Ein zweites Kapitel ist dem französischen Tonfilm der Zeit bis 1945 gewidmet. In dieser Zeit war in Frankreich die filmische Avantgarde noch sehr lebendig. Die dominierende Strömung war der Surrealismus. Diesem Stil steht Cocteaus LE SANG D'UN POETE (Das Blut eines Dichters, 1930) nahe, obwohl Cocteau von einigen Vertretern der surrealistischen Schule wegen seines angeblichen "Ästhetizismus" verurteilt wurde. Luis Buñuels UN CHIEN ANDALOU und L'AGE D'OR (Der andalusische Hund, 1928, Das Goldene Zeitalter, 1930) sind Manifest-Filme der surrealistischen Bewegung, sie zeigen eine traumhaft durcheinandergeratene Wirklichkeit, arbeiten mit Schockbildern und filmischen Assoziationen (berühmt: das durchschnittene Auge und der Flügel mit Eselskadavern in CHIEN ANDALOU); sie vermitteln gleichzeitig eine subversive Kritik an den Werten der bürgerlichen Gesellschaft. L'AGE D'OR war deshalb lange Zeit von allen Leinwänden verbannt. In den Umkreis der Avantgarde gehören auch Carl Theodor Dreyers in Frankreich entstandener traumhaft-unheimlicher Vampyr (1932) sowie die Filme Jean Vigos: ZERO DE CONDUITE, 1933, von dem sich Truffaut für Les quatre cents coups inspirierte, und der immer wieder zitierte L'ATALANTE (1934), ein poetischer Filmroman aus dem Milieu der Flussschiffer.
Zu den großen französischen Regisseuren der 30er Jahre gehören René Clair, Marcel Carné und Jean Renoir. Clair brillierte mit rasant geschnittenen Komödien (LE MILLION, 1932) und poetischen Studien aus dem Paris der "kleinen Leute" (SOUS LES TOITS DE PARIS, 1930), in denen auch Musik und Gesang, eingebaut nach den Prizipien des audiovisuellen Kontrapunkts, eine zentrale Rolle spielen. Bemerkenswert sind diese Filme wegen ihrer Dekors (Lazare Meerson) und der originellen Typenzeichnung sowie ihrer neuartigen Bild-Ton-Montagen. Marcel Carné entwickelte in Zusammenarbeit mit dem Dichter und Szenaristen Jacques Prévert einen – zumeist düster gefärbten – Stil des "Poetischen Realismus", so in LE JOUR SE LEVE (Der Tag bricht an, 1939, mit Jean Gabin). Zuvor drehte Carné mit DROLE DE DRAME (Ein sonderbarer Fall, 1937) eine der genialsten Satiren, die je auf die Leinwand gebracht wurden (zitatwürdig sind die Szenen mit Louis Jouvet als Bischof in schottischer Verkleidung, Michel Simon als Mimosenzüchter und Jean-Louis Barrault als mordwütigem Schlachter). Die Pointen der Carnéschen Filmdialoge stammen von Jacques Prévert, die stilgebenden Dekors von Alexander Trauner.
Vielleicht der größte französische Filmregisseur der 30er Jahre war Jean Renoir. Wir zeigen: BOUDU SAUVE DES EAUX (1932), das Drama eines Pariser Clochards mit Michel Simon; PARTIE DE CAMPAGNE (1936), die Fragment gebliebene, impressionistische Verfilmung einer Novelle von Maupassant; LES BAS FONDS, eine Verfilmung von Gorkis "Nachtasyl" mit Louis Jouvet und Jean Gabin und schließlich als Kulmination LA REGLE DU JEU (Die Spielregel, 1939), eine schneidend scharfe und subtile Gesellschaftsanalyse und großartige Regieleistung. Zusammen mit PARTIE DE CAMPAGNE zeigen wir Luis Buñuels in Spanien gedrehten Dokumentarfilm LAS HURDES (auch: TERRE SANS PAIN, 1932). Ein bedeutender französischer Regisseur der 30er und 40er Jahre ist Jean Gremillon, wir zeigen sein Frühwerk L'ÉTRANGE MONSIEUR VICTOR (1937), einen atmosphärisch dichten Kriminalfilm. Um das Kapitel abzuschließen, zeigen wir André Malraux' Spanien-Film ESPOIR (Hoffnung, 1939–45), ein Werk zwischen Dokument und Fiktion, Realismus und poetischer Stilisierung, begonnen in der letzten Phase des Spanischen Bürgerkriegs, den der Film dokumentiert, aber aufgeführt erst nach Ende des Zweiten Weltkriegs; und Marcel Carnés großes Opus LES ENFANTS DU PARADIS (Kinder des Olymp, 1939–45), ein Film, mit großem Aufwand in südfranzösischen Studios gedreht und lange hinausgezögert, damit das Filmteam den Krieg überstehen konnte, ein Werk, das alle Elemente des klassischen französischen Films – literarisches Drehbuch (Jacques Prévert), vorzügliche Schauspieler (Arletty, Jean-Louis Barrault, Maria Casarès), schwelgerische Dekors (Alexander Trauner), Kostüme und Massenszenen, Pantomimen und stilisierte Dialoge, Düsterkeit, Tragik und Fatalismus – zu einer meisterlichen Synthese verschmolz und dadurch für lange Zeit als Verkörperung der französischen Filmkunst schlechthin erschien.
