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Wir beginnen die Reihe am 8.7. mit vier Kurzfilmen aus den Jahren 1955 bis 1969. EL MEGANO (Das Köhlerdorf, Julio García Espinosa, Tomás Gutiérrez Alea, C 1955) basiert auf den Berichten armer Köhler. Der in neorealistischer Optik aufgenommene Film endet, als die Revolte noch nicht sichtbar, aber intensiv spürbar ist. Der erste Versuch, die soziale Realität Kubas im Film wiederzugeben, wurde vom Batista-Regime beschlagnahmt, die Regisseure inhaftiert. POR PRIMERA VEZ (Zum ersten Mal, Octavio Cortázar, C 1967) ist ein Zeugnis der "audiovisuellen Alphabetisierung" Kubas in den 1960er Jahren: Cortázar hält die Vorführung eines mobilen Kinos in einem entlegenen Gebirgsdorf fest und zeigt die Reaktionen der Bewohner auf ihre erste Begegnung mit Film, Charlie Chaplins Modern Times. NOW! (Santiago Alvarez, C 1965) ist ein aus Standfotos zusammengesetzter Montagefilm über die Diskriminierung der Schwarzen in den USA, rhythmisch geschnitten nach dem gleichnamigen Lied. 79 PRIMAVERAS (79 Lenze, San-tiago Alvarez, C 1969) ist Ho Chi Minh, Revolutionär und Präsident der Demokratischen Republik Vietnam, gewidmet, der 1969 im Alter von 79 Jahren starb. Alvarez' "schönster, ergreifendster Kurzfilm ist auch sein poetischster." (Peter B. Schumann)
SOY CUBA (Michail Kalatosow, UdSSR/C 1964, 9. & 13.7.) Die Sowjetunion beauftragte für ihre erste Koproduktion mit Kuba Michail Kalatosow, ein Werk zu schaffen, das den Geist der Revolution atmet. Vier Teile, die nicht direkt miteinander verknüpft sind, lenken den Blick auf die wesentlichen Aspekte der kubanischen Revolution. Kalatosow gelang eine interessante Verschmelzung von Avantgarde und Pathos. Er arbeitete mit verzerrenden Linsen, extremen Blickwinkeln und Handkamera, um eine große Spannweite an Stimmungen auszudrücken.
O MAMUTE SIBERIANO – SOY CUBA (Das sibirische Mammut, Vicente Ferraz, Brasilien 2005, 12.7.) rekonstruiert die Geschichte der aufwendigsten und teuersten in Kuba entstandenen Filmproduktion: Soy Cuba. Die Dreharbeiten gestalteten sich problematisch. Weder ließ sich Kalatosow für einen Propagandafilm instrumentalisieren, noch funktionierte der Ideologieimport in ein Land, das sich aus eigener Kraft befreit hatte. Der fertig gestellte Film eignete sich nicht als sozialistisches Vorzeigeprodukt und geriet bald in Vergessenheit, bis Martin Scorsese ihn 1995 wieder an die Öffentlichkeit brachte.
LAS AVENTURAS DE JUAN QUINQUIN (Die Abenteuer des Juan Quinquin, Julio García Espinosa, C 1967, 16. & 18.7.) Juan Quinquin, ein junger Mann aus einfachen Verhältnissen, schlägt sich im vorrevolutionären Kuba durchs Leben: als Kirchendiener und Zirkuskünstler, Christusdarsteller, Stierkämpfer, Löwenbändiger und Kaffeebauer. Als er von den Plantagenbesitzern um seinen Lohn geprellt wird, schließt er sich einer Guerilla-Truppe an. Espinosa hat seinen Helden nicht als einen der üblichen Revolutionäre gezeichnet, er betont das Abenteuerliche der Geschichte und führt das Abenteuerkino gleichzeitig ad absurdum. Er schildert die Kämpfe der Revolutionäre im Stil turbulenter Western, bedient sich bei Slapstick-Comedies und benutzt gängige Klischees, um sie gleich darauf zu parodieren. Die Personen äußern sich gelegentlich durch Sprechblasen, und eingestreute Zwischentitel ironisieren den Fortgang der Handlung.
MEMORIAS DEL SUBDESARROLLO (Erinnerungen an die Unterentwicklung, Tomás Gutiérrez Alea, C 1968, 15. & 17.7.) "erzählt die Geschichte eines 38-jährigen Amateurschriftstellers im krisengebeutelten Havanna von 1961. Der Film ist wie ein essayistisches Tagebuch aufgebaut: Das aktuelle, fiktive Geschehen wird durch innere Monologe und Rückblenden kommentiert. Zwischendurch montiert Alea Dokumentaraufnahmen aus Havanna. Man spürt die Angst vor einem Krieg, aber auch den Aufbruchwillen der kubanischen Revolution. Sergio ist in dem politischen Durcheinander kein Sympathieträger und erst recht kein 'positiver Held', aber Alea schafft es trotz der Widersprüche, ihn zu einer schillernden Identifikationsfigur zu machen". (Dorothee Wenner)
LUCÍA (Humberto Solás, C 1968, 19. & 20.7.) Humberto Sólas' Langfilmdebüt schildert in drei Episoden wichtige Stationen der kubanischen Geschichte und erzählt zugleich vom Versuch der Selbstverwirklichung dreier Frauen. Im ersten Teil durchlebt eine Aristokratin Mitte des 19. Jahrhunderts eine romantische Liebe, die von der damaligen kubanischen Gesellschaft missbilligt wird. In der zweiten Episode wird Anfang der 1930er Jahre eine Frau aus dem Bürgertum durch die Liebe zu einem Revolutionär selbst zu einer Revolutionärin. Im dritten Teil kämpft in den 1960er Jahren eine junge Arbeiterin gegen den Widerstand ihres Ehemannes für ihre Emanzipation.
