DIE 3-GROSCHEN-OPER (G. W. Pabst, 1930/31, 2.1.) Zwei Jahre nach der Uraufführung des Brecht/Weill-Stücks adaptiert Pabst die Gangsterballade um Mackie Messer für die Leinwand – politisch-ästhetische Differenzen zwischen Pabst und Brecht führten zum berüchtigten Dreigroschenprozess. Das furiose Filmensemble bestand aus Rudolf Forster, Carola Neher, Reinhold Schünzel, Fritz Rasp, Lotte Lenya, Valeska Gert und Ernst Busch.
MÄDCHEN IN UNIFORM (Leontine Sagan, 1931, 3.1.) Einfühlsame Beschreibung der seelischen Not eines jungen Mädchens, das in ein Internat für Töchter aus verarmten adeligen Offiziersfamilien kommt und am preußischen Drill der autoritär geführten Anstalt zu zerbrechen droht.
DER MÖRDER DIMITRI KARAMASOFF (Fedor Ozep, 1931, 4.1.) Freie Dostojewski-Bearbeitung des russischen Regisseurs und Drehbuchautors Ozep. Meisterlich mit den Möglichkeiten des Tons umgehend, existiert das Melodrama um einen vermeintlichen Vatermörder und dessen Geliebte – wie damals üblich – auch in anderen Sprachfassungen.
BERLIN ALEXANDERPLATZ (Piel Jutzi, 1931, 5.1.) Bild- und Geräuschmontagen durchziehen Jutzis komplexes Großstadt-Mosaik. Döblins Roman wurde auf Biberkopfs Überlebenskampf zugespitzt, der sich immer wieder in milieugenau beobachteten und zum Teil improvisierten Hinterhofszenerien abspielt.
M – EINE STADT SUCHT EINEN MÖRDER (Fritz Lang, 1931, 6.1.) Auch Fritz Lang experimentiert mit dem neuen Medium Ton: Rhythmisch geführte Dialoge und Geräusche verbinden die elliptische und oftmals parallel laufende Handlung um einen Kindesmörder.
KUHLE WAMPE ODER: WEM GEHÖRT DIE WELT? (Slatan Dudow, 1932 | 11.1.) "Wer soll denn die Welt verändern?"–"Die, denen sie nicht gefällt." lautet der abschließende Wortwechsel in diesem raren Beispiel eines kommunistischen Films der Weimarer Republik, mit Filmmusik – inklusive des Solidaritätsliedes – von Hanns Eisler. Sowjetische Revolutionsmontagen: MATJ (Die Mutter, Wsewolod Pudowkin, UdSSR 1926, 8.1.), der aufgrund seiner eher lyrischen Montage oft als Gegenstück zu Eisensteins Panzerkreuzer Potemkin bezeichnet wird, dennoch wie dieser vom Geist der Revolution durchzogen ist: Nachdem ihr Sohn Pawel von der zaristischen Polizei verhaftet wird, schließt sich die Mutter den Revolutionären an.
STATSCHKA (Streik, Sergej Eisenstein, UdSSR 1924, Einführung: Anna Bohn, am Klavier: Eunice Martins, 9.1.) Bereits in seinem ersten Film gelingt Eisenstein die dynamische Umschmelzung eines revolutionären Stoffes – ein Fabrikarbeiterstreik im zaristischen Russland – in eine filmische Form. Die schockierende Schlussszene des Films ist ein frühes Beispiel seiner Montagetheorie.
ARSENAL (Alexander Dowshenko, UdSSR 1928, Einführung: Ulrich Gregor, am Klavier: Eunice Martins, 10.1.) Der gärende Klassenkampf kulminiert im Aufstand in der Munitionsfabrik Arsenal in Kiew 1917. Dowshenkos dramatisches Filmgedicht ist der Namenspatron unseres Kinos.
DER TRÄUMENDE MUND (Paul Czinner, 1932, 7.1.) Wie viele Filmschaffende musste auch die zerbrechlich-burschikose Elisabeth Bergner nach der Machtergreifung der Nazis Deutschland verlassen. In ihrem letzten deutschen Film spielt sie einmal mehr neben Rudolf Forster, der die Liebe zu ihrem Ehemann gefährdet.
LIEBELEI (Max Ophüls, 1932/33, 12.1.) Abgesang einer unaufhaltsam auf den Untergang zusteuernden Welt: Im Wien vor Beginn des Ersten Weltkriegs beginnt die unglückliche Liebesgeschichte zwischen Leutnant Fritz und der Musikertochter Christine. Hinter der scheinbaren Romantik verbirgt sich die Abrechnung mit gesellschaftlicher Heuchelei.
VIