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Wir beginnen den Monat mit TABU, einem sagenumwobenen Film, den Robert Flaherty gemeinsam mit dem deutschen Regisseur F.W. Murnau 1931 in der Südsee mit Laiendarstellern von der Insel Bora-Bora drehte (Flaherty zog sich später von dem Film zurück). Obwohl der Film einen dokumentarischen Hintergrund hat, bestimmen Träume, Ängste und Visionen im Stil von Murnau das Geschehen. Am Anfang stehen außerdem zwei berühmte Gangsterfilme, Urbilder des Genres: LITTLE CAESAR (1930, Mervin Le Roy, mit Edward G. Robinson) und SCARFACE (Howard Hawks, 1932, mit Paul Muni, produziert von Howard Hughes), eine Rekapitulation der Geschichte des berühmten Gangsters Al Capone. Beide Filme, angesiedelt im Chicago der Prohibitions-Zeit, faszinieren durch ihre Verschmelzung von Realismus und Sozialkritik, ihren grimmigen Humor sowie durch die Ausmalung eines Lebensgefühls von Angst und Bedrohung. Lewis Milestones ALL QUIET ON THE WESTERN FRONT (1930, die Verfilmung von Erich Maria Remarques Roman "Im Westen nichts Neues") ist einer der stärksten Antikriegsfilme aller Zeiten und löste bei seiner Uraufführung im Jahr 1930 in Deutschland den Unmut der Nazis aus, die versuchten, einen Skandal zu entfesseln. Zu den dominierenden Stars jener Epoche des US-Films gehörte Marlene Dietrich. Wir zeigen zwei Beispiele, die auch Gelegenheit bieten, die souveräne Regiekunst und Bildgestaltung Josef von Sternbergs zu bewundern, die subtile Verwendung von Dekor und Beleuchtung, wie sie auch in diesen Filmen zelebriert wird: DISHONORED (1931) und BLONDE VENUS (1932) – es waren Marlenes zweiter bzw. vierter Film in den USA. Als ein Gegenbild zum Mythos Marlene kann man Mae West betrachten, sie inkarnierte den Mythos der Femme fatale, gleichzeitig aber auch ein Freiheitsbild, immer mit Wortwitz und Selbstironie begabt; wir zeigen von ihr den Klassiker MY LITTLE CHICKADEE (Mein kleiner Gockel, Edward F. Cline, 1940). In dieser brillanten Western-Parodie spielt Mae West zusammen mit W.C. Fields, einem Kult-Star der Filmkomödie. In den Bereich der Komödie gehören natürlich auch die Marx-Brothers mit ihren surrealistischen Gags und Erfindungen, wir zeigen DUCK SOUP (Die Marx Brothers im Krieg, Leo McCarey, 1933), hier regieren die Marx Brothers in rabiater Manier den Operettenstaat "Freedonia". In den Bereich der Komödie gehören auch die drei Lubitsch-Filme des Monats: NINOTCHKA (1939, mit Greta Garbo – eine Sowjetkommissarin in geheimer Mission erliegt dem Charme der westlichen Welt), SHOP AROUND THE CORNER (1940, mit James Stewart – zwei anonyme Briefpartner arbeiten in einem kleinen Geschäft nebeneinander) und die berühmte Satire TO BE OR NOT TO BE (1942 – polnische Schauspieler, die ein Anti-Nazistück vorbereiten, werden mit echten Nazis konfrontiert). Von hier führen Verbindungslinien sowohl zum Paradefilm der deutschen Film-Emigration, CASABLANCA (Michael Curtiz 1942 – neben Ingrid Bergman und Humphrey Bogart spielen Peter Lorre, Conradt Veidt, Curt Bois, Paul Henreich, Szöke Szakall; der Film hat unvergessliche Dialoge) und zu den Chaplin-Filmen MODERN TIMES (1936 – eine Satire der Fließbandarbeit und der modernen Arbeitswelt) und THE GREAT DICTATOR (1940 – die beste Hitler-Parodie überhaupt). Noch einigen anderen frühen US-Filmgenres erweisen wir eine Hommage. Da ist der Horror-Film, hierher gehören KING KONG (Meriam C. Cooper, 1933) sowie FRANKENSTEIN (James Whale, 