Das Programm Autobiography (13.6.) beginnt mit Porträts zweier männlicher Protagonisten im Leben Dwoskins: Seines Vaters und seines Großvaters: DAD und GRANDPÈRE PEAR, ein Familien- und ein Künstlerporträt (beide GB 2003). TRYING TO KISS THE MOON (GB 1994) entstand aus den Ereignissen und Bildern einer Zeitspanne von 50 Jahren. Sie sind miteinander verwoben wie eine innere Landschaft, die ein Leben umfasst, direkt und indirekt sind sie alle mit dem Leben oder dem Film verbunden, durch persönliche Assoziation und wieder entdeckte Fragmente." (S.D.)
Performing for the Camera Eye ist die Überschrift eines Doppelprogramms mit anschließender Podiumsdiskussion (14.6.) In BEHINDERT (Hindered) (BRD 1973/74, 14.6. & 21.6.) erlebt der Zuschauer aus der Perspektive eines (geh-)behinderten Mannes die aufkeimende Beziehung zu einer Frau (Carola Regnier). In lang anhaltenden Großaufnahmen liest die Kamera geradezu in ihrem Gesicht, beobachtet sie jede ihrer Bewegungen, dringt sie gewaltsam-zärtlich in die individuelle Sphäre des Gegenübers ein. Mit wenigen Dialogszenen besitzt der Film ein hohes Maß an Unmittelbarkeit, das Gesicht von Carola Regnier erzählt grandios die Geschichte einer durch die Behinderung von Anbeginn gefährdeten Beziehung. Der Vorführung in Anwesenheit von Carola Regnier folgt ein Kurzfilmprogramm mit zwei Arbeiten der Berliner Videokünstler Christoph Chemin (BLUE ARRIVAL) und Keren Cytter (DER SPIEGEL). Beide haben 2007 mit der Schauspielerin und Performerin Susanne Sachsse gearbeitet. In DWOSKINS TAKE ME (1968) versucht eine junge Frau, die Kamera zu verführen. Seine NIGHTSHOTS (2007) arbeiten mit der Intimität der Dunkelheit. In einem anschließenden Panel diskutieren Susanne Sachsse, Beatrice Cordua und Carola Regnier ihr Verhältnis zur Kamera.
DYN AMO (GB 1972, 16.6. präsentiert von Marc Siegel & 20.6.) zeigt eine Serie von Striptease-Auftritten in einem herunter gekommenen Club, die bei jedem Mal fließender verlaufen. Die Spannung, unterstützt von Gavin Bryars' unwiderstehlicher Bass-Partitur, steigt, je weiter der Film sich dem heftigen Missbrauch der letzten Nummern der Show annähert. Das hypnotisierende und herausfordernde Werk bietet uns nichts zum Festhalten, während wir in diese Welt der Sexualität und persönlichen Konfrontation reisen.
TIMES FOR (GB 1971, 17.6., mit Einführung) ist, so Peter Gidal, "eine Studie des verletzlichen Selbst von vier Frauen (und einem Mann) nach den Anweisungen des Filmemachers. In diesem Sinne vertreten Warhol und Dwoskin entgegen gesetzte Pole. Warhol erlaubt den Personen, sie selbst zu sein (das beinhaltet sich selbst zu spielen, die eigenen Visionen, die eigenen Fantasien …). Dwoskin erlaubt, durch Suggestion, beim Filmen und durch den strengen Schnitt, seine eigene Vision durchscheinen zu lassen. Aber aufgrund der Entscheidungen, die er trifft, aufgrund seiner relativ offenen Art, zu filmen, aufgrund seines Vertrauens in poetische, intuitive Reize und aufgrund seiner Sensibilität für die, die er filmt, können seine eigenen Visionen der Subjekte seines Films und ihr wirkliches Selbst übereinstimmen.
In dem Dokumentarfilm PAIN IS … (F/D/GB 1997, 17. & 22.6.) fragt Dwoskin: "Ist es möglich, Schmerz abzubilden?" In Interviews, durch Archivmaterial, und vor dem Hintergrund aktueller Geschehnisse betrachtet er die Grenzen zwischen Leid und Sadomasochismus, Krankheit und Lust, und fragt, ob wir am menschlichsten sind, wenn wir Schmerzen empfinden. Der Film fragt auch, wie wir Schmerz erfahren, wenn wir glauben, ihn vor uns zu sehen." (BFI)
Die Videoarbeiten THE SUN AND THE MOON (GB 2007) & INTOXICATED BY MY ILLNESS (Parts 1 & 2 "Intensive Care") (GB 2001) (18.6., anschließend After-thoughts von Maria Vedder) vermengen den häuslichen Bereich mit einem Bereich des "Anderen", um das Bekannte zu durchbrechen und eine manchmal erschreckend enthüllende Sinnesfreude einzuführen. Dwoskins intensive Krankenhauspflege und Bilder von Sadomasochismus verschwimmen in INTOXICATED BY MY ILLNESS, während in THE SUN AND THE MOON – einer persönlichen Interpretation von "Beauty and the Beast" – wunderschön strukturierte Videobilder zwei sehr unterschiedliche Figuren und ihre Suche nach einem gemeinsamen Treffpunkt zeigen.
Einen besonderen Abschluss bildet die Präsentation einer neuen Kopie des Films CENTRAL BAZAAR (GB 1976, 19.6., anschließend After-thoughts und Diskussion), der seinerzeit im Forum der Berlinale Furore machte. Dwoskin versammelte für diesen Film Personen, die sich nicht kannten (darunter Carola Regnier) und filmte sie, während sie über einen Zeitraum von fünf Tagen ihre Fantasien auskundschafteten. Ein Projekt, das in der Post-Big-Brother-Zeit in einem neuen Licht erscheint. Die Kostüme und das Make-Up zielen auf die besondere Verbindung von Film und Performance.
In Zusammenarbeit mit dem Berliner Künstlerprogramm des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD). Unser besonderer Dank gilt: Stephen Dwoskin, Beatrice Cordua-Schönherr, Carola Regnier, Katharina Narbutovic, allen teilnehmenden Gästen sowie Mike Sperlinger (LUX, London), William Fowler (British Film Institute, London).