Im einmal mehr weltumspannenden Forum stehen Filme aus Korea und den USA, Rumänien und den Niederlanden, Schweden und der Türkei und nicht zuletzt aus Deutschland exemplarisch für die Lust, Geschichten aus dem sozialen und emotionalen Nahbereich zu erzählen. Diese Filme sondieren vertrautes Terrain und entdecken im sicheren Boden feine Risse und Brüche, die den "kleinen Geschichten" existenzielle Dringlichkeit geben. Drei unabhängige US-Produktionen werden im Forum 2009 als Weltpremieren zu sehen sein. Andrew Bujalskis BEESWAX entdeckt in den Gesten, Redensarten und Requisiten des Alltags kleine Dramen von erstaunlicher kinematografischer Qualität. Wo sich Bujalski für die Untiefen der mündlichen Kommunikation interessiert, umgibt Matthew Hysell seine Protagonisten in MARIN BLUE mit einer rätselhaften Stille, der Ahnung von einer traumatischen Vergangenheit. In der ratlosen Leere der Vorstadtarchitektur von Los Angeles suchen sie eine vorübergehende Behausung und warten auf die Rückkehr der Erinnerung. Auch THE EXPLODING GIRL von Bradley Rust Gray ist ein leise inszeniertes emotionales Drama. In den Sommerferien entdecken Ivy und Al, dass sie von "besten Freunden" zu Liebenden werden könnten. Aber gerade ihre Vertrautheit steht auf einmal wie eine Barriere zwischen ihnen.
So Yong Kim erzählt in der US-Produktion TREELESS MOUNTAIN die Geschichte zweier Schwestern, die im jüngsten Kindesalter mit einer Welt konfrontiert werden, die sie nicht verstehen und in der sie nicht willkommen sind. TREELESS MOUNTAIN ist in Südkorea entstanden und zählt damit zu einer ganzen Reihe von Filmen im diesjährigen Programm, die von einem Land erzählen, dem nach einer Phase der Prosperität härtere Zeiten bevorstehen. Elegant wie MY DEAR ENEMY von Lee Yoon-Ki mit der herausragenden Hauptdarstellerin Jeon Do-Yeon, existenziell und subtil wie die Debüts MEMBERS OF THE FUNERAL von Baek Seung-Bin und als Weltpremiere THE DAY AFTER von Lee Suk-Gyung, wortlos karg wie LAND OF SCARECROWS von Roh Gyeong-Tae – das koreanische Kino, das Skeptiker bereits im Sog der Krise sahen, zieht in diesen Filmen alle Register und erweist sich als sensibler Seismograf für die Sehnsüchte, die im Dunkeln bleiben, wenn es allen scheinbar blendend geht.
In die Reihe erzählerisch dichter und stilistisch reifer Debütfilme gehört auch Esther Rots' KANN DOOR HUID HEEN, das Psychogramm einer jungen Frau, die verbissen versucht, mit ihren Traumata fertig zu werden. Einen ganz anderen Akzent setzt das niederländische Kino mit Eugenie Jansens CALIMUCHO. Eine Saison lang reiste die Regisseurin mit einem kleinen Wanderzirkus durch die Provinz und inszenierte eine fiktive Geschichte, in der sich alle mehr oder weniger selbst spielen. Komplettiert wird das niederländische Trio durch das Regiedebüt WINTERSTILTE von Sonja Wyss, die in ihrer Schweizer Heimat eine archaische Geschichte von sexuellem Erwachen und religiöser Mystik erzählt. In einer überrealen Welt fühlt sich auch Delia, die in Radu Judes Spielfilmdebüt THE HAPPIEST GIRL IN THE WORLD ein Auto gewinnt und als Gegenleistung in einem Werbespot das "glücklichste Mädchen der Welt" geben soll. Der Drehtag wird in diesem treffsicheren Film zu einem Crashkurs im Erwachsenwerden.
