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Nach 1933 entstehen in der Sowjetunion zahlreiche Filme, die die Situation in Nazi-Deutschland aufgreifen und propagandistisch verarbeiten. Während deutsche Charaktere in sowjetischen Filmen bis Ende der 20er Jahre kaum zu sehen waren, wird der deutsche Nationalsozialismus nach 1933 von einer Vielzahl von deutschen Arbeitern und aufrechten Kommunisten als verhängnisvoller Irrweg entlarvt – wenigstens auf sowjetischen Leinwänden. Streiks, Parteiarbeit, Straßenkämpfe, Arbeitslosigkeit und die Auswanderung in die Sowjetunion als einziger Ausweg sind die Themen einer ganzen Reihe von Filmen. In Zusammenarbeit mit der Russischen Filmwoche 2008 zeigen wir fünf Beispiele dieses speziellen Genres, ausgewählt von Wladimir Dmitriew, dem stellvertretenden Leiter des Gosfilmofond.
DESERTIR (Der Deserteur, Wsewolod Pudowkin, 1933, 1.12.) Die Geschichte eines Hamburger Werftarbeiters, der als Kommunist versucht, einen Streik so lange hinauszuschieben, bis ein Bauauftrag der Sowjetunion erledigt ist. Pudowkins erster Tonfilm wurde teilweise in Hamburg gedreht und enthält Sequenzen aus Berlin – Die Sinfonie der Großstadt.
RWANIJE BASCHMAKI (Zerrissene Stiefel, Margarita Barskaja, 1934, 2.12.) Deutschland zur Zeit der Weltwirtschaftskrise Anfang der 30er Jahre. Das Elend der arbeitslosen Erwachsenen und die sich zuspitzenden sozialen Konflikte übertragen sich auf die Kinder, aus deren Perspektive der Film erzählt wird. In einem Kaleidoskop typischer Alltagssituationen treffen verängstigte Kleinbürgerkinder, proletarisch-kämpferische Altersgenossen und Hitler-Jungen aufeinander.
BOLOTNIJE SOLDATI (Moorsoldaten, Alexander Matscheret, 1938, 3.12., Einführung: Ulrich Gregor) Der junge Kommunist Paul, ein jüdischer Apotheker, ein alter Arbeiter und ein Student sind in einem KZ den brutalen Schikanen durch die Nazi-Schergen hilflos ausgeliefert. Einzig Pauls Glauben an den Kommunismus gibt seinen Mithäftlingen Kraft und Stärke, den Fluchtversuch zu wagen.
PROFESSOR MAMLOCK (Herbert Rappaport & Adolf Minkin, 1938, 4.12.) Erste Verfilmung von Friedrich Wolfs gleichnamigem Bühnenstück. Für die Verfilmung des Stückes um den deutschen Chirurgen Mamlock, der als jüdischer Arzt von den Nazis verfolgt wird, verpflichtete man den österreichischen Filmemacher Herbert Rappoport, der als internationaler Künstler die sowjetische Filmszene im Kampf u.a. gegen das faschistische Deutschland unterstützen wollte.
SEMJA OPPENGEJM (Familie Oppenheim, Grigori Roschal, 1939, 5.12.) In der filmischen Bearbeitung der literarischen Vorlage von Lion Feuchtwanger wird das Thema der Judenverfolgung mit dem des entschlossenen politischen Widerstands durch kommunistische Kämpfer kontrapunktiert. Im Unterschied zum Roman endet der Protagonist nicht als gebrochener Mensch, sondern als aktiver Untergrundkämpfer.
HERR ARNES PENGAR (Herrn Arnes Schatz, Mauritz Stiller, Schweden 1919, 6.12.) Nach einer Erzählung von Selma Lagerlöf entwickelt Stiller die Geschichte einer Gruppe von Söldnern, die auf ihren Raubzügen eine komplette Familie tötet. Ihre Flucht misslingt, da das zugefrorene Meer ihr Schiff festhält. Der Film kulminiert in einem Menschenzug, der sich prozessionsgleich über das Eis zum eingefrorenen Schiff bewegt – ein Bildmotiv, das Eisenstein 20 Jahre später wieder aufnehmen und mit politischer Bedeutung aufladen wird.
KÖRKARLEN (Der Fuhrmann des Todes, Victor Sjöström, Schweden 1921, 7.12.; am Klavier: Eunice Martins) Einer schwedischen Sage nach muss der letzte Verstorbene des Jahres als Fuhrmann des Todes das folgende Jahr hindurch die Seelen der Toten einsammeln. Einem Trinker gewährt der Fuhrmann Aufschub, damit dieser sein Leben in Ordnung bringen kann. Eine weitere Lagerlöf-Verfilmung mit kunstvoller Lichtsetzung, raffinierter Kameraarbeit und ambitionierter Montage.
HÄXAN (Benjamin Christensen, Dänemark / Schweden 1922, 8.12.) Diese Chronik mittelalterlicher Hexenlegenden avancierte wegen ihrer magisch-fantastischen Horrorikonografie zu einem Lieblingsfilm der Surrealisten.
BLADE AF SATANS BOG (Blätter aus dem Buche Satans, Carl Th. Dreyer, Dänemark 1921 | 10.12., am Klavier: Eunice Martins & 13.12.) Dreyers Anklage gegen die Intoleranz unter den Menschen ist episodisch aufgebaut und kreist um den Verrat Judas' an Jesus, die spanische Inquisition, die französische Revolution und die Rote Garde. Strenge Großaufnahmen und genaue Schauspielerführung weisen voraus auf spätere Filme des dänischen Regisseurs.
