Das erste Programm der Hommage kombiniert Andrej Tarkowskijs Abschlussarbeit an der staatlichen Filmhochschule (WGIK) KATOK I SKRIPKA (Die Straßenwalze und die Geige, 1961) und seinen letzen Film OFFRET (Opfer, 1985), den Tarkowskij ein Jahr vor seinem Tod in Schweden realisierte. KATOK I SKRIPKA zeigt einen Tag im Leben des kleinen, verträumten Sascha, der seine Geige dem Fußballspiel vorzieht und deshalb von seinen Kameraden als "Musikant" verspottet und drangsaliert wird. Als Sascha wieder einmal verprügelt werden soll, kommt ihm der Straßenarbeiter Igor zu Hilfe. Zwischen den beiden entwickelt sich eine kurze Freundschaft, die jedoch abrupt durch ein Verbot von Saschas Mutter abbricht. Das episodische, klar strukturierte Debüt ist von leiser, poetischer Schönheit und antizipiert Themen, Bildmotive und Stilformen, die Tarkowskij in späteren Filme weiterentwickelte. (1.8.) Von der modernen Stadtlandschaft, die den vielsagenden Hintergrund in KATOK I SKRIPKA bildet, zur Abgeschiedenheit einer einsamen Insel, dem Schauplatz von Tarkowskijs letztem Film OPFER. Hier finden die Geburtstagsfeierlichkeiten für den 50-jährigen Alexander statt, als die Nachricht eines Atomschlags über die Feiernden hereinbricht. Während die meisten Anwesenden in Panik geraten, zieht sich Alexander zurück und betet zu Gott. Er schwört, allem Weltlichen zu entsagen, zu verstummen und sich von seinem Sohn abzuwenden, wenn Gott die Katastrophe verhindert. Als am nächsten Tag alles vergessen zu sein scheint, beginnt Alexander, sein Versprechen einzulösen. Tarkowskij gelingt in seiner wort- und bildgewaltigen Vision die Verbindung von poetischer Filmsprache und philosophisch-religiösem Diskurs. (1.8.) In IWANOWO DETSTWO (Iwans Kindheit, 1962) schildert Tarkowskij "die Geschichte eines Charakters, der vom Krieg geboren und von ihm verschlungen wird" (Andrej Tarkowskij). Der 12-jährige verwaiste Iwan (sein Vater ist gefallen, die Mutter verschollen) stößt während des Zweiten Weltkriegs im Dnjepr-Gebiet zur Roten Armee und ist nicht davon abzubringen, als Späher und Kurier für die sowjetischen Truppen hinter den feindlichen Linien eingesetzt werden. Eines Tages kehrt er von einem Erkundungsgang nicht zurück. Kunstvoll überlagert Tarkowskij das Geschehen des Films mit Iwans Träumen, Erinnerungen und Fantasien. Es entstehen Gegenbilder zur Wirklichkeit, Bilder einer vom Krieg nicht tangierten Kindheit, in denen sich die Glücksmomente jedoch wiederum mit unheimlichen surrealistischen Chiffren vermischen. (3. & 4.8) Unversöhnlich treffen Künstler und Staatsmacht in ANDREJ RUBLJOW (1965) aufeinander. Der in acht Kapitel gegliederte, monumentale CinemaScope-Film zeigt den legendären Ikonenmaler Rubljow (etwa 1360–1430) als humanistischen, aufgeklärten Künstler auf der Schwelle zur Neuzeit, den die menschenverachtende Macht- und Kriegspolitik seiner Auftraggeber in eine tiefe schöpferische Krise stürzt, gleichzeitig aber auch zur Triebfeder für die Auseinandersetzung mit der komplexen Position des Künstlers in der Gesellschaft wird. Die bereits seit KATOK I SKRIPKA schwelenden Konflikte mit der sowjetischen Filmbehörde eskalieren, als Tarkowskij den Rohschnitt von ANDREJ RUBLJOW präsentiert. Als "künstlerisch unausgereift" und mit dem Vorwurf, das damalige Russland in einem zu negativen Licht zu zeigen, wird der später international als unumstrittenes Meisterwerk gefeierte Film sechs Jahre lang zurückgehalten. (6. & 8.8.) Ein Mann um die 40 zieht Zwischenbilanz: In dem stark autobiografisch bestimmten Film SERKALO (Der Spiegel, 1974) gibt der Protagonist sein Leben, seine Erinnerungen, seine Ängste und Obsessionen preis. Er ist Sohn geschiedener Eltern, auf der Suche nach der verlorenen Zeit und nach der eigenen Identität. Sein privates Schicksal ist verbunden mit den gesellschaftlichen Erschütterungen und Umbrüchen der Sowjetunion zwischen 1930 und den späten 70er Jahren. Der Film folgt keiner linearen, chronologischen Erzähllogik, sondern besteht vielmehr aus einem höchst komplexen System sich gegenseitig kommentierender Spiegelbilder, die mit hoher Kunstfertigkeit ineinandergeflochten sind. (12. & 14.8.) SOLARIS (1971/72) basiert auf dem gleichnamigen Roman von Stanislaw Lem. Tarkowskijs Adaption verzichtet jedoch auf jegliche Special Effects und konzentriert sich vielmehr auf die Gespräche zwischen den Wissenschaftlern, die um die Grenzen des menschlichen Bewusstseins kreisen. Im Mittelpunkt steht die Reise des Psychologen Kelvin, der zum meerbedeckten Planeten Solaris geschickt wird, um die rätselhaften Vorkommnisse auf der dortigen Forschungsstation zu untersuchen. Nach und nach erkennt Kelvin, dass der geheimnisvolle Ozean auf Solaris die Träume, Ängste und Schuldgefühle der Männer der Raumstation zu materialisieren vermag. (22.8.) Ähnlich wie SOLARIS geht auch Tarkowskijs letzter in der UdSSR realisierter Film STALKER (1979) auf literarische Science-Fiction-Vorlagen zurück. Unter der Führung eines Ortskundigen, der am Rande der Welt in einer verfallenen Industrielandschaft lebt, begeben sich ein Wissenschaftler und ein Schriftsteller in die mysteriöse „Zone“, wo es angeblich einen Ort geben soll, an dem die geheimsten Wünsche in Erfüllung gehen. Die Expedition wird zur Reise in die Innenwelt der Protagonisten, ins Imaginäre, ins Schweigen. „Die Zone ist kein Territorium, sondern eine Prüfung, die man entweder besteht, oder bei der man durchfällt. Alles hängt von der Würde ab, von der Fähigkeit, Wichtiges von Vergänglichem zu unterscheiden.“ (Andrej Tarkowskij) (18. & 19.8.) "Ich wollte in NOSTALGHIA (Italien 1983) von der russischen Form von Nostalgie erzählen, von jenem für unsere Nation so spezifischen Seelenzustand, der in uns aufkommt, wenn wir fern der Heimat sind." Fern der Heimat ist der russische Schriftsteller Gortschakow, der nach Italien gekommen ist, um Material über einen italienischen Komponisten zu sammeln, dessen Biografie er schreiben will. Hier überkommt ihn jedoch, wie vor ihm bereits den Komponisten, eine übermächtige Sehnsucht nach der geografischen wie spirituellen Heimat. Die fremde Landschaft und Kultur Italiens treiben ihn in eine ausweglose Isolation und Schwermut. Der Film ist wie ein System von Spiegeln, in denen sich die Figur des Protagonisten, des Komponisten und schließlich auch die Erfahrungen Tarkowskijs wiederfinden. (26.8.)