Eine Reihenhaussiedlung in Schweden ist Schauplatz von MAN TÄNKER SITT (Burrowing), dem Regiedebüt von Fredrik Wenzel und Henrik Hellström, die in der Totenstille der Provinz eine rätselhaft schöne und betörend traurige Geschichte finden, die aus der nahen Zukunft zu kommen scheint. Der in klassischem Schwarzweiß gehaltene Dokumentarfilm H:R LANDHÖVDING (Mr Governor) von Måns Månsson führt den Arbeitsalltag des Gouverneurs von Uppsala vor und trotzt der Reihung mit symbolischen Gesten ausgefüllter repräsentativer Auftritte subtilen Witz und Situationskomik ab.
In seiner Groteske HAYAT VAR (My Only Sunshine) erzählt der türkische Regisseur Reha Erdem von der 14-jährigen Hayat, die an der Peripherie von Istanbul ein Haus am Wasser bewohnt. Der Vater schlägt sich mit illegalen Geschäften durch; das Asthma des Großvaters und die Übungsflüge der Militärmaschinen geben den Ton an. Bis Hayat zum Befreiungsschlag ausholt.
Der deutsche Film ist im diesjährigen Forum vor allem mit dokumentarischen Arbeiten vertreten. Ulrike Ottingers DIE KOREANISCHE HOCHZEITSTRUHE ergänzt den Korea-Schwerpunkt dieses Jahres um die genaue Beobachtung des Spagats, den die Bewohner der Megastadt Seoul zwischen Tradition und Moderne machen. In MATERIAL montiert Thomas Heise Szenen der Wende von 1989 zu einem faszinierenden Geschichtspanorama. Hans-Christian Schmid, dessen neuer Spielfilm Sturm im Wettbewerb der Berlinale zu sehen sein wird, beobachtet in DIE WUNDERSAME WELT DER WASCHKRAFT die Dynamik des deutsch-polnischen Grenzverkehrs. Harun Farockis ZUM VERGLEICH ist eine Studie verschiedener Techniken der Ziegelherstellung, vom handgeformten Lehmziegel bis zum Präzisionsbaustein als Hightech-Produkt. Als einzigen deutschen Spielfilm zeigen wir in diesem Jahr Sebastian Schippers MITTE ENDE AUGUST. Marie Bäumer, Milan Peschel, Anna Brüggemann und André Hennicke spielen die Hauptrollen in dieser lyrischen, frei fließenden Adaption von Goethes "Wahlverwandtschaften"; Vic Chesnutt steuerte die begnadete Filmmusik bei. Gewiss ein Höhepunkt in einem reichen und abwechslungsreichen Forumsprogramm.
(Christoph Terhechte)
So Yong Kim erzählt in der US-Produktion TREELESS MOUNTAIN die Geschichte zweier Schwestern, die im jüngsten Kindesalter mit einer Welt konfrontiert werden, die sie nicht verstehen und in der sie nicht willkommen sind. TREELESS MOUNTAIN ist in Südkorea entstanden und zählt damit zu einer ganzen Reihe von Filmen im diesjährigen Programm, die von einem Land erzählen, dem nach einer Phase der Prosperität härtere Zeiten bevorstehen. Elegant wie MY DEAR ENEMY von Lee Yoon-Ki mit der herausragenden Hauptdarstellerin Jeon Do-Yeon, existenziell und subtil wie die Debüts MEMBERS OF THE FUNERAL von Baek Seung-Bin und als Weltpremiere THE DAY AFTER von Lee Suk-Gyung, wortlos karg wie LAND OF SCARECROWS von Roh Gyeong-Tae – das koreanische Kino, das Skeptiker bereits im Sog der Krise sahen, zieht in diesen Filmen alle Register und erweist sich als sensibler Seismograf für die Sehnsüchte, die im Dunkeln bleiben, wenn es allen scheinbar blendend geht.
