Unter dem Titel "Asta Nielsen als Protagonistin der Moderne" bieten drei Vorträge von Heide Schlüpmann, Annette Förster und Michael Wedel am 16. März einen vertieften Einblick in die einzigartige Schauspielkunst der Asta Nielsen. (Heide Schlüpmann: "Geschichte spielen"; Annette Förster: "Zwischen Verführung und Komik"; Michael Wedel: "Die Tränen der Asta Nielsen") "Asta Nielsen, in einer Arbeiterfamilie geboren, wurde Schauspielerin aus Leidenschaft. Sie begann ihre Schauspielkarriere in Kopenhagen und hatte Anteil an der damaligen skandinavischen Theateravantgarde. 1910 drehte sie zusammen mit einem Kollegen, Urban Gad, ihren ersten Film. AFGRUNDEN wurde ein Welterfolg. Das bestimmte ihre weitere Entwicklung, die Nielsen ging als Filmschauspielerin in die Geschichte ein, auch wenn sie daneben bis in die 30er Jahre hinein immer auch Bühnenauftritte hatte. Die meisten ihrer Filme entstanden in Deutschland, und zwar von 1911 bis 1914, mit Urban Gad als Regisseur und Paul Davidsons Produktionsfirma Projektions AG Union (PAGU). Das waren auch die Jahre, in denen sie eine bis heute das Publikum hinreißende Spielfilmästhetik entwickelte. Krieg, Weimarer Republik, die nationalsozialistische Machtergreifung bedeuteten nicht nur äußerliche Eingriffe in ihre Karriere – Abbruch der Filmarbeit 1914, zwischenzeitliche Wiederaufnahme 1916, Rückkehr nach Berlin 1918 und Ende ihrer Filmarbeit 1933. Sie musste sich auch mit den jeweils veränderten Verhältnissen in der Filmbranche auseinandersetzen. Mit ihrem Spiel auf diese Veränderungen zu reagieren, sich in sie einzumischen, gelang ihr immer aufs Neue, selbst als der Tonfilm kam. 1932 drehte sie UNMÖGLICHE LIEBE, in dem sie die Stimme so einsetzt, dass die Materialität des Tons wie der Stille zum Tragen kommt. Asta Nielsen hat ihren festen Platz in der Filmgeschichtsschreibung. Ihre Filme jedoch erfuhren und erfahren immer noch eine ungerechte Vernachlässigung. Das ist nicht nur an sich ein Verlust. Mit der Geringschätzung der Komödien und Kinodramen korrespondiert eine Abstraktion der Schauspielerin vom übrigen Film, die auch ihrem Spiel nicht gerecht wird. Die Herauslösung geschah schon in den 20er Jahren und fand ihre Apotheose in Béla Balázs' Begriff von einer "Gebärdensprache der Erotik", die uns die Nielsen vorführt. Der Text des frühen Filmtheoretikers besticht in seiner Verve und Einfühlsamkeit noch heute. Und doch geht er darüber hinweg, wie sich zur gleichen Zeit der Nielsen schon der filmische Zusammenhang entzog, in dem sie wirken konnte. Während Balázs das Phänomen Nielsen in den Himmel der Sprachkunst erhob, fiel sie in Wirklichkeit schon aus der Filmproduktion und dem Kino heraus. Die Rede von einer Sprache der Erotik ist vor allem Ausdruck einer Liebe des Zuschauers, die ihn mit Macht ergreift. Von deren unverminderter Wucht können wir beim heutigen Wiedersehen nicht ausgehen, wohl aber von einer neuen Wahrnehmung der Welt der frühen Filme – der Filme der 10er Jahre – in denen Asta Nielsen sich einmal wie ein Fisch im Wasser bewegte. Unsere heutige Wahrnehmung der Nielsen-Filme ist durch geschichtliche Erfahrungen des 20. Jahrhunderts einerseits komplexer, andererseits aber auch, aufgrund eines immensen Erfahrungsverlusts, ärmer geworden. So haben wir kaum noch Empathie für die Dramatik der Leidenschaft, das Pathos des Sexuellen, das Bedeutende des Geschlechterkonflikts. Zum Alltag um 1900 gehörten sie jedoch hinzu – wofür Sigmund Freud ebenso ein Zeuge ist wie die Sexualreform- und