DE CIERTA MANERA (In gewisser Hinsicht, Sara Gómez, C 1974, 21.7.), ein Spielfilm mit dokumentarischem Charakter, der bis dato einzigen Filmemacherin Kubas, handelt vom schwierigen Transformationsprozess einiger Menschen aus der kubanischen "Randbevölkerung". Im Mittelpunkt steht eine Lehrerin und ihre Beziehung zu einem Arbeiter. Sie hat als Pädagogin große Schwierigkeiten mit einem Jungen, der aus komplizierten familiären Verhältnissen stammt. Ihr Freund, ein typischer Macho, sieht ihre Nöte nicht. "Das Meisterwerk der 70er Jahre. Sara Gómez konnte ihre ungewöhnliche Begabung nicht erneut beweisen: Sie starb, 30-jährig, noch vor Abschluss des Films." (Peter B. Schumann)
LA ULTIMA CENA (Das letzte Abendmahl, Tomás Gutiérrez Alea, C 1976, 22.7.) In seinem ersten Farbfilm berichtet Tomás Gutiérrez Alea vom Scheitern der Bemühungen eines frommen Zuckerplantagenbesitzers, Ende des 18. Jahrhunderts seine Sklaven im Geiste christlicher Caritas menschlich zu behandeln. Er versammelt in der Karwoche zwölf seiner geschundenen Sklaven zu einem symbolischen Abendmahl, wobei er selbst die Rolle eines christusgleichen Wohltäters einnimmt – eine Sequenz, die häufig mit Luis Buñuels Viridiana in Verbindung gebracht wurde.
CARTAS DEL PARQUE (Briefe aus dem Park, Tomás Gutiérrez Alea, C/E 1988, 23.7.) 1988 schrieb der Literaturnobelpreisträger Gabriel García Márquez für sechs Regisseure Geschichten aus seinem Werk in Drehbücher um. Die bekannteste der sechs Amores difficiles ist die Episode aus dem Roman Die Liebe in den Zeiten der Cholera, die den Stoff für CARTAS DEL PARQUE lieferte. Die romantische Liebesgeschichte spielt im Kuba des Jahres 1913. Juan und María verlieben sich ineinander. Ohne es zu wissen, offenbaren sie sich mit Hilfe desselben Schreibers, der vom Verfassen von Liebesbriefen lebt. Er dirigiert in dieser Rolle ein Spiel, das ihm entgleitet, als er sich mit eigenen Emotionen darin verstrickt.
ALICIA EN EL PUEBLO DE MARAVILLAS (Alicia am Ort der Wunder, Daniel Díaz Torres, C 1991, 24. & 27.7.) Alicia will sich als Theaterleiterin auf dem Land bewähren und gelangt nach Maravillas, einem kafkaesken Ort in der tiefsten Provinz. Hierher werden Genossen, die vom Pfad revolutionärer Tugend abkamen, verbannt, um in einem Sanatorium von ihrem "sozial auffälligen Verhalten" kuriert zu werden. Daniel Díaz Torres ließ mit seiner Satire konventionelle Erzählweisen hinter sich und schuf einen komischen Film von umfassender Systemkritik.
FRESA Y CHOCOLATE (Erdbeer und Schokolade, Tomás Gutiérrez Alea, Juan Carlos Tabío, C/E/MEX 1993, 25. & 28.7.) Diego und David lernen sich bei einem Eisbecher (Erdbeer und Schokolade) in einem Café in Havanna kennen. Diego, Künstler, schwul und systemkritisch, verliebt sich in den linientreuen Studenten David, der von einem Kommilitonen beauftragt wird, den "Abweichler" auszuspionieren … Der erste kubanische Film, der offen Homosexualität thematisierte, ist bis heute der weltweit größte Erfolg des kubanischen Kinos.
TROPICANITA (Kleines Tropikana, Daniel Díaz Torres, C/E/D 1997, 26. & 29.7.) Mit Hilfe von Rückblenden in vier Zeitebenen, umwerfenden Zufällen und unglaublichen Indizienreihen entwickelt Daniel Díaz Torres in der ersten (bundes)deutsch-kubanischen Koproduktion ein wahnwitziges Krimi-Konstrukt, das in seiner überspitzten Komplexität zur urkomischen Würdigung des Film noir wird. In wahnwitzigem Tempo spielt er mit Erwartungen und Sehgewohnheiten, macht sich im nächsten Moment über sie lustig und enthält am Schluss dem Zuschauer jegliche Gewissheit vor.
EL TELON DE AZUCAR (Hinter dem Zuckervorhang, Camila Guzmán Urzúa, C/E/F 2006, 30. & 31.7) Der Dokumentarfilm ist das Porträt jener Generation Kubaner, die in den 1970er Jahren eingeschult wurde. Mit dem Eintritt ins Erwachsenenalter ging nicht nur die Kinderperspektive verloren, sondern auch die Sicherheit durch die osteuropäischen Verbündeten des Landes. "Eine kollektive Autobiografie, geprägt durch ein außergewöhnliches Verhältnis des Politischen zum Privaten." (Stefanie Schulte Strathaus)

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