Im September ist in der Magical History Tour das Kapitel USA 1945–1970 an der Reihe. In diesem Abschnitt präsentieren wir eine Reihe berühmter Klassiker von Fred Zinneman, John Ford, Howard Hawks, Billy Wilder, Fritz Lang, Nicholas Ray, Billy Wilder, Alfred Hitchcock, John Cassavetes, Arthur Penn, Francis Ford Coppola und Dennis Hopper – Filme, die man unbedingt gesehen haben sollte bzw. zu denen man das Urteil überprüfen sollte. Ein großes Panorama der verschiedensten Genres, Stile und Handschriften entfaltet sich. Nicht zu vergessen sind die großen Schauspielerpersönlichkeiten aus dieser Epoche des US-Kinos wie Humphrey Bogart, John Wayne, Gary Cooper, Peter Fonda, James Dean, Grace Kelly, Lauren Bacall, Gloria Swanson und Joan Crawford. Viele von ihnen verkörpern mythische Persönlichkeiten, gesellschaftliche Leitbilder, die bis heute lebendig sind. Jeder der Filme, die wir in diesem Monat zeigen, hat auf seine Weise Geschichte geschrieben. Neben den großen Meilensteinen der Filmgeschichte zeigen wir aber auch einen Film der Marx Brothers, (A NIGHT IN CASABLANCA) (1956), und den skurrilen frühen Science-Fiction-Film THE INCREDIBLE SHRINKING MAN von Jack Arnold (1957), der die menschlichen Größenverhältnisse auf den Kopf stellt.
Besonders hinweisen möchten wir auf den Klassiker SALT OF THE EARTH (1953) von Herbert Biberman. Der Regisseur gehörte zu den "Hollywood Ten", er verweigerte die Aussage vor dem McCarthy-Ausschuss und ging dafür ins Gefängnis. SALT OF THE EARTH ist die halbdokumentarisch gefilmte Chronik eines Streiks mexikanischer Grubenarbeiter in den USA. Der Film erlangte als Dokument der amerikanischen Linken weltweite Berühmtheit. Desweiteren zeigen wir im US-Kapitel dieses Monats auch eine Reihe von Experimentalfilmen, so das Werk von Maya Deren aus den vierziger und fünfziger Jahren.
Wegweisende Filme nach 1970
Eigentlich wollten wir am Ende des Duchlaufs nur einige wenige besonders herausragende Filme der Zeit nach 1970 einsetzen – einer Epoche, die wir sonst in der Magical History Tour kaum je errreichen, und gleichwohl gibt es hier zahlreiche Filme fundamentaler Wichtigkeit und Neuartigkeit, viele von ihnen haben wir im Programm des Internatonalen Forums des Jungen Films ab 1971 gezeigt. Nachdem sich in der Liste solcher Filme immer mehr Titel ansammelten, lag es schließlich nahe, aus diesen Filmen der 70er bis 90er Jahre ein eigenes Monatsprogramm zu komponieren, das wir hiermit vorlegen. Wir meinen, dass jeder der hier versammelten Titel auf seine Weise neuartig, bahnbrechend oder wegweisend ist. Sie sind allesamt Klassiker oder Wegbereiter des modernen Kinos.
Wir beginnen mit dem Schlüsselfilm des griechischen Regisseurs Theo Angelopouls, DIE WANDERSCHAUSPIELER (1975), gleich daneben steht Manoel de Oliveiras AMOR DE PERDIÇAO (Portugal 1979) – beide Filme veränderten die Landschaft des europäischen Kinos. Dann kommen die Filme, die das Kino in den Ländern Osteuropas veränderten. Dazu gehört der übermütige W.R. (1971) von Dusan Makavajev, der als erster den Stalin-Kult bloßstellte. Drei Filme aus Ungarn rückten neue oder bislang tabuierte Realitäten ins Blickfeld: Istvan Szabos APA (Der Vater, 1966), Miklos Jancsos DIE HOFFNUNGSLOSEN (1968), und, etwas später, Marta Meszaros' ADOPTION (1974).