Frauenbewegungen. Gewonnen haben wir heute dagegen einen Blick für die Verhandlungen von Emanzipation und Reaktion in einer Massenkultur, die mit dem Kino begann. Uns fällt es leichter, die außerordentliche Bewegtheit der Nielsen in ihrer Verbindung, ihrem Durchdrungensein mit dem Trivialen, Populären und der neuen Technologie zu sehen, statt für ihre Würdigung den Horizont ursprünglicher Sprache beschwören zu müssen. Nicht die feministische oder Gender-gebriefte Umwertung der ehemals männlichen Feier eines erotischen Sprachkörpers steht zur Debatte. Ein Star der lesbischen Subkultur war die Nielsen – anders als Marlene Dietrich – ohnehin nie. Allerdings treten die Momente der Grenzüberschreitung, das Normen überschreitende Gebaren, die Hosenrollen, das Spiel mit den Alterszuschreibungen zur Zeit vielleicht mehr denn je hervor und erfreuen das Herz, das queer schlägt. Doch die eigentliche Möglichkeit für eine Revision der Filmgeschichtsschreibung liegt in der Wahrnehmung der Nielsen im Kontext des Films, der Filme, wie sie im heutigen Kino aufgeführt werden und darin Geschichte vergegenwärtigen." (Heide Schlüpmann) Wir freuen uns, zur Eröffnung am 6. März die renommierte Stummfilmpianistin und Komponistin Maud Nelissen im Arsenal begrüßen zu dürfen, die die Filme DIE FILMPRIMADONNA und AFGRUNDEN begleiten wird. DIE FILMPRIMADONNA (Urban Gad, D 1913) zeigt Asta Nielsen als gefeierten Filmstar, die Filmprimadonna, die in zerstörerische Leidenschaften verstrickt ist. Von dem Film ist nur ein Fragment erhalten, das aber eine der schönsten Sequenzen der Filmgeschichte enthält: Asta Nielsen im Filmlabor und am Schneidetisch, die Szenen eines Films begutachtend. AFGRUNDEN (Abgründe, Urban Gad, Dänemark 1910) war der erste Film Asta Nielsens, mit dem sie schlagartig berühmt wurde. Die Klavierlehrerin Magda verlässt ihren Verlobten, den rechtschaffenen Ingenieur Svane, um mit dem Zirkusartisten Rudolf in die Welt zu ziehen. Dadurch gerät sie an den Rand der Gesellschaft und wird von Rudolf ausgenutzt und schließlich ruiniert. Höhepunkt des Films ist ein atemberaubender Gauchotanz, in dem sich die Nielsen – wie es in einer zeitgenössischen Kritik hieß – "auf der Messerschneide der Unzucht" bewegt. (6.3.) AFGRUNDEN wird am 8.3. noch einmal gezeigt, zusammen mit IN DEM GROSSEN AUGENBLICK (Urban Gad, D 1911). Hier spielt Asta Nielsen ein Dienstmädchen, das vom Neffen des Hausherren verführt wird. Als sie schwanger wird, verlässt er sie. Aus eigener Kraft kann sie ihr Kind nicht ernähren, und schweren Herzens, hin- und her gerissen zwischen ihrem eigenen Wohlergehen und dem ihres Kindes, muss sie es zur Adoption freigeben. Doch der innere Konflikt bleibt, setzt sich äußerlich fort in Rivalität und Kampf mit der reichen Adoptivmutter und kulminiert in einer spektakulären, rot viragierten Brandszene, in der die arme Mutter das Kind rettet und selber untergeht. (8.3.) DEN SORTE DRØM (Der schwarze Traum, Urban Gad, DK 1911) zeigt Asta Nielsen – wie später noch oft – als gefeierte Artistin. Sie ist eine Zirkusreiterin, die von zwei Männern geliebt wird. Eindrucksvoll ist gleich die Eröffnungsszene, in der die Nielsen in glänzend schwarzem Trikot aus der Manege reitet, dabei elegant das Peitschchen zwischen den Händen biegt. Der Film läuft zusammen mit BALLETDANSERINDEN (Balletttänzerin, August Blom, DK 1911), in dem wir Asta Nielsen wieder zwischen zwei Männern, einem Kunstmaler und einem Schriftsteller, sehen. Wieder spielt sie eine leidenschaftliche und selbstständige