Bauhaus und Politik – Kontext und Reformbewegung (7.4.)
Die sozialen Ideen des Bauhauses wurden aus der Novemberrevolution 1918 gespeist. Das Bauhaus mit seinen Überzeugungen gilt als die einzige konkrete Materialisierung der Ideen des Berliner "Arbeitsrates für Kunst", dem auch Walter Gropius und Bruno Taut angehörten. Das umfassende Konzept des "neuen Menschen" fand auch bei reformorientierten politischen Gruppierungen ein Echo. DAS ZWEITE INTERNATIONALE SOZIALISTISCHE JUGENDTREFFEN IN WIEN 12. BIS 14. JULI 1929 (A 1929, Tonfassung 1979), gedreht von dem Architekten Adolf Loos, mit Josef Ambor und Hans Glück, ist ein engagierter PR-Film der Sozialdemokratie: Sportfeste, Wettkämpfe, Zeltlager, Begegnungen. Die Chiffren des Aufbruchs in eine neue Welt finden hier zusammen: die trainierten Körper, das Völkerverbindende, die Fahnenvielfalt, das Gemeinschaftserlebnis, die fließenden Grenzen zwischen Elite und Basis, der Glaube an die eigene Kraft, das Greifbare der Zukunft. Walter Ruttmanns und Julius Pinschewers Trickfilm DER AUFSTIEG (D 1926) wirbt in rasant wechselnden, z.T. abstrakten Formen für die Düsseldorfer Ausstellung GESOLEI (Gesundheitspflege, Soziale Fürsorge, Leibesübungen), deren Themen eng mit den Reformbestrebungen des modernen Urbanismus verbunden sind. Die Architekten Maximilian von Goldbeck und Erich Kotzer entwerfen in DIE STADT VON MORGEN – EIN FILM VOM STÄDTEBAU (D 1930) erstmals eine funk tional gegliederte Stadt und formulieren Grundprinzipien des modernen Städtebaus. Am Modell einer gedachten, in Trickbildern und Realaufnahmen vorgestellten Stadt zeigen sie, wie unsere Städte sein könnten, wenn eine vorausschauende Planung ein organisches Wachsen nach dem idealen, funktionellen Stadtschema gewährleisten würde. Jean-Marie Straubs und Danièle Huillets EINLEITUNG ZU ARNOLD SCHÖNBERGS BEGLEITMUSIK ZU EINER LICHTSPIELSCENE (D 1972) kreist um ein inneres, nicht ohne weiteres darstellbares Zentrum: nämlich um die in der im Titel genannten Partitur Schönbergs aufgebrachte Beischrift "Drohende Gefahr, Angst, Katastrophe". Um diese der Musik eingeschriebene Erfahrung zu fassen, wird u.a. ein Brief Schönbergs an Kandinsky verlesen, in dem der Komponist eine Berufung an das Dessauer Bauhaus aufgrund zunehmender antisemitischer Tendenzen in Deutschland ablehnt. Walter Heges DIE BAUTEN ADOLF HITLERS (D 1938) zeigt, dass das Bauhaus in der Nazizeit als Schimpfwort und abzulehnende "entartete" Kunst gilt. Martin Engelhardts BAUHAUS DESSAU 1926–1932 (DDR 1989) entstand ganz am Ende der DDR-Zeit, deren offizielle Stellen zeitweilig eine recht zwiespältige Position zum Bauhaus unterhalten hatten.
Ella Bergmann-Michel – soziale Ethik und Radikalität (8.4.)
Ella Bergmann-Michel und ihr Mann Robert Michel studieren 1918 in Weimar an der Großherzoglich-Sächsischen Hochschule für bildende Kunst und Kunstgewerbe, dem Vorläufer des Bauhauses. Als Robert nach einer Auseinandersetzung mit den Professoren der Schule verwiesen wird, arbeitet das Paar von nun an ("seit dem Revolutionswinter") freischaffend in Weimar. Die Michels sind Pioniere der Bildcollage. Obwohl es zahlreiche Kontakte zum neu begründeten Bauhaus gibt und Walter Gropius Gemälde der Michels auf Bauhaus-Empfängen ausstellt, kehren sie nicht mehr in die Lehranstalt zurück. Die Nähe ihrer Arbeiten zu den Kunstauffassungen des Bauhauses lässt sich aber nicht leugnen. Bei der Werkbundausstellung "Die Wohnung" 1927 dekoriert der Architekt Mart Stam seine Wohnbauten in der Stuttgarter Weißenhofsiedlung mit abstrakten Bildern von Ella. Das Künstlerpaar war 1920 nach Frankfurt a.M. umgesiedelt, wo Ella – neusachlich nur EBM genannt – neben der Malerei den Filmklub "Bund Das Neue Frankfurt" leitet und bald auch eigene Kurzfilme realisiert, die sie selbst entwickelt. Die Thematiken ihrer Filme radikalisieren sich kontinuierlich und können wie ein Lackmuspapier der politischen Stimmung ihrer Zeit gelesen werden. WO WOHNEN ALTE LEUTE? (D 1931) zeigt ein sozial engagiertes Seniorenwohnheim in modernster lichtdurchfluteter, funktionaler Architektur. ERWERBSLOSE KOCHEN FÜR ERWERBSLOSE (D 1932) schildert ohne süßliches Mitleid eine Selbsthilfeaktion von Arbeitslosen. FLIEGENDE HÄNDLER (D 1932) begleitet solidarisch eine illegale Arbeitslosenselbsthilfe, eine Form des subversiven Widerstands: Als ambulante Händler verkaufen sie auf der Straße Fallobst, stets auf der Flucht vor der Obrigkeit. Die Kamera steigt nun in ein Karussell ein: Der Horizont verschwimmt, die gewohnte Ordnung löst sich auf, eine Ahnung von der Labilität der Zustände entsteht. WAHLKAMPF 1932 (LETZTE WAHL) (D 1932) protokolliert nüchtern die zunehmende Aggressivität, Lähmung und Polarisierung des öffentlichen Lebens in der Endphase der Weimarer Republik. Am Wahltag sind die Straßen in sich gegenüberstehende politische Lager geteilt, in Hakenkreuz- bzw. rote Fahnen. In der Nazizeit erhalten die Michels Berufsverbot und ziehen sich mit einer Fischzucht in die innere Emigration“ zurück. In MEIN HERZ SCHLÄGT BLAU (D 1989) porträtieren Jutta Hercher und Maria Hemmleb die Bauhauskünstlerin Ella Bergmann-Michel fachkundig und inspiriert und betonen insbesondere den Zusammenhang ihrer Kunst mit den politischen Zeitentwicklungen. (Thomas Tode) Die von Thomas Tode kuratierte Reihe wurde erstellt im Auftrag des Kommunalen Kinos mon ami Weimar und der Bauhaus-Universität Weimar. Sie umfasst insgesamt zwölf Programme und wird im Juni weitergeführt. Dank an Edgar Hartung. Vom 23. bis zum 25.4. finden im Kino mon ami in Weimar die "studientage bauhaus & film" statt. Informationen unter www.monami-weimar.de.