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Dieses Paket besteht aus jeweils drei Filmen von acht Regisseuren und Regisseurinnen, die mit dem Kawakita Award ausgezeichnet wurden. Es sind Filme von Akira Kurosawa, Nagisa Oshima, Kaneto Shindo, Shohei Imamura, Sumiko Haneda, Kon Ichikawa, Yoji Yamada und Seijun Suzuki. Diese Auswahl bietet einen guten Querschnitt durch das Kino der japanischen Klassik und Moderne. Die Filme des Programms entstanden zwischen 1949 und 2004. Es sind Filme von historischem Ruhm darunter wie Kurosawas Ikiru und Rashomon (sie wurden bereits im Dezember gezeigt), Klassiker von Kon Ichikawa und Kaneto Shindo, die kritisches Licht auf die japanische Geschichte und Gegenwart werfen, Avantgarde-Filme wie die von Nagisa Oshima und Seijun Suzuki (besonders auf diesen Regisseur gilt es hinzuweisen, dessen bizarre, humorvolle und genialische Werke bei uns noch zu entdecken sind), aber auch Dokumentarfilme wie die von Sumiko Haneda und die von Wahnsinn und Verzweiflung gezeichneten Filme von Shohei Imamura. Schließlich auch Filme von Yoji Yamada, darunter einer aus der überaus populären Tora-San-Serie, einem „Axiom des japanischen Kinos“. Alle diese Filme laufen in neuen Kopien mit englischen Untertiteln. Im Januar zeigen wir insgesamt 17 Filme, zwei Weitere folgen im Februar. Ein so konzentriertes Gesamtpanorama des japanischen Films gibt es nur selten zu sehen.
A FULL-UP TRAIN (Man-in densha, Kon Ichikawa, Japan 1957, 1.1.) Eine leichte Komödie, ausgestattet mit den Zügen einer scharfen sozialen Satire. Die Hauptfigur ist ein unschuldiger junger Angestellter, ein "Salary Man", der gerade die Universität absolviert hat und nun versucht, sich der hektischen japanischen Wirtschaftsordnung der Nachkriegszeit anzupassen; dabei gerät sein Privatleben in chaotische Bahnen. Sein Haar wird plötzlich weiß, und sein Vater verfällt dem Wahnsinn. Das Drehbuch polemisiert gegen die Übervölkerung der Großstädte, die japanische Erziehung, gegen Quacksalber und Zahnärzte sowie gegen das schlechte Wetter. Ein Juwel aus Ichikawas fruchtbarster Schaffensperiode.
ODE TO MT. HAYACHINE (Hayachine no fu, Sumiko Haneda, Japan 1982, 2.1.) Die animistische Religion Japans, der Shintoismus, bildet den Hintergrund dieses epischen Dokumentarfilms, der als Höhepunkt von Sumiko Hanedas 30-jähriger Karriere als Dokumentaristin gilt. Er wurde am Fuß des seit dem Altertum verehrten Berges Hayachine gedreht. An diesem Ort wird der Kagura getanzt, ein Maskentanz, der auf einem Gebet an die Götter des Berges basiert. Haneda porträtiert die vier Jahreszeiten im Leben der Dorfbewohner in der Nähe des Berges; mit Witz und Scharfblick zeichnet sie das allmähliche Eindringen moderner Lebensformen in den ländlichen Alltag.
CONFLAGRATION (Enjo, Kon Ichikawa, Japan 1958, 3. & 5.1.) Der junge Goichi Mizoguchi reist nach dem Tode seines Vaters, eines buddhistischen Priesters, nach Kyoto, um als Novize in einem Kloster zu leben. Dort begegnet er jedoch einer ambivalenten Moral und vielfältiger Korruption. Die Verzweiflung über diese Verhältnisse treibt Goichi, der an heftigem Stottern leidet, zu schockierenden Akten des Vandalismus und der Selbstzerstörung. Die Rückblenden-Struktur des Films gibt tiefe Einblicke in die Moral zu Zeiten des 2. Weltkriegs und im Nachkriegsjapan. Dem Film zugrunde liegt die Erzählung The Temple of the Golden Pavilion von Yukio Mishima, der sich von dem tatsächlichen Brand des nationalen Schatztempels 1950 inspirieren ließ.