Genial und subversiv ist der bulgarische Beitrag DIE ZÄHLUNG DER WILDEN HASEN von Eduard Sachariev (1973), aus einer späteren Distanz, aber gleichwohl aus großer Nähe schildert der Rumäne Lucian Pintilie in DIE EICHE (1992) die Rebellion eines Einzelnen. Eine Zusammenfassung aller dieser gegenläufigen Tendenzen im noch bestehenden politischen Regime des Ostblocks liefert Jürgen Böttchers JAHRGANG 45 (1965/89), der schönste und brillanteste aus den "Verbotsfilmen" der DDR, die 1965 ihren besten Jahrgang hatten. Und natürlich muss an dieser Stelle auch der visionäre SAJAT NOVA von Sergej Paradshanow (1969) gezeigt werden sowie gleichfalls DIE EINSAME STIMME DES MENSCHEN von Alexander Sokurow (1978/87) – diese Filme waren zur Zeit ihrer Entstehung Rufer in der Wüste.
Aus Westeuropa haben wir als wegweisende Filme, im stilistischen wie thematischen Sinne, einen Beitrag Aki Kaurismäkis herausgesucht (DAS MÄDCHEN AUS DER STREICHHOLZFABRIK, 1989, vielleicht sein schönster Film), ferner einen Film der Belgierin Chantal Akerman, JEANNE DIELMAN, 23 QUAI DU COMMERCE (1973), mit der unvergleichlichen Delphine Seyrig, ein Film formaler Schärfe und hoher Verdichtung, und schließlich den von uns besonders geliebten, aber selten gezeigten, ebenso monumentalen wie bizarren THE FALLS (1980) von Peter Greenaway, die Geschichte eines mysteriösen "unbekannten Ereignisses", gespiegelt in den Erzählungen zahlreicher Augenzeugen, deren Namen sämtlich mit "FALL" beginnen. Alle drei Filme liefen im Forum der Berlinale, wer sie einmal gesehen hat, wird sie nicht vergessen.
Schließlich kommt noch ein Kapitel mit afrikanischen Filmen: Wir zeigen zunächst die Filme zweier großer kürzlich verstorbener Regisseure, Ousmane Sembènes CEDDO (1977) und Youssef Chahines AL MOHAGER (Der Emigrant, 1994). Sie eröffneten für uns einen neuen Blick auf die Geschichte dieser Länder, sie polemisierten mutig gegen Fundamentalismus und Intoleranz. Das gleiche gilt auch für SÜRÜ (Die Herde, 1978) von Yilmaz Güney, dem Bahnbrecher des türkischen Kinos.
Am Ende des Monatsprogramms stehen für uns beispielhaft wegweisende Filme aus Asien. Da sind zunächst zwei Filme aus Japan, GISHIKI (Die Zeremonie, 1971) von Nagisa Oshima, und LEBEWOHL, ARCHE von Shuji Terayama (1984, die Verfilmung des Romans von Gabriel Garcia Marques), zwei Filme, die neue Horizonte, neue Perspektiven des japanischen Kinos eröffneten, Beispiele für ungewohnte, aber kristallklare filmische Erzählweisen.
Darauf folgen zwei Filme aus China: DER BLAUE DRACHEN von Tian Zhuangzhuang (1993), eine Abrechnung mit der Kulturrevolution, und XIAO WU (1997) von Jia Zhang-ke, der brillante, ausdrucksstarke Erstlingsfilm eines Regisseurs der jungen Generation, der zunächst in der Illegalität arbeitete, jetzt aber zu den international bekanntesten Regisseuren gehört. Das taiwanesische Kino, das durch eine Bewegung der "Neuen Welle" in den 70er Jahren faszinierte und dem asiatischen Kino eine neue Orientierung gab, ist mit einem Film von Hou Hsiao-hsien vertreten, STADT DER TRAUER (1989), sowie einem Werk von Edward Yang, A BRIGHTER SUMMER DAY (1991). Als Abschluss zeigen wir den funkelnden, hochstilisierten und zugleich durch und durch chinesischen Film FALLEN ANGELS (1995) von Wong Kar-wai (mehrfacher Gast des Forums). Mit diesen chinesischen Filmen unterschiedlicher Herkunft (China, Taiwan, Hongkong) begann ein neues Kapitel der Welt-Kinematografie.