LA PASSION DE JEANNE D'ARC (Carl Theodor Dreyer, F 1928, 11.12.) Dreyers distanzierte Beschreibung eines Glaubenskampfes. Die Blicke, Gesten und Körperhaltungen zeugen von der inneren Anspannung aller Beteiligten. Ein nach wie vor bewegender Film, der bei der Uraufführung 1928 in Paris Proteste der katholischen Kirche auslöste. Unter der AbkürzungFEKS ist die sog. „Fabrik des Exzentrischen Schauspielers“ in die Filmgeschichte eingegangen. Die avantgardistische Künstlervereinigung war zunächst als Theatergruppe aktiv, wandte sich jedoch bald dem Film zu. Von den sieben Filmen, die bis 1929 entstanden und deren Stilmittel dem Vaudeville-Theater, dem Zirkus und der volkstümlichen Kunst entliehen sind, zeigen wir eine Auswahl.
SCHINJEL (Der Mantel, Grigori Kosinzew, Leonid Trauberg, SU 1926, 12.12., am Klavier: Eunice Martins, Einführung: Oksana Bulgakowa) Das Regie-Duo schrieb Gogol-Erzählungen zum Melodrama mit Kriminalhandlung um: Der schüchterne Beamte Akaki hat sich aus Liebe zu einer femme fatale zu einer Urkundenfälschung hinreißen lassen, ein Verbrechen, das er mit Armut und Einsamkeit bezahlt.
TSCHERTOWO KOLESO (Das Teufelsrad, Kosinzew / Trauberg, SU 1926, 14.12.) Unter Rückgriff auf Versatzstücke aus Gangstermelodramen wird der Aufstand der Pariser Kommune nachgezeichnet.
SWD – SOJUS WELIKOGO DELA (Der Bund der großen Tat, Kosinzew / Trauberg, SU 1927, 15.12.) Der Film geht auf die Dekabristenrevolte von 1825 in Petersburg zurück: revolutionäre Handlung in stilisierten Dekors. NOWY WAWILON (Das neues Babylon, Kosinzew / Trauberg, SU 1929, 16.12. & 17.12., am Klavier: Eunice Martins) Eine stark karikaturistische Überzeichnung der Personen und Dekors findet sich auch in dieser international bekanntesten Arbeit der FEKS. Das sorglose, in grellen Tönen gezeichnete und furios montierte Leben der Bourgeoisie bildet die Rahmenhandlung für eine tragische Liebesgeschichte zwischen einer Verkäuferin und einem Soldaten.
DAS WACHSFIGURENKABINETT (Paul Leni, D 1924, 18.12., am Klavier: Eunice Martins & 19.12.) Zwischen düster-expressionistischer Schauerballade und burlesker Farce bewegen sich die drei fantastischen Episoden dieses Erwachsenenmärchens. Der Film zählt zu den letzten expressionistischen Meisterwerken der Weimarer Republik, bevor sich der deutsche Film in der zweiten Hälfte der 20er Jahre verstärkt der Neuen Sachlichkeit bzw. einem sozialen Realismus zuwendet.
Drei weitere Filme mit Emil Jannings: Zunächst DER LETZTE MANN (F. W. Murnau, D 1924, 20.12.), in dem er die Rolle des alternden und sozial deklassierten Hotelportiers spielt, dessen psychologisches Profil von Karl Freunds "entfesselter Kamera" auf einzigartige Weise ausmodelliert wird. In VARIETE (E.A. Dupont, D 1925, 21.12.) sieht man ihn als einen aus Eifersucht mordenden Zirkusartisten. In FAUST (F. W. Murnau, D 1926, 22.12., am Klavier: Eunice Martins) verkörpert Jannings schließlich das Prinzip des Bösen schlechthin: Mephisto.
Gesellschaftliche Abgründe hinter der Fassade bürgerlicher Moral in zwei Filmen von G.W. Pabst: Erniedrigung durch Inflation und Hunger im Wien der 20er Jahre in DIE FREUDLOSE GASSE (D 1925, 23.12.) und das hinter der flirrenden Erotik Lulus lauernde Verhängnis in DIE BÜCHSE DER PANDORA (D 1929, 26.12.). METROPOLIS (Fritz Lang, D 1927, 25.12.)
Zu entdecken als ins Utopische gespiegelte Variation des deutschen Arbeiterfilms mit ungewöhnlichem Ausgang: Glanz und Reichtum der Zukunftsstadt Metropolis werden von unterirdisch lebenden Proletariermassen geschaffen, die sich von einer Maschinenfrau zum Aufstand verleiten lassen. Zwei "Arbeiterfilme", die an die späteren anti-faschistischen Filme der UdSSR erinnern. Weniger einseitig propagandistisch, jedoch nicht minder engagiert sind MUTTER KRAUSENS FAHRT INS GLÜCK (Piel Jutzi, D 1929, 27.12.) und BRÜDER (Werner Hochbaum D 1929, 28.12.)
MENSCHEN AM SONNTAG (Siodmak / Ulmer / Wilder / Zinnemann, D 1929/30, 29.12.) Die halbdokumentarische Collage aus Spielszenen und Sozialreportage vermittelt Einblicke in die Angestellten- und Arbeiterkultur jener Tage und beeinflusste den französischen poetischen Realismus wie den Italienischen Neorealismus. Zum Ausklang des Jahres der Film zu den Ereignissen der letzten Monate: GREED (Gier, Erich von Stroheim, USA 1923, 30.12.). Die Russische Filmwoche Berlin findet unter der Schirmherrschaft von Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit statt. Veranstalter ist die russische Generaldirektion für Internationale Filmfeste "Interfest".
Mit freundlicher Unterstützung des Kulturministeriums der Russischen Föderation und des Russischen Hauses der Wissenschaft und Kultur in Berlin. Hauptsponsor ist GAZPROM Germania GMBH.

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