Frau. Regie führte zum ersten Mal nicht Urban Gad, sondern August Blom, der Starregisseur der Produktionsfirma Nordisk, der für seine sozialen Dramen bekannt war. (7.3.) "Soziale Dramen" wurden die Asta-Nielsen-Filme seinerzeit oft genannt, so auch DIE ARME JENNY (Urban Gad, D 1911/1912). Sie behandeln aber nicht in erster Linie dramatische Konflikte, sondern lassen die gesellschaftlichen Verhältnisse von Armut und Reichtum, von Männermacht und Frauenohnmacht wahrnehmen. Jenny vom Hinterhaus lässt sich vom Herrn aus dem Vorderhaus verführen, das bittere Ende ist voraussehbar. "Die Tochter einfacher Leute, in deren Leben noch nicht der Sonnenstrahl des Liebesglückes gefallen ist, taumelt sie wie der Falter in das Licht, in die Schlingen des eleganten Verführers, hat bald den kurzen Traum ihrer Liebe ausgeträumt und büßt jetzt durch ein langes Martyrium für die wenigen Glücksmomente." (aus einem zeitgenössisches Programmheft) Wir zeigen den Film zusammen mit VORDERTREPPE UND HINTERTEPPE (Urban Gad, D 1914), in dem Asta Nielsen den Klassenverhältnissen ein komisches Licht aufsteckt: selbstbewusst und voller Witz probiert die Tochter aus dem Hinterhaus, wie weit sie es mit dem feschen Offizier vom Vorderhaus bringen kann. Es reicht gerade bis zum Maskenball, auf dem sie sich als Libelle verkleidet köstlich amüsiert und zugleich das falsche Getue der "feinen Gesellschaft" offenbar wird. (8. & 20.3.) DIE VERRÄTERIN (Urban Gad, D 1911) war eins von mehreren Kinodramen, die 1911 an den deutsch-französischen Krieg 1870/ 71 erinnerten. Die französische Aristokratentochter und der deutsche Leutnant geraten in einen Konflikt zwischen Liebe und Vaterland und entscheiden sich unterschiedlich. Die in der Liebe gekränkte Frau muss sich zwischen der Loyalität zum Geliebten oder zum Vaterland entscheiden. Als Zigeunerin balanciert Nielsen in DAS MÄDCHEN OHNE VATERLAND (Urban Gad, D 1912) hinreißend leichtfüßig auf einem Kanonenrohr – diese Einstellung ist emblematisch für den ganzen Film. Die Gesetze und Rituale einer militärischen Gesellschaft nimmt sie spielerisch und unwiderstehlich komisch auf die leichte Schulter. Und doch bleibt am Ende nur die helle Trauer ausgeschlossenen Lebens und Liebens. (9. & 24.3.) S 1 (Urban Gad, D 1913) erzählt eine Spionagegeschichte, die im Ruhrgebiet gedreht wurde. Schauplatz ist unter anderem der Flugplatz Wanne und das Parsevalluftschiff Charlotte. ASTA UND CHARLOTTE (Heinz Trenczak & Paul Hofmann, D 1990) ist ein Kompilationsfilm mit Wochenschauaufnahmen von den Dreharbeiten zu S 1. (10.1.) In DIE BÖRSENKÖNIGIN (Edmund Edel, D 1916) ist Asta Nielsen Helena Nieber, eine Bergwerksbesitzerin des Kupferbergwerkes Glückauf, das vor dem Ruin steht. Da entdeckt ihr Ingenieur eine ergiebige Erzader und Helena Nieber kauft die fast wertlosen Aktien auf, um sich finanziell zu sanieren. Der Ingenieur wird ihr Geliebter und Mitinhaber der Firma. Als er sich in ihre junge Nichte und Gesellschafterin verliebt, bricht Helenas Glück zusammen. (11. & 25.3., mit DIE FILMPRIMADONNA) WEISSE ROSEN (Urban Gad, D 1914) ist der einzige Kriminalfilm Asta Nielsens und spielt im mondänen Ambiente eines Grandhotels. Ein junger Graf entwendet heimlich den Familienschmuck, damit seine Freundin, eine Schauspielerin, im Weltbad einen großen Auftritt hat. "Wie gesagt, die Geschichte ist sehr durcheinander, sie ist aber so geschickt aufregend gemacht, dass die Spannung bis zum letzten Augenblick anhält." (Der Kinematograph, 1917) Der Film läuft zusammen mit DAS