In die Reihe erzählerisch dichter und stilistisch reifer Debütfilme gehört auch Esther Rots' KANN DOOR HUID HEEN, das Psychogramm einer jungen Frau, die verbissen versucht, mit ihren Traumata fertig zu werden. Einen ganz anderen Akzent setzt das niederländische Kino mit Eugenie Jansens CALIMUCHO. Eine Saison lang reiste die Regisseurin mit einem kleinen Wanderzirkus durch die Provinz und inszenierte eine fiktive Geschichte, in der sich alle mehr oder weniger selbst spielen. Komplettiert wird das niederländische Trio durch das Regiedebüt WINTERSTILTE von Sonja Wyss, die in ihrer Schweizer Heimat eine archaische Geschichte von sexuellem Erwachen und religiöser Mystik erzählt. In einer überrealen Welt fühlt sich auch Delia, die in Radu Judes Spielfilmdebüt THE HAPPIEST GIRL IN THE WORLD ein Auto gewinnt und als Gegenleistung in einem Werbespot das "glücklichste Mädchen der Welt" geben soll. Der Drehtag wird in diesem treffsicheren Film zu einem Crashkurs im Erwachsenwerden.
Eine Reihenhaussiedlung in Schweden ist Schauplatz von MAN TÄNKER SITT (Burrowing), dem Regiedebüt von Fredrik Wenzel und Henrik Hellström, die in der Totenstille der Provinz eine rätselhaft schöne und betörend traurige Geschichte finden, die aus der nahen Zukunft zu kommen scheint. Der in klassischem Schwarzweiß gehaltene Dokumentarfilm H:R LANDHÖVDING (Mr Governor) von Måns Månsson führt den Arbeitsalltag des Gouverneurs von Uppsala vor und trotzt der Reihung mit symbolischen Gesten ausgefüllter repräsentativer Auftritte subtilen Witz und Situationskomik ab.
In seiner Groteske HAYAT VAR (My Only Sunshine) erzählt der türkische Regisseur Reha Erdem von der 14-jährigen Hayat, die an der Peripherie von Istanbul ein Haus am Wasser bewohnt. Der Vater schlägt sich mit illegalen Geschäften durch; das Asthma des Großvaters und die Übungsflüge der Militärmaschinen geben den Ton an. Bis Hayat zum Befreiungsschlag ausholt.
Der deutsche Film ist im diesjährigen Forum vor allem mit dokumentarischen Arbeiten vertreten. Ulrike Ottingers DIE KOREANISCHE HOCHZEITSTRUHE ergänzt den Korea-Schwerpunkt dieses Jahres um die genaue Beobachtung des Spagats, den die Bewohner der Megastadt Seoul zwischen Tradition und Moderne machen. In MATERIAL montiert Thomas Heise Szenen der Wende von 1989 zu einem faszinierenden Geschichtspanorama. Hans-Christian Schmid, dessen neuer Spielfilm Sturm im Wettbewerb der Berlinale zu sehen sein wird, beobachtet in DIE WUNDERSAME WELT DER WASCHKRAFT die Dynamik des deutsch-polnischen Grenzverkehrs. Harun Farockis ZUM VERGLEICH ist eine Studie verschiedener Techniken der Ziegelherstellung, vom handgeformten Lehmziegel bis zum Präzisionsbaustein als Hightech-Produkt. Als einzigen deutschen Spielfilm zeigen wir in diesem Jahr Sebastian Schippers MITTE ENDE AUGUST. Marie Bäumer, Milan Peschel, Anna Brüggemann und André Hennicke spielen die Hauptrollen in dieser lyrischen, frei fließenden Adaption von Goethes "Wahlverwandtschaften"; Vic Chesnutt steuerte die begnadete Filmmusik bei. Gewiss ein Höhepunkt in einem reichen und abwechslungsreichen Forumsprogramm.
(Christoph Terhechte)