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Nina Menkes' Prozess des Drehbuchschreibens sieht so aus, dass sie von Bildern ausgeht und die Narration in diesen Bildern findet – wie in PHANTOM LOVE – ganz im Gegenteil zum üblichen Vorgehen, bei dem erst eine Storyline entwickelt und diese dann mit Bildern aufgefüllt wird. Oder sie geht – wie in THE GREAT SADNESS OF SOHARA und THE BLOODY CHILD – von einem lockeren Konzept aus, das sich während des Filmens zu einer Struktur entwickelt. Zudem macht Menkes bei allen ihren Filmen selbst die Kamera – sie fing an mit Super8, arbeitete dann mit der 16mm Arri-Flex und dreht inzwischen auf 35mm, in ihrem letzten Film PHANTOM LOVE unterstützt von einem zweiten Kameramann, der das Licht gesetzt hat. Es geht ihr gleichermaßen um Präzision und Spontaneität. Wir freuen uns, Nina Menkes mit einer Retrospektive ihrer Filme im Oktober im Arsenal begrüßen zu dürfen. Als Eröffnungsfilm der Reihe zeigen wir die nagelneue 35mm-Kopie von PHANTOM LOVE. Nina Menkes wird zum Gespräch mit dem Publikum anwesend sein. "Die junge Lulu verbringt den Großteil ihres Lebens damit, in einem Casino in Los Angeles zu arbeiten. Ihr viel jüngerer Liebhaber, zu dem sie keine emotionale Verbindung spürt, und ihre Schwester Nitzan, die fortwährend Pillen schluckt und nahe eines Zusammenbruchs ist, nehmen den Rest ihrer Zeit ein. Lulus Mutter, die auf Besuch kommt, versucht immer wieder zu helfen, macht die Dinge jedoch nur komplizierter. PHANTOM LOVE ist getragen von einer surrealen Atmosphäre, die, wie man sagen könnte, zu Nina Menkes' Markenzeichen geworden ist: Verschlungene Gesichter, Schatten und exotische Tiere vereinen sich hier in Begleitung eines sorgfältig konstruierten, subtilen Soundtracks. Menkes ergründet Lulus Reise von innen heraus, über Gewalt und Beziehungen hinweg, und das Resultat ist eine mysteriöse Familienchronik. Ein surreales Drama über eine in familiären Verstrickungen gefangene Frau und über ihren langsamen Prozess einer persönlichen Befreiung (…) PHANTOM LOVE ist ein offen konstruierter und strukturierter Film, der dem Zuschauer damit verschiedene Interpretationsmöglichkeiten einräumt." (Robert Koehler) (2. & 19.10.) Menkes' erster Super8-Film A SOFT WARRIOR (1981) "handelt von der Grauzone zwischen Krankheit und Gesundheit – eine Zone, die von Tinka Menkes durchquert wird." (Bérénice Reynaud) In einem Krankenzimmer voller seltsamer Figuren – einer Installation von Schattenexistenzen – umsorgt eine Schwester die andere – als Kriegerin, als schwarzes Wesen wacht sie an ihrem Bett. Nina Menkes zweiter Film THE GREAT SADNESS OF ZOHARA (1983) entstand an der Filmschule des UCLA. "Der Film folgt den Spuren der Titelfigur von den Straßen Jerusalems bis nach Marokko und wieder zurück. Es ist eine Art spirituelle Reise, bei der sich jedoch Zoharas zunehmende Entfremdung in den Landschaftsaufnahmen manifestiert: in streng komponierten Kadragen und Einstellungen von Zohara vor der scheinbar unendlichen Weite der nordafrikanischen Wüste. Die Kamera bleibt dabei meist starr auf jenen Auschnitt gerichtet, den die junge Frau auf ihrer Reise durchschreitet. Und wenn die Kamera dann doch beweglich wird, ist das Ergebnis ein schreckliches Unbehagen, geradeso, als würde einem der Boden unter den Füßen weggezogen werden." (Holly Willis) (3. & 13.10.) QUEEN OF DIAMONDS (1991) spielt in Las Vegas, mit einer Art "psychopathischem Verité-Blick" wie die Filmwissenschaftlerin Bérénice Reynaud den Film sehr treffend beschreibt. Die Protagonistin Firdaus (das arabische Wort für Paradies) arbeitet als Croupière am Spieltisch in Las Vegas, und pflegt außerdem einen alten Mann. Sie ist eine einsame Figur, um die herum sich das Leben langsam auflöst. Eine lange Sequenz zeigt sie als Kartengeberin am Black-Jack-Tisch: Alle Geräusche aus der Spielhalle sind zu hören – eine monumentale Raum-Atmo. Kein Schweiß, nur Bimmeln und Befehle, das Rollen einer Kugel, die elegante Routine, mit der die Karten gemischt und ausgelegt werden, der Schlund der Bank im Tisch, in den das Geld gestopft wird: Geld wird zur abstrakten Spannung. Eine virtuelle Himmelswelle aus Leuchtkörpern über ihr, um sie herum von sich selbst abwesende Menschen. (4. & 17.10.) Basierend auf Texten von Gertrude Stein, Anne Sexton, Mary Daly und William Blake entstand MAGDALENA VIRAGA. THE STORY OF A RED SEA CROSSING (1986). Der Film spielt an "lebhaften, schäbigen Schauplätzen in Los Angeles, um den Eindruck eines anonymen lateinamerikanischen Polizeistaats zu erzeugen. Die Prostituierte Ida/Magdalena Viraga bewegt sich weitgehend zwischen den ausstaffierten Schlafzimmern der Absteige (wo Tinka Menkes als Ida ihr Klientel mit kalter Passivität befriedigt) und der Gefängniszelle, in die sie ebenso häufig von der Polizei aus eher politischen als moralischen Gründen gesteckt wird." (Kevin Thomas, 1991) (7. & 11.10.) THE BLOODY CHILD (1996) "erzählt in langen, meditativen Sequenzen, wie ein Angehöriger der US-Marines seine Frau tötet, sie auf dem Rücksitz seines Autos verstaut, mit der Leiche in die Mojave-Wüste fährt, sie dort vergräbt und dabei von einer Militärstreife gestellt wird. Nina Menkes hat die Geschichte einer Zeitungsmeldung entnommen. Sie dient ihr als Rahmenhandlung, die aber die konkreten Geschehnisse nicht verstehbar macht, sondern in einem viel fundamentaleren als bloß psychologischen Sinn 'unverständlich' werden lässt: Menkes schneidet den Film gegen die Leserichtung, so dass man erst in der Mitte des Filmes realisiert, was eigentlich passiert sein könnte. Die Schnitte erzeugen einen bestimmten Rhythmus, der die Szenerie in abstrakten Tableaus auf unterschiedliche Weise zusammensetzt. Dadurch erscheinen die Charaktere der Handlung oder die Indizien nicht länger als Knotenpunkte der Bedeutung, sondern als Fragmente in einem viel umfassenderen Tableau, einer Welt, in der Bedeutung potenziell gleich verteilt ist – überall und nirgends." (Roger M. Buergel, Ruth Noack) (8. & 15.10.) (Madeleine Bernstorff) Die Filmkopien stammen aus der Sammlung des Academy Film Archive. Eine Veranstaltung mit großzügiger Förderung des Künstlerinnenprogramms des Berliner Senats. Mit Unterstützung des Berliner Künstlerprogramms des DAAD.

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Arsenal on Location wird gefördert vom Hauptstadtkulturfonds