HER BROTHER (Ototo, Kon Ichikawa, Japan 1960, 4. & 6.1.) Die Geschichte eines Geschwisterpaares in einer komplizierten Familiensituation. Im Mittelpunkt steht Gen, eine junge Frau, die ihre Heirat aufschiebt, teils um ihrer hinfälligen Mutter zu helfen, vor allem aber aus Zuneigung zu Hekiro, ihrem jüngeren Bruder, einem Borderline-Delinquenten, der immer in Schwierigkeiten steckt. Der Vater ist ein Schriftsteller, der sich Tag und Nacht in seinem Arbeitszimmer verschließt. Alle vier Mitglieder der Familie sind gleichermaßen starrsinnig, jeder auf seine Art. Das unvorhersehbare Verhalten des jungen Hekiro führt zu einer Eskalation der familiären Konflikte.
AKIKO – PORTRAIT OF A DANCER (Akiko – Aru dansa no shozo, Sumiko Haneda, Japan 1985, 7.1. & 15.1.) Der Dokumentarfilm gehört zu den berühmtesten Arbeiten der Regisseurin und porträtiert die Tänzerin Akiko Kanda (eine Schülerin von Martha Graham), deren Bühnenperformance Mary Magdalene (1984) im Mittelpunkt steht. Darüber hinaus zeigt Haneda Akikos Leben in den Tagen nach der Performance: die Besuche bei ihrer Familie sowie die Vorbereitung ihres nächsten Projekts. Gegen Ende des Films macht der Fotograf Kishin Shinoyama Aufnahmen von Akikos anmutigen Bewegungen auf der Bühne.
INTO THE PICTURE SCROLL: THE TALE OF YAMANAKA TOKIWA (Yamanaka Tokiwa, Sumiko Haneda, Japan 2004, 8.1.) Der Film zeigt die Bilderrolle Yamanaka Tokiwa (auch Querrolle genannt), die dem japanischen Künstler Iwasa Matabei (1578–1650) zugeschrieben wird. Sie erzählt die zu Beginn des 17. Jahrhunderts berühmte Marionettentheater-Geschichte von Ushiwaka-maru und seiner Mutter, Lady Tokiwa; beide sind Mitglieder einer Samurai-Familie. Der Film lässt die auf der Bilderrolle dargestellte Welt durch Bilder, Worte und eine für den Film neu komponierte joruri-Musik (Balladen, die von dreisaitigen shamisen-Lauten begleitet werden) wieder neu aufleben.
BRANDED TO KILL (Koroshi no rakuin, Seijun Suzuki, Japan 1967, 9. & 13.1.) Hanada Goro, ein erfahrener Killer mit dem Spitznamen Nr. 3 will unbedingt Nr. 1 werden, vermasselt aber einen Auftrag und wird fortan selbst von Killern verfolgt. Der Yakuza-Film führte zu Suzukis Entlassung, gilt aber heute nach Meinung von Jim Jarmusch und vieler anderer als Meisterwerk des absurden Kinos jenseits von Vernunft und Logik. Acht Mitglieder der Filmcrew, darunter Suzuki, schrieben gemeinsam das Drehbuch unter dem Pseudonym Hachiro Guryu.
TOKYO DRIFTER (Tokyo nagaremono, Seijun Suzuki, Japan 1966, 11. & 14.1.) Der Film porträtiert das Leben eines Mannes, dem es nicht gelingt, sein Leben als Yakuza aufzugeben und ganz neu anzufangen. Ziellos wandert Tetsu von einem Ort zum anderen, immer sind ihm frühere Feinde auf den Fersen. Die markante Musik des Films beschreibt den Charakter Tetsus bis in die Texte der 13 Pop-Songs hinein und wird von den Hauptpersonen des Films stellenweise selbst gesungen. Die Filme von Seijun Suzuki zeichnen sich durch Selbstironie und eine extrem stilisierte Farbgebung aus, so auch dieser. Ein "expressionistisches Pop-Art-Action-Movie", voll von ästhetisierter Gewalt und visuellen Gags.