1931) und FREAKS (Tod Browning, 1932). Von DR. JEKYLL AND MR. HYDE zeigen wir zwei Versionen zum Vergleich (es gibt insgesamt über 50): einmal die Version von Rouben Mamoulian (1931, mit Fredric March, ausgestattet mit subjektiver Kamera) und dann die von Victor Fleming (1941, mit Spencer Tracy und Ingrid Bergman), eine psychoanalytische Fantasie. Victor Fleming erhält auch die Ehre, in diesem Monat drei Mal präsent zu sein: außer dem schon genannten Film sind es THE WIZARD OF OZ (1939), ein Klassiker aller Kinderfilme, und GONE WITH THE WIND (Vom Winde verweht, ebenfalls 1939), die Monumentalverfilmung des Romans von Margaret Mitchell – diesen Film zeigen wir, weil ihm der Ruf anhängt, der größte Klassiker (und der größte Kassenerfolg seiner Zeit) überhaupt zu sein und einen eigenen Mythos der Kinogeschichte kreiert zu haben. Exzessiv ist der Film auch in seiner Länge (230 Minuten). 1940 erhielt er insgesamt acht Oscars. Auch zwei Filme von Orson Welles haben wir in diesem Monat nebeneinandergestellt: einmal den Geniestreich und Bahnbrecher-Modellfilm CITIZEN KANE (1941), dann aber auch den Nachfolgefilm THE MAGNIFICENT AMBERSONS (1942). In der Geschichte vom Aufstieg und Fall zweier amerikanischer Familien zeichnete Welles ein kritisches Bild vom amerikanischen Unternehmertum im Frühkapitalismus. Leider wurde der brillant gestaltete Film von der Herstellerfirma Mercury von 138 auf 88 Minuten gekürzt, nur die gekürzte Fassung ist erhalten. Unsere Übersicht des amerikanischen Films der 30er Jahre bis 1945 enthält auch Beispiele des Musicals – 42ND STREET von Lloyd Bacon (1933, mit Ginger Rogers und perfekten Tanzszenen in der Choreografie von Busby Berkeley) und DANCE, GIRL, DANCE von Dorothy Arzner (1940), ein Film mit starken feministischen Akzenten, gezeigt als Wiederentdeckung im Internationalen Forum der Berlinale 1977. Besonders erinnernswert in diesem Film ist die Ansprache, die eine der Tänzerinnen an das männliche Publikum hält. Auch die schönsten Beispiele des amerikanischen Film noir stammen aus dieser Epoche. Aus diesem Filmgenre zeigen wir John Hustons THE MALTESE FALCON (1941 – Privatdetektiv kämpft gegen einen Dschungel von Verschwörungen und scheitert am Ende) sowie Howard Hawks' THE BIG SLEEP (1945/46 – ein Detektiv verirrt sich in Labyrinthen der Korruption; Buch: William Faulkner nach einer Vorlage von Raymond Chandler). In beiden Filmen spielte Humphrey Bogart die Hauptrollen; diese Filme definierten ein düster-existentialistisches Klima von Verhängnis und allseitiger Bedrohung.
Howard Hawks ist übrigens in diesem Kapitel auch dreimal vertreten – nicht nur mit SCARFACE und THE BIG SLEEP, sondern auch mit der brillanten Screwball-Komödie BRINGING UP BABY (1939, mit Cary Grant und Katherine Hepburn). Eine junge Dame stürzt mit ihrem zahmen Leoparden Leben und Forschung eines Biologie-Professors in ein völliges Chaos: auch dies ist ein Klassiker seines Genres. Immerhin zeigen wir auch ein Beispiel des Westerns: das ist STAGE COACH von John Ford (1939, mit John Wayne), ein mythisch überhöhtes Drama über Gefahr, Kampf und Bewährung: die Chronik einer Postkutschenfahrt durch gefährliches Indianergebiet. Dies war der erste Film, den John Ford vor der Kulisse des Monument Valley drehte. Die berühmteste Sequenz des Films ist der Überfall der Indianer auf die Postkutsche bei rasender Fahrt, gefilmt mit mehreren Kameras.

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