Zu den großen französischen Regisseuren der 30er Jahre gehören René Clair, Marcel Carné und Jean Renoir. Clair brillierte mit rasant geschnittenen Komödien (LE MILLION, 1932) und poetischen Studien aus dem Paris der "kleinen Leute" (SOUS LES TOITS DE PARIS, 1930), in denen auch Musik und Gesang, eingebaut nach den Prizipien des audiovisuellen Kontrapunkts, eine zentrale Rolle spielen. Bemerkenswert sind diese Filme wegen ihrer Dekors (Lazare Meerson) und der originellen Typenzeichnung sowie ihrer neuartigen Bild-Ton-Montagen. Marcel Carné entwickelte in Zusammenarbeit mit dem Dichter und Szenaristen Jacques Prévert einen – zumeist düster gefärbten – Stil des "Poetischen Realismus", so in LE JOUR SE LEVE (Der Tag bricht an, 1939, mit Jean Gabin). Zuvor drehte Carné mit DROLE DE DRAME (Ein sonderbarer Fall, 1937) eine der genialsten Satiren, die je auf die Leinwand gebracht wurden (zitatwürdig sind die Szenen mit Louis Jouvet als Bischof in schottischer Verkleidung, Michel Simon als Mimosenzüchter und Jean-Louis Barrault als mordwütigem Schlachter). Die Pointen der Carnéschen Filmdialoge stammen von Jacques Prévert, die stilgebenden Dekors von Alexander Trauner.
Vielleicht der größte französische Filmregisseur der 30er Jahre war Jean Renoir. Wir zeigen: BOUDU SAUVE DES EAUX (1932), das Drama eines Pariser Clochards mit Michel Simon; PARTIE DE CAMPAGNE (1936), die Fragment gebliebene, impressionistische Verfilmung einer Novelle von Maupassant; LES BAS FONDS, eine Verfilmung von Gorkis "Nachtasyl" mit Louis Jouvet und Jean Gabin und schließlich als Kulmination LA REGLE DU JEU (Die Spielregel, 1939), eine schneidend scharfe und subtile Gesellschaftsanalyse und großartige Regieleistung. Zusammen mit PARTIE DE CAMPAGNE zeigen wir Luis Buñuels in Spanien gedrehten Dokumentarfilm LAS HURDES (auch: TERRE SANS PAIN, 1932). Ein bedeutender französischer Regisseur der 30er und 40er Jahre ist Jean Gremillon, wir zeigen sein Frühwerk L'ÉTRANGE MONSIEUR VICTOR (1937), einen atmosphärisch dichten Kriminalfilm. Um das Kapitel abzuschließen, zeigen wir André Malraux' Spanien-Film ESPOIR (Hoffnung, 1939–45), ein Werk zwischen Dokument und Fiktion, Realismus und poetischer Stilisierung, begonnen in der letzten Phase des Spanischen Bürgerkriegs, den der Film dokumentiert, aber aufgeführt erst nach Ende des Zweiten Weltkriegs; und Marcel Carnés großes Opus LES ENFANTS DU PARADIS (Kinder des Olymp, 1939–45), ein Film, mit großem Aufwand in südfranzösischen Studios gedreht und lange hinausgezögert, damit das Filmteam den Krieg überstehen konnte, ein Werk, das alle Elemente des klassischen französischen Films – literarisches Drehbuch (Jacques Prévert), vorzügliche Schauspieler (Arletty, Jean-Louis Barrault, Maria Casarès), schwelgerische Dekors (Alexander Trauner), Kostüme und Massenszenen, Pantomimen und stilisierte Dialoge, Düsterkeit, Tragik und Fatalismus – zu einer meisterlichen Synthese verschmolz und dadurch für lange Zeit als Verkörperung der französischen Filmkunst schlechthin erschien.