TORA-SAN'S SUNSET & SUNRISE (Otoko wa tsuraiyo: Torajiro Yuyake-koyake, Yoji Yamada, Japan 1976, 12. & 16.1.) Als 17. der Tora-san-Reihe zeigt der Film den Protagonisten Tora-san, einen unbeholfenen, aber gutherzigen Straßenhändler, der bei seiner Familie einkehrt. Sie leben in einem alten Arbeiterviertel Tokios. Die Familie glaubt, der Vagabund würde endlich heiraten und sesshaft werden. Doch Tora-san begibt sich wieder auf Wanderschaft. Er begegnet einem berühmten Maler, der sich an keine Konventionen hält, und versucht, einer Geisha zu helfen. Eine volkstümliche Komödie mit leicht melodramatischen Untertönen. Die äußerst erfolgreiche Tora-san-Serie, deren Filme meist einer bestimmten Dramaturgie folgten und die 1995 nach dem Tod des Stars Kiyoshi Atsumi beendet wurde, ist und bleibt ein Axiom des japanischen Kinos.
WHERE SPRING COMES LATE (Kazoku, Yoji Yamada, Japan 1970, 17. & 19.1.) Die Geschichte spielt 1970 zum Zeitpunkt der ersten EXPO in Japan. Hauptperson des Films ist ein Bergarbeiter, der plötzlich arbeitslos ist, weil sein Bergwerk geschlossen wurde. Er beschließt, mit seiner ganzen Familie nach Nordjapan umzusiedeln, um ein neues Leben als Bauer auf Hokkaido zu beginnen. Der Film verwebt nachdenkliche Reflexionen über Japans Wirtschaftswunderzeit mit den Begegnungen und Erfahrungen der Familie auf ihrer Reise.
THE ISLAND/NAKED ISLAND (Hadaka no shima, Kaneto Shindo, Japan 1960, 18. & 20.1.) Ein ganz ohne Dialog auskommender, filmisch äußerst intensiver Bericht über das unmenschlich schwere Dasein einer Bauernfamilie, die ihren kleinen Acker auf einer Insel mit vom Festland herübergerudertem Wasser bewässern muss. Gerade wegen der Wortlosigkeit dieses Dramas kann man es auf verschiedene Weise interpretieren – als Ausdruck von sozialem Protest oder metaphysischer Verzweiflung. Ein kinematografisches Poem in Cinemascope, in dem Musik und Geräusche an die Stelle der menschlichen Stimme treten. Auch ein Gleichnis vom endlosen Kampf des Menschen gegen die unnachgiebige Natur.
ONIBABA (Kaneto Shindo, Japan 1964, 21. & 24.1.) Inmitten einer unübersehbaren Schilflandschaft hausen in einer Bambushütte eine alte und eine junge Frau. Um während eines nicht enden wollenden Krieges überleben zu können, lauern sie desertierten Samurais auf, um sie zu töten und ihre Habe gegen Reis und Hirse an einen Händler zu verkaufen. Als die junge Frau ein Verhältnis mit einem Soldaten beginnt, verwandelt sich die Alte mit Hilfe einer Maske in einen Dämon und besteht in einer Art Umkehrung von Normen und Werten darauf, dass die Tradition des Tötens fortgeführt wird. Die mit effektvollen optischen Metaphern erzählte Unheilsgeschichte von zwei mordlustigen Frauen. Kaneto Shindos größter internationaler Erfolg ist zum Teil Fabel, zum Teil Allegorie und zum Teil ein grausiger Horrorfilm, durchsetzt mit erotischen Elementen.
A LAST NOTE (Gogo no yuigonjo, Kaneto Shindo, Japan 1995, 22. & 25.1.) Eine ältere Schauspielerin, die nur für ihren Beruf gelebt hat, erfährt, dass ihr Mann sie mit ihrer Haushälterin betrogen hat – ein Verhältnis, aus dem eine Tochter hervorging. Zunächst bricht eine Welt zusammen, doch dann versucht die Frau, sich mit der neuen Situation zu arrangieren. Sensibel inszeniertes Alterswerk, das von großer Könnerschaft und auch von der Liebe zu den Menschen zeugt und das trotz seines ernsten Themas von einem sanften Humor durchzogen ist. Ein elegischer, aber zugleich lebendiger Film über das Thema gegenseitiger Abrechnung und über den "Nachmittag des Lebens" (gogo).
