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Len Lyes erster Film TUSALAVA (GB 1929), ein Pionier des experimentellen Animationsfilms, zielt darauf, niemals zuvor gesehene Kreaturen entstehen zu lassen, den "Anfang allen organischen Lebens" in Gestalt von mikroskopisch kleinen Fresszellen und Antikörperchen. Der Klassiker des Surrealismus UN CHIEN ANDALOU (F 1928) von Luis Buñuel und Salvator Dali, mit unvergesslichen enigmatischen Bildern: das Durchschneiden des Augapfels, die aufs Klavier gebundenen, von Jungpriestern gezogenen Maultiere, die machtlose Hand, abgehackt auf der Straße liegend, die im Türspalt eingeklemmte Hand, von den Ameisen der Schuld übersät. Man Rays L'ETOILE DE MER (F 1928) verfilmt mit z.T. bewusst unscharfen, verschwommenen Bildern ein Gedicht voll erotischer Phantasie von Desnos, mit dem Seestern als dem Symbol einer ozeanischen Liebe: Er muss sterben und vertrocknen wenn er auf den Sand der Außenwelt geworfen wird. James Sibley Watsons THE FALL OF THE HOUSE OF USHER (USA 1928) ist eine rein visuelle Interpretation von Poes Kurzgeschichte, konstruiert aus mehrfach übereinander belichteten Bildschichten und expressionistischen Dekors: Objekte gleiten durch den schwarzen Raum, Schauspieler durchschreiten die Szenerie auf unterschiedlichen Niveaus und lassen das Gefühl der Verfolgung visuell entstehen. Germaine Dulacs LA COQUILLE ET LE CLERGYMAN (F 1926) ist ein schonungsloser Angriff auf die Kirche mit freudscher Munition: Ein Kleriker wird von sexuellen Impulsen heimgesucht, die seine Religion ihm verbietet.
Bauhaus-Körper — nachprüfbare geometrische Formen (3.6.)
Der Tanz spielte am Bauhaus eine wichtige Rolle, dokumentierte er doch die Bemühung, die Einheit von Tanz, Kostüm und Musik in dieser Gattung zu realisieren. Statt irdischer Leidenschaft, wie sie im klassischen Ballett wie auch im Ausdruckstanz begegnete, sollte die Tanzkunst am Bauhaus anschaulich machen, was in Maß und Zahl beschlossen liegt, getreu dem Motto: "Eine Form muss mit dem Zirkel nachprüfbar sein." OSKAR SCHLEMMER BÜHNENBALLETT (D 1926) zeigt eine kurze, beim Musikfest in Donaueschingen entstandene Groteske: Ein Verehrer mit Melone kredenzt der Frau im Tütenkostüm einen Blumenstrauß und wird von Abstraktem bedroht. Margarete Hastings rekonstruiert in MENSCH UND KUNSTFIGUR: OSKAR SCHLEMMER UND DIE BAUHAUSBÜHNE (D 1969) folgende Tänze Schlemmers: Metalltanz, Raumtanz, Formentanz, Gestentanz, Stäbetanz, Reifentanz, Kulissentanz, Baukastenspiel und Maskenchor. In John Halas' DAS TRIADISCHE BALLETT. EIN FILM IN DREI TEILEN NACH TÄNZEN VON OSKAR SCHLEMMER (D 1970) bewegen sich abstrakte Menschenfigurinen in strengen Gruppierungen mit eckigen und stakkatoartigen Bewegungen. Im Triadischen Ballett, dem Tanz der Dreiheit, soll laut Schlemmer die Planimetrie der Tanzfläche und die Geometrie des Raumes der sich bewegenden Körper jene Dimensionalität des Raumes erzeugen, die bei der Verfolgung elementarer Grundformen notwendigerweise entstehen muss. So wird der Tanz Sinnbild des Ausgleichs von Polaritäten. Das ursprünglich 1922 uraufgeführte Ballett wird in einer Rekonstruktion aus dem Jahr 1970 gezeigt. Außerdem Ausschnitte aus Kandinskys BILDER EINER AUSSTELLUNG in einer Aufführung der Mainzer Theatergruppe "Der rote Kreis" und Kurt Schmidts MECHANISCHES BALLETT (D 1923/87) in einer Aufführung des Düsseldorfers Theater der Klänge. Um einen Vergleich mit dem