LIEBES-ABC (Magnus Stifter, D 1916), in dem Asta Nielsen die Hosen anzieht, um einem schüchternen jungen Mann Liebesmanieren beizubringen. "Ein Lustspiel, DAS LIEBES-ABC mit wenig Logik und vielen Verwandlungen, zugeschnitten auf Asta Nielsen, ihre Augen, ihren Mund, ihre charakteristisch-schlanke Gestalt." ("Vossische Zeitung") (12. & 29.3.) DAS HAUS AM MEER (Fritz Grunwald, D 1924) erzählt von einem Fischerpaar, Teresa und Enrico, die harmonisch in einem Haus am Meer zusammenleben. Eines Tages dringen Soldaten, die sich nach Amerika einschiffen wollen, in das Idyll ein, und drohen Teresas dunkle Vergangenheit vor ihrem Ehemann zu enthüllen. Beide Ehepartner planen stille Verzweiflungstaten, doch sie können in letzter Minute gerettet werden. (13.3.) DAS VERSUCHSKANINCHEN (Edmund Edel, D 1917) ist eine der zahlreichen Backfischkomödien des frühen deutschen Kinos. In IM LEBENSWIRBEL (Heinz Schall, D 1916) ist Asta Nielsen Lena, eine junge und lebenslustige Frau, die mit einem älteren Mann verlobt ist. Sie gibt dem Drängen eines jüngeren Mannes nach und wird dessen Geliebte. Als ihr Mann ernsthaft krank wird, beendet sie die Affäre. Nach dem Tod ihres Ehemannes verlobt sie sich, ohne zu wissen, dass der Mann der Bruder ihres früheren Geliebten ist. Das Ende ist tragisch. (15.3.) DORA BRANDES (Magnus Stifter, D 1916) ist eine glanzvolle Diva, die das Leben und die Liebe über die Kunst stellt, und gerade deswegen als arme, enttäuschte, aber immer noch ihrer selbst bewusste Frau endet. Eine liebende Frau möchte ihrem Geliebten, einen Journalisten, zur Karriere verhelfen und lässt sich zu diesem Zwecke von einem früheren Verehrer Geld geben. Als ihr Geliebter davon erfährt, stößt er sie von sich. Sie verliert allen Halt im Leben und sinkt immer tiefer, bis sie dem Alkohol verfällt. Der Film läuft zusammen mit DIE SÜNDEN DER VÄTER (Urban Gad, D 1912/13), der nur noch als Fragment vorhanden ist. "Ich gab ein junges Mädchen, dessen Vater, ein Säufer, in betrunkenem Zustand im Kanal den Tod findet. Die Tochter agnosziert seine Leiche in der Morgue, verfällt dann selber in Trunksucht, wird von einem zu ihr in Liebe entbrannten Gärtnerburschen geheiratet und gerettet, begegnet ihrer ersten Liebe, einem Maler; wieder wie einst, sitzt sie ihm Modell; abermals gibt er ihr zu trinken, um den Ausdruck einer dem Laster verfallenen Frau auf der Leinwand festhalten zu können." (Asta Nielsen) (15. & 24.3.) Pures Vergnügen bereitet die Komödie ENGELEIN (Urban Gad, 1913). Die über 30-jährige Asta Nielsen spielt eine 17-Jährige, die eine Zwölfjährige spielen muss und deshalb in Haarmasche und Hängekleidchen gesteckt wird. Der Redakteur Schneider heiratete die Mutter seiner Tochter Jesta aus Zeitmangel erst fünf Jahre nach der Geburt. Als der reiche und prüde Onkel aus Amerika zu Besuch kommt, muss die mittlerweile 17-Jährige, die der Schrecken ihres Pensionats ist, eine Zwölfjährige darstellen. Das geht so lange gut, bis sie romantische Gefühle für ihren Onkel entwickelt und sich ihm als erwachsene Frau offenbaren will. (16.3. präsentiert von Vaginal Davis in der Reihe "Rising Stars, Falling Stars" und musikalisch begleitet von John und Tim Blue, & 26.3.) In ZAPATAS BANDE (Urban Gad, 1913/14) wird ein Filmteam nach Italien geschickt, um dort ein Zigeunerdrama in möglichst "echter" Umgebung zu filmen. Zur selben Zeit macht eine richtige Räuberbande die Gegend unsicher. Während die Schauspieler drehen, bemächtigen die Räuber sich deren Zivilkleider und kommen so unbemerkt