INTENTIONS OF MURDER (Akai satsui, Shohei Imamura, Japan 1964, 23. & 26.1.) Die Hausfrau Sachiko lebt in einem repressiven und pervertierten Umfeld: Sie lässt sich auf ein bizarres Verhältnis zu einem Mann ein, der sie eines Nachts bedrängt, vergewaltigt und fortan immer wieder aufsucht. Ohne es zu wissen, ist sie außerdem in einer inzestuösen Ehe an ihren Halbbruder gebunden, da ihre Mutter eine heimliche Mätresse des patriarchalischen Schwiegervaters war. Nachdem sie feststellt, dass sie schwanger ist, und ihr der Vergewaltiger eine Liebeserklärung gemacht hat, lässt sie sich überreden, mit ihm wegzugehen. Heimlich hegt sie jedoch die Absicht, ihn in einem günstigen Moment umzubringen. Imamura arbeitet mit surrealen Traumsequenzen, die einen Einblick in Sachikos Unterbewusstsein geben. Ein Film der präzisen sozialen Beobachtung, der ausschließlich in realen Dekors gedreht wurde – ein Klassiker der "Neuen Welle" des japanischen Kinos.
VENGEANCE IS MINE (Fukushu-suru wa ware ni ari, Shohei Imamura, Japan 1979, 27. & 29.1.) Im LKW-Fahrer Iwao Enokizu erwachen eines Tages mörderische Instinkte, aus Wut über alle Autoritäten. Er tötet zwei Arbeitskollegen und wird fortan 78 Tage lang von der Polizei verfolgt, bis er gefasst wird. In der Zwischenzeit besucht er seinen Vater Shizuo, der mittlerweile eine Liebesaffäre mit Iwaos Ehefrau Kazuko begonnen hat. Ein Thriller, gefilmt im dokumentarischen Stil. Der Film basiert auf der authentischen Geschichte eines Serienmörders.
BLACK RAIN (Kuroi ame, Shohei Imamura, Japan 1989, 28. & 30.1.) Ein Dorf bei Hiroshima 1950: Der Schock des Atombombenabwurfs sitzt tief, die Strahlenkrankheit fordert ihre Opfer. Verbissen versucht ein alter Mann, seine Nichte zu verheiraten und tritt allen Gerüchten, dass die 25-Jährige verstrahlt sei, weil auf sie atomar verseuchter "schwarzer Regen" niedergegangen war, entschlossen entgegen. Doch die Hoffnung ist trügerisch. Ein bewusst nüchterner, dokumentarisch anmutender Film, der durch exzellente Kameraarbeit und Ausstattung das Grauen der Katastrophe von Hiroshima heraufbeschwört.
VIOLENCE AT NOON (Hakuchu no torima, Nagisa Oshima, Japan 1966, 31.1. & 2.2.) Eisuke Oyamada himmelt die 20-jährige Shino an, seine ehemalige Arbeitskollegin auf einer Farm, die nun als Haushälterin in einem Mietshaus in Kobe arbeitet. Als er ihr näher kommen will, entdeckt er Inagaki, die sie beobachtet. Er vergewaltigt und tötet sie. Der Polizei verheimlicht Shino die Identität des Täters, weil er ihr einst das Leben gerettet hat. Dafür schreibt sie jedoch Briefe an Eisukes Frau, die Lehrerin Jinbo, um sie über das mörderische Wesen ihres Gatten aufzuklären. Oshima erzählt nicht nur die Geschichte eines brutalen Mörders und der zwei Frauen, die ihn beschützen, sondern nutzt das Ganze auch zur Reflexion über Schuld und Sühne sowie zur metaphorischen Darstellung des moralischen Niedergangs im Nachkriegsjapan. Oshima gab seinem Film eine zersplitterte doku-dramatische Rahmenstruktur, um aus der Geschichte politische und soziale Schlussfolgerungen zu ziehen. Basierend auf dem wahren Fall eines Serienkillers schuf Oshima seinen vielleicht radikalsten und kontroversesten Film. Oshima, der mit seinen Frühwerken die japanische Nouvelle Vague mitbegründete, ließ sich hier von Alain Resnais inspirieren und benutzt extreme Nahaufnahmen, eine hohe Schnittfrequenz und Jump-Cuts. Im Februar folgen die beiden letzten Filme der Reihe : BOY (Shonen, Nagisa Oshima, Japan 1969, 1. & 4.2.) und THE CEREMONY (Gishiki, Nagisa Oshima, Japan 1971, 3. & 5.2.). Unser Dank für das Zustandekommen dieser Filmreihe gilt dem Kawakita Memorial Film Institute (Ms. Masayo Okada, Präsidentin, und Ms. Yuka Sakano), dem National Film Center und der Japan Foundation (alle Tokio), sowie den Rechteinhabern der Filme.

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