zeitgenössischen Ausdruckstanz zu ermöglichen, zeigen wir darüber hinaus Filme der Tanzschulen von MARY WIGMAN (D 1925) und RUDOLF VON LABAN (D 1929) und LOHELAND-METHODE IN ANNA HERMANN-SCHULE, CHARLOTTENBURG (3’-Ausschnitt aus Wilhelm Pragers Wege zu Kraft und Schönheit, D 1925) mit Atem-, Tanz- und Bewegungsübungen. Das zeitgleich zum Bauhaus gegründete Frauenbildungsinstitut Loheland bildete junge Frauen u.a. zu Gymnastiklehrerinnen aus, bot aber auch Werkstätten für eine Lehrlingsausbildung. In der dortigen Fotowerkstatt von Berta Günther wurde viel mit der Technik des Fotogramms gearbeitet, über die sich Moholy-Nagy dort 1921 informierte
Hans Richter — Absoluter Film im Bauhaus (4.6., mit einer Einführung von Ulrich Gregor)
Hans Richter studierte 1909 Malerei beim Vorläufer des Bauhauses, der Kunsthochschule in Weimar, in der Meisterklasse von Gary Melchers. 1930 hebt der Bauhausdirektor Hannes Meyer in einem Brief an den Dessauer Oberbürgermeister stolz hervor, dass man u.a. den Filmemacher Hans Richter als Gastdozenten habe verpflichten können. Richter zeigte im Juni 1930 an drei aufeinanderfolgenden Abenden Avantgarde-Filme. Mit Sicherheit waren darunter seine eigenen abstrakten Filme RHYTHMUS 21 (D 1921), RHYTHMUS 23 (D 1923) und der Film seines verstorbenen Freundes Viking Eggeling DIAGONAL SINFONIE (D 1923/24). Bezeugt werden diese Titel durch Kandinsky und Malewitsch. Als Kandinsky den Film von Eggeling sah, soll er gesagt haben: "Das hat er von mir abgeschaut!" Malewitsch reagiert auf Richters Rhythmus-Filme mit dem Verfassen eines Exposes für einen gemeinsamen "suprematistischen" Film mit dem Titel "Die Malerei und die Probleme der Architektur". Richter hat aber erst 1970 einige Bildteile dafür gedreht und das Projekt erneut abgebrochen. 1927 heiratet Richter die frühere Bauhausstudentin Erna Niemeyer, Schülerin von Johannes Itten, die bei Richters Projekt FILMSTUDIE (D 1928) aktiv mitarbeitet: Sie verbinden dort erstmals abstrakte Formen mit konkreten Naturobjekten, wie z.B. Ochsenaugen. Als Lebensgefährtin des todkranken Eggeling hatte Erna zuvor auch bereits die Diagonal Sinfonie zu Ende gezeichnet. Bald danach wird sie als Künstlerin und surrealistische Fotografin unter dem Namen Ré Soupault berühmt.
Werner Graeff, ein junger Schüler aus Doesburgs Klasse am Bauhaus, wird Richters treuer Schüler, Assistent und Freund. Er zeichnet 1922 eigene, erst in der Nachkriegszeit als Film realisierte Partituren: die mit farbigen Formen arbeitende FILMKOMPOSITION I/22 (D 1922/77) und die schwarz-weiße FILMKOMPOSITION II/22 (D 1922/59). Als Schauspieler wirkt Graeff in Richters VORMITTAGSSPUK (D 1928) mit, der den Aufstand der Dingwelt gegen den Menschen dadaistisch in Szene setzt. Auch seine anderen, bis 1930 fertiggestellten Avantgardefilme wird Richter im Bauhaus gezeigt haben: INFLATION (D 1928), RENNSYMPHONIE (D 1928), ALLES DREHT SICH, ALLES BEWEGT SICH (D 1929), ZWEIGROSCHENZAUBER ( D 1929). Zu Miklos Bandys und Stella Simons Experimentalfilm HÄNDE (F 1929) steuerte Richter einige Bilder bei. Zusätzlich zeigen wir Richters musikalisch montierten Film EUROPA RADIO (NL 1931), der im Auftrag von Philips für das neue Medium Radio warb.
Die von Thomas Tode kuratierte Reihe wurde erstellt im Auftrag des Kommunalen Kinos mon ami Weimar und der Bauhaus-Universität Weimar. Dank an Edgar Hartung.

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