über die Grenze. Die Schauspieler werden im Gegenzug für die richtigen Räuber gehalten und von der Polizei festgenommen. Erst in letzter Minute klärt sich das Missverständnis, und die Schauspieler werden vor Kerker und Galgen bewahrt. Danach zeigen wir das aktuelle Restaurierungsprojekt des Films DIE SUFFRAGETTE (Urban Gad, D 1913) der Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen, präsentiert von Annette Groschke. Asta Nielsen spielt in dem Film eine Frauenrechtlerin, die sich just in den Mann verliebt, der eigentlich ihr politischer Gegner ist. Der Film ist seit der Uraufführung im Lauf der Jahrzehnte zensiert und neu geschnitten worden, so dass viele Szenen des Kampfs um die Frauenrechte in den heute verfügbaren Verleihkopien verloren gingen. Anhand einer digitalen Arbeitskopie – die verloren geglaubte Szenen, wie z.B. die Zwangsernährung, enthält - wird gezeigt, wie bei der Restaurierung vorgegangen wird. (17.3.) Nur als kurzes Fragment vorhanden ist ASTA NIELSEN ALS MANNEQUIN, in dem Asta Nielsen in gewohnt hinreißender Manier einige extravagante Kostüme vorführt. DAS ESKIMOBABY (Walter Schmidthässler, D 1916) ist eine der bizarrsten Rollen Asta Nielsens. Sie spielt im Norwegerstricklook das Eskimokind, das der Forscher von seiner Reise ins deutsche Kaiserreich mitbringt. Doch das ethnographische Schauobjekt bringt bald die Gelehrtenstube und die Berliner Gesellschaft durcheinander. (18.3.) NACH DEM GESETZ (Willy Grunwald, D 1919) zeigt Asta Nielsen als Journalistin, die einer segensreichen Medizin zum Durchbruch verhelfen will. Weil die Mittel fehlen, beschließt sie, aus guten humanitären Gründen zu morden: Sie tötet einen skrupellosen Wucherer, um an sein Geld zu kommen. Gewissensqual treibt sie schließlich in die Arme des Gesetzes, und wie eine Märtyrerin nimmt sie den Schuldspruch entgegen. (19.3.) DAS ENDE VOM LIEDE (Willy Grunwald, D 1919) "hat den Vorzug, Asta Nielsen erscheinen zu lassen, die noch einmal beweist, dass ihr ein schwaches Manuskript nichts anhaben kann", hieß es in einer zeitgenössischen Kritik. Aus Enttäuschung über ihren Verlobten geht die Tochter aus reichem Hause eine unglückliche Verbindung ein. Das Unglück nimmt seinen Lauf – als sie sich endlich doch zu ihrer wahren Liebe bekennt, ist es zu spät. Zuvor zeigen wir STEUERMANN HOLK (Ludwig Wolff, D 1920), von dem nur ein kurzes Fragment erhalten ist. Asta Nielsen spielt als Isabella Bouflon die verführerische und treulose Geliebte des Steuermanns Holk (Paul Wegener), die ihn in den Tod treibt. (21.3.) In DER REIGEN (Richard Oswald, D 1920) verkörpert Asta Nielsen Elena, eine im Leben gestrauchelte junge Frau. Früh hat sie die Mutter verloren und wird später von der Stiefmutter aus dem Haus geworfen. Sie ist in ihren Klavierlehrer verliebt, der aber so arm ist, dass er sie nicht heiraten kann. Schließlich gerät sie an den verkommenen Peter Karvan (Conrad Veidt), der aus ihr eine Tingeltangel-Sängerin macht. Von Lebensekel erfasst, macht sie seinem und ihrem Leben ein Ende. (22.3.) Von Asta Nielsen selbst produziert wurde HAMLET (Svend Gade & Heinz Schall, D 1920), eine freien Adaption der Saga und des Shakespeare-Dramas. Sie spielt eine dänische Prinzessin, die als Knabe verkleidet sich als Prinz Hamlet ausgibt. Nach dem Tod des Königs kommt es zu einem höfischen Intrigenspiel und "Hamlet" sinnt auf Rache, die auch für sie tödlich endet. "Der seelenvolle Blick, die schlanke Gestalt, ihre seltsame, kultivierte Bleichheit machte Asta Nielsen in Vollendung zu