KUCHIZUKE (Der Kuss, 1957), Masumuras Debütfilm, erzählt eine zarte Liebesgeschichte und ist ein wichtiger Vorläufer für die japanische Neue Welle. Masumura erzählt von jungen Menschen, die in ihrem Bedürfnis nach Freiheit ziellos zwischen der japanischen und der westlichen Kultur hin- und herschwanken und auf der Suche nach dem Platz in ihrem Leben sind. Kinichi und Akiko, die zwei Protagonisten, lernen sich kennen, als sie ihre Väter im Gefängnis besuchen. Fortan ziehen sie zusammen mit dem Motorrad durch die Straßen und versuchen, bei einem Rennen etwas Geld zu gewinnen, um die Kaution für Akikos Vater bezahlen zu können. Ein so ungestümes wie zärtliches Gedicht einer Jugend, die gegen den starren Konformismus der 50er Jahre rebelliert, und ein genau beobachtetes Bild des japanischen Alltagslebens. Masumuras Inszenierung verströmt den Atem von jugendlichem Lebenshunger und Unbeschwertheit. (2. & 5. & 16.4.) DANRYU (Warme Meeresströmung, 1957) basiert auf einem Roman von Kunio Kishida, ein Krankenhausmelodram um Liebe und Selbstaufopferung unter Ärzten und Schwestern. 1939 gab es schon einmal eine Verfilmung des Stoffes, der Masumura eine radikal neu verortete Modernität und Beschleunigung entgegensetzt. "Das Tempo ist erneut der Schlüssel: Wenn Mehrhabende und Wohlgestellte durch die Szenen preschen und zwischen Artefakten aus Amerika und Europa verstörend offenherzig ihre Sätze rattern, dann wirkt einst Delikates gleich absurd. Die Arbeit mit Sprache ist hier zentral: DANRYU überraschte 1939 u.a. durch die Verwendung einer zarten Damensprache – während bei Masumura Sätze wie 'Ich wart' auf dich, egal ob du mich zur Geliebten machst oder als Mätresse hältst!' quer über den brodelnden Bahnsteig geschrieen werden." (Rui Hortensio da Silva e Costa) (4. & 8. & 17.4.) KYOJIN TO GANGU (Giganten und Spielzeuge, 1958) ist eine bonbonbunte und schrille Komödie über den wahnwitzigen Kapitalismus, seinen Zynismus und die damit verbundenen unvermeidlichen Opfer. In Tokio herrscht ein harter Konkurrenzkampf zwischen drei großen Süßwarenherstellern, die mit wechselseitigen Sonderangeboten um ihre Kundschaft buhlen. Die Werbeabteilungen der drei Konzerne World, Giant und Apollo planen jeweils spektakuläre Werbemaßnahmen und schrecken vor keinen schmutzigen Tricks zurück, um die Strategien der Gegner herauszufinden und zu vereiteln. Wenn nötig und der Sache dienlich, werden auch Freunde oder Verwandte hintergangen und verraten. 1958 war der Wiederaufbau Japans nach der Kriegsniederlage weitgehend abgeschlossen, und die Wirtschaft erlebte einen außerordentlichen Aufschwung. Das Unbehagen an der aufkommenden Konsumgesellschaft veranlasste Masumura zu diesem selbstironischen Rundumschlag gegen die moderne japanische Gesellschaft. "Auf den ersten Blick scheint der Alltag des Japaners ruhig und gemütlich zu ein, doch in Wirklichkeit besteht er nur aus Arbeit, seit unser Land von einer Konsumwelle überschwemmt wird. Seit dem Beginn der modernen Konsumkultur herrscht in Japan ein geradezu aberwitziger Boom … Alles läuft auf Hochtouren, und Opfer sind dabei unvermeidlich." (Yasuzo Masumura) (7. & 13. & 18.4.) TSUMA WA KOKUHAKU SURE (Eine Ehefrau gesteht, 1961) bearbeitet das Thema einer Dreieckskonstellation auf ungewöhnliche Weise: Eine Frau findet sich in Bergnot zwischen ihrem älteren Ehemann und ihrem Geliebten hängend wieder. Damit nicht alle drei abstürzen, muss sie einen der beiden losschneiden und somit in den sicheren Tod schicken. Vor Gericht muss sie ihre Wahl rechtfertigen und begründen. "Wenn sich Frauen bei Masumura Yasuzo zwischen Pflicht und Selbsterfüllung entscheiden müssen, dann tun sie dies stets für Letzteres; Selbsterfüllung in der Pflicht gibt es bei ihm nicht. Stattdessen vollzieht TSUMA WA KOKUHAKU SURE nach, woraus dieser Sekundenbruchteil beschaffen ist, in dem die Frau instinktiv ihre Entscheidung trifft. Erinnerungskurzschlüsse und -splitterstürme, Ellipsenabgründe: ein modernistisches Puzzle zwischen Resnais und Antonioni, voll im Zeitgeist