Eine große Entdeckung des diesjährigen Forum expanded ist das umfangreiche Werk des Malers, Fotografen, Filmemachers und Uhrensammlers Ludwig Schönherr, der seit den 1960er Jahren den formalen Film erforschte und nach dem Kauf seines ersten Schwarzweißfernsehers eine Serie "elektronischer Filme" herstellte. Sein bislang privat archiviertes Lebenswerk ist dem Super-8- und 16-mm-Film, dem Fernsehen und der Popkultur gewidmet. "Stupide Strukturen, glückliche Strukturen: Filme, Installationen und eine Ausstellung von Ludwig Schönherr", kuratiert von Marc Siegel, wird im Atelier Halle A/14 sowie im Filmhaus zu sehen sein.
Marie Losier greift die Idee des "Scopitones" auf, in dem man in den 1960er Jahren 16-mm-Vorläufer der Videoclips sehen konnte. In Holzkonstruktionen zeigt sie im Filmhaus lupenkleine musikalische Darbietungen von Genesis P'Orridge.
In der Galerie Haunch of Venison wird die Neufassung einer Arbeit des Videokünstlers Bill Viola zu sehen sein, die er erst durch die heutigen Möglichkeiten digitaler Projektion so zeigen kann, wie sie ursprünglich konzipiert und aufgenommen wurde (Hatsu-Yume / First Dream, 1981/2008). Katharina Sieverding (Galerie Thomas Schulte) und das kanadische Künstlerduo Lisa Steele und Kim Tomczak (Marshal McLuhan Salon) widmen sich dem Verhältnis von Fotografie und Bewegung.
Auch das Zelluloid wird zum Gegenstand genauer Betrachtung. Drei Performances und eine Installation arbeiten mit 16-mm- oder 35-mm-Filmformaten. Für die einen (Barbara Hammer, Wilhelm Hein /John & Tim Blue) ist es eine Rückkehr zum Material und zur Körperlichkeit des Films, für die anderen (Guillaume Cailleau & Benjamin Krieg, Jennifer Reeves) eine Entscheidung inspiriert durch die Fragilität des Filmmaterials und sein zunehmendes Verschwinden. Reeves' 16-mm-Doppelprojektion WHEN IT WAS BLUE kommt als Forum Special Screening in einer Sondervorführung mit musikalischer Live-Begleitung im Delphi auf die Leinwand.
Im CineStar 8 präsentiert Forum expanded in diesem Jahr zwei Weltpremieren. Die komplexe Arbeit ALL FALL DOWN von Philip Hoffman zeigt, welche dokumentarischen Möglichkeiten sich durch das Zusammenspiel verschiedener Materialästhetiken ergeben; der fulminante Filmessay DOUBLE TAKE von Johan Grimonprez führt die Geschichte des amerikanischen Fernsehens, des Kalten Krieges und der Doubles von Alfred Hitchcock vor.
Unter der kuratorischen Leitung von Steven Loft haben vier indigene Künstler (Bonnie Devine, Keesic Douglas, Darryl Napinak, Bear Witness) mit Videoarbeiten auf Indianerbilder in ost- und westdeutschen Karl-May-Filmen reagiert. Außerdem zeigen wir kurze Filme von Scott Miller Berry, Chris Chong Chan Fui, Melissa Dullius/Gustavo Jahn/Michel Baragué, Martin Ebner/Katja Eydel/Klaus Weber, Milena Gierke, TomonariIshikawa, Riya Pacquée, Isabelle Spengler und LUNCH BREAK, einen neuen Langfilm von Sharon Lockhart. Auch noch im Filmhaus zu sehen: Ein zwischen Korn und Pixel changierender Loop von Stefan Zeyen sowie fotografische Arbeiten von Barbara Hammer und w + b hein. Begleitet wird das Programm von Podiumsdiskussionen und öffentlichen Bustouren durch die Galerien mit Vaginal Davis, Susanne Sachsse und Bettina Steinbrügge. Für tägliche subjektive Berichterstattung sorgt Tim Blue.