Shakespeares dänischem Prinzen – genau so, wie wir diesen Prinzen sehen wollten." (Lotte H. Eisner) Wir zeigen HAMLET in einer restaurierten und viragierten Kopie mit einer von Michael Riessler im Auftrag von ZDF/ARTE geschriebenen und letztes Jahr während der Berlinale uraufgeführten Musik. (23.3.) VANINA (Arthur von Gerlach, D 1922) basiert auf der Novelle "Vanina Vanini" von Stendhal. Vanina ist die Tochter des tyrannischen Gouverneurs von Turin – in einem romantischen Turin vor hundert Jahren, durch dessen Gassen sich die Revolutionäre wälzen. Die Aufständischen werden angeführt von Octavio, der das Schloss des Gouverneurs einnimmt. Als er und Vanina sich begegnen, ist es Liebe auf den ersten Blick. Der Gouverneur lässt den Aufstand niederschlagen. Um den Geliebten zu retten, bittet Vanina den Vater, ihn heiraten zu dürfen. Der Vater stimmt zu, nur um am nächsten Tag in größter Grausamkeit den künftigen Schwiegersohn zum Henker zu führen. (23.3.) DER FREMDE VOGEL (Urban Gad, D 1911) wurde von der "Vossischen Zeitung" folgendermaßen lakonisch zusammengefasst: "Der "fremde Vogel" ist eine junge Dame, die mit dem Vater und einem angehenden Liebhaber im Spreewald erscheint, sich dort in einen jungen Fischerburschen verliebt, infolgedessen dem anderen Jüngling den Laufpass gibt und, als sie zur Verlobung gezwungen werden soll, mit dem Fischer auf einem Nachen durchgeht; Verfolgung zu Wasser, Flucht des Liebespaares ins Waldesdickicht, weiter Flucht des jungen Mädchens allein, plumps ins Wasser, tot, Leichenbegängnis." Dazu zeigen wir DER TOTENTANZ (Urban Gad, D 1912), der ein verzweifeltes Hin- und Hergerissensein zwischen Leidenschaft für die Kunst und dem Leben und der bürgerlichen Ehe und Treue schildert, das schließlich in einem zerstörenden und zugleich befreienden Mordakt endet. (27.3.) In DER ABSTURZ (Ludwig Wolf, D 1922) spielt Asta Nielsen eine schöne, glänzende Schauspielerin, die aber im Leben schon einiges durchgemacht hat, als sie sich in einen jungen Fischer verliebt. Ihretwegen gerät dieser unter Mordverdacht und wird für zehn Jahre ins Zuchthaus gesteckt. Sie verspricht ihm, auf ihn zu warten, und zehn Jahre lang träumt er im Gefängnis von seiner schönen Geliebten. In den zehn Jahren ist sie aber gealtert und hässlich geworden, und als er entlassen wird, läuft er an ihr, die vor dem Gefängnistor wartet, vorbei, ohne sie zu erkennen. Asta Nielsen bricht zitternd zusammen, und "wir sehen eine Seele sterben". (Béla Balázs) (31.3.) Alle Filme werden mit Musikbegleitung zu sehen sein. Es spielen Maud Nelissen und die Asta Harmonists, Eunice Martins, Peter Gotthardt, Jürgen Kurz, John Blue und Tim Blue. Special Presentation: Vaginal Davis. Die Reihe wird im April mit weiteren Aufführungen fortgesetzt. Gefördert durch den Hauptstadtkulturfonds. Wir danken der Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen, dem Frauenreferat der Stadt Frankfurt am Main, dem Filmmuseum München, dem Internationalen Frauenfilmfestival Dortmund | Köln, Det Danske Filminstitut, Kopenhagen, dem Filmarchiv Austria, Wien, dem Bundesarchiv – Filmarchiv Berlin/Koblenz, dem Filmmuseum Amsterdam, der Friedrich-Wilhelm-Murnau- Stiftung, Wiesbaden, der Cinémathèque Royale de Belgique, Brüssel, dem Deutschen Filminstitut DIF – e.V., ZDF/ARTE, dem Gosfilmofond, der Filmoteca Española, Nederlands Fonds voor Podiums Kunsten, Den Haag, dem Hebbel am Ufer.
Unser besonderer Dank für diese Retrospektive gilt der Kinothek Asta Nielsen, Karola Gramann und Heide Schlüpmann.