und erzählerisch mit wenig anderem im Schaffen Masumuras vergleichbar. Aber vielleicht der Schlüssel dazu." (Rui Hortensio da Silva e Costa) (9. & 19. & 22.4.) KURO NO TEST CAR (Der schwarze Testwagen, 1962) ist ein kühl und elegant inszenierter Thriller um Industriespionage zwischen zwei konkurrierenden Autoherstellern. Um Yamamoto Motors Marktanteile abzutrotzen, beschließen die Entwickler von Tiger Motors, statt Familienautos einen schnittigen Sportwagen anzubieten. Als dieser bei einer Testfahrt in Flammen aufgeht, ist die Vorstandsetage alarmiert: Die Konkurrenz wusste offensichtlich von den Plänen. Ein Gegenspion muss auf Yamamato Motors angesetzt werden. Dieser findet sich bald in einem Netz aus Machtgier und Korruption gefangen. Masumura zeigt den Kampf um die Vorherrschaft im Automarkt als überhitzten Raubtier-Kapitalismus in einer völlig entfesselten Form, der seine Vollstrecker zu skrupellosen Charakteren macht, und offenbart damit seine höchst desillusionierende Sicht auf die Menschen und die Gesellschaft. (11. & 20. & 25.4.) SEISAKU NO TSUMA (Seisakus Ehefrau, 1965) ist ein wildes Melodram um Liebe, Leidenschaft und Krieg. Die Protagonisten der Anfang des 20. Jahrhunderts angesiedelten Handlung sind Okane und Seisaku, zwei höchst gegensätzliche Menschen. Seisaku kommt gerade vom Militär zurück und ist in seinem Dorf ein Held und Vorzeigepatriot. Okane hingegen ist eine Außenseiterin. Aus einer armen Familie stammend, wurde sie an einen alten Mann verkauft. Als dieser stirbt, kehrt sie in ihr Heimatdorf zurück. Gegen den Widerstand des ganzen Dorfes entbrennen die beiden in leidenschaftlicher Liebe zueinander, und Okane schreckt auch vor dem Ungeheuerlichen nicht zurück, um ihr Glück gegen den Ansturm des Krieges zu verteidigen. "Das Schwarz-weiß ist entsprechend der Düsternis jener Leben undurchdringlich harsch, während die Bilder allein Begrenzungen sind – keine Weite. Lebenshunger und Todestrieb, Geilheit und Frust, (Er)Schöpfung und (Ver)Blendung werden auf eine finster-sardonische, schließlich existenziell traurige Weise eins. So war das 20. Jahrhundert." (Rui Hortensio da Silva e Costa) (21. & 25. & 26.4.) Ein düsteres und schonungsloses Bild von der Kriegsfront zeigt Masumura in AKAI TENSHI (Der rote Engel, 1966). Nishi ist Krankenschwester in einem Armeelazarett in China. Nachts wird sie von den Soldaten vergewaltigt, tagsüber muss sie bei Amputationen assistieren, die die ärztliche Antwort auf alle Arten von Verletzungen sind. Wer halbwegs genesen ist, muss sofort zurück an die Front, während die Schwerverletzten nicht nach Hause dürfen, um die Moral der Bevölkerung nicht zu erschüttern.Trotz dieser Umstände bleibt Nishi der Inbegriff der Barmherzigkeit: für eine Bluttransfusion geht sie mit einem Arzt ins Bett, aus Mitleid mit einem Armlosen, der sich danach umbringt. Ihre Nächstenliebe kollidiert aufs Schrecklichste mit der Drastik des Krieges, der nur Zerstörung und Vernichtung kennt. (14. & 23. & 29.4.) HANAOKA SEISHU NO TSUMA (Die Frau des Seishu Hanaoka, 1967) erzählt die konkurrierende Liebe zweier Frauen – Mutter und Ehefrau – um einen Mann. Die Geschichte ist zum Ende der Edo-Epoche angesiedelt und der titelgebende Seishu Hanaoka ist ein ambitionierter Mediziner, der 1805 die erste Brustkrebsoperation weltweit durchführen wird. Seine Mutter sucht ihm während des Studiums eine Frau aus: Kae, die fortan mit der Schwiegermutter in Harmonie zusammenlebt. Als der Sohn vom Studium nach Hause zurückkehrt, ändert sich dies: Beide Frauen buhlen immer unverhohlener um seine Liebe, und er, ganz in seiner Forschung versunken, merkt davon nichts. Als er ein Betäubungsmittel gefunden hat, bieten sich ihm beide in bedingungsloser Liebe als Testpersonen an. "Ein wunderschön gewobenes Melodram vom selbstlosen und -süchtigen Lieben, voll heftiger Naturalismen und hysterischer Höhen in der Regie." (Rui Hortensio da Silva e Costa) (15. & 27. & 28.4.) Mit Dank an das Österreichische Filmmuseum, die Japan Foundation und Kadokawa Pictures.