Geschehnisse begleiten: das staatliche Fernsehen und das Kommunardenfernsehen. "Lassen sich die Prinzipien der Kollektivität und Selbstorganisation, aber auch die Widersprüchlichkeiten der Kommune angemessen repräsentieren? Aus dieser Frage nach angemessener Repräsentation hat sich ein Film entwickelt, der den tradierten Rahmen von Produktion und Rezeption auf drei Ebenen verlässt: auf der Ebene der Form, auf der Ebene des Produktionsprozesses und auf der Ebene der Distribution und Präsentation." (Michaela Pöschl) (6.1.) DAS HIMMLER-PROJEKT (Romuald Karmakar, D 2000) zeigt den Schauspieler Manfred Zapatka beim Rezitieren einer dreistündigen Rede, die Heinrich Himmler 1943 vor SS-Generälen hielt und mit der er den bisherigen Kriegsverlauf schildert sowie bereits begangene Verbrechen rechtfertigt. "Karmakar hat eine Rede für uns 'ausgegraben', deren ungeheuerliche Rhetorik er uns über drei Stunden lang Wort für Wort zu folgen zwingt. Es geht um jene Rede, die der Reichsführer SS, Heinrich Himmler, 1943 auf einem konspirativen Treffen in Posen in Gegenwart von 92 SS-Generälen hielt. Im Vorspann werden einige Hintergründe dieses Treffens erläutert, dann erscheint der Schauspieler Manfred Zapatka auf der 'Bühne' und wird diese bis zum Schluss des Filmes nicht mehr verlassen, da er die gesamte Rede Himmlers rezitiert. Zapatka befindet sich in einem Fernsehstudio, liest von einem Rednerpult aus, er trägt Alltagskleidung von heute." (Iris Dressler) (9. & 12.1.) Jill Godmilows Film WHAT FAROCKI TAUGHT (USA 1999) ist eine detailgetreue Wiederholung von Harun Farockis Film NICHT LÖSCHBARES FEUER (1968/69), einem wichtigen Agitprop-Film der Vietnam-Bewegung über Napalm-Produktion, Arbeitsteilung und fremdbestimmtes Bewusstsein. Jill Godmilow: "WHAT FAROCKI TAUGHT ist eine Wiederholung – kein Remake, keine Hommage, kein Updating – von Harun Farockis NICHT LÖSCHBARES FEUER aus dem Jahr 1969. Gertrude Stein sagte einmal, Lasst mich wiederholen, was die Geschichte lehrt: die Geschichte lehrt. NICHT LÖSCHBARES FEUER war es wert, noch einmal gemacht zu werden, einfach aus dem Grund, weil das, was Farocki 1969 vermittelt hat, immer noch nicht wirklich verstanden wurde." Wir zeigen die Filme zusammen mit Harun Farockis ARBEITER VERLASSEN DIE FABRIK, in dem er die Filmgeschichte nach dem emblematischen ersten Filmbild durchsucht: Arbeiter, die eine Fabrik verlassen. (4.1.) INTERVISTA – FINDING THE WORDS (Anri Sala, 1998) geht von einem 20 Jahre alten 16mm-Film aus, den der Künstler bei einem Umzug im Haus seiner Eltern findet. Darauf findet sich die Mutter Salas als Führerin der kommunistischen Jugendorganisation Albaniens, die eine Rede hält. Da die Tonspur fehlt, beginnt Anri Sala danach zu suchen: er befragt seine Mutter, die sich nicht erinnern kann oder will, sucht Personen aus ihrem Umfeld auf und rekonstruiert die Rede schließlich mit Hilfe eines Lippenlesers. Dora Garcías ZIMMER, GESPRÄCHE (2006) rekonstruiert die fiktive Begegnung zwischen einem Stasi-Offizier und einem IM in einer konspirativen Wohnung. Die Worte DDR oder Stasi werden nie genannt. Vielmehr treten Themen wie Angst, Kontrolle, Abhängigkeit, Absurdität und Macht in den Vordergrund der Betrachtung. In ACTING FACTS (2003, aus der Sammlung des Video-Forums, Neuer Berliner Kunstverein) der beiden Schweizer Künstler Frédéric Moser und Philippe Schwinger wird das Massaker von My Lai, das US-Soldaten während des Vietnam-Krieges verübten, von einem Schauspieler in einer neutralen Umgebung inszeniert. (5. & 7.1.) In der Black Box zeigen wir vom 2. bis zum 12. Januar zwei weitere kurze Arbeiten: A DAY TO REMEMBER des chinesischen Künstlers Liu Wei, der am 4. Juni 2005 am Tiananmen-Platz und vor der Universität Menschen zu diesem Datum befragte – dem 16. Jahrestags des Massakers. In den ausweichenden Antworten und manchmal auch der totalen Ahnungslosigkeit wird die Wirksamkeit der staatlichen Propaganda sichtbar, die das Ereignis seit 16 Jahren totschweigt. Lenka Claytons QAEDA QUALITY QUESTION QUICKLY QUICKLY QUIET (2003) fügt alle 4100 Wörter der Video-Aufzeichnung von George W. Bushs berühmter "Achse des Bösen"-Rede minutiös neu zusammen: alphabetisch geordnet. Die von Inke Arns und Gabriele Horn kuratierte Ausstellung „History Will Repeat Itself“ ist bis zum 13.1. in den www.kw-berlin.de - external-link-new-window "Opens external link in new window">Kunst-Werken zu sehen. In Zusammenarbeit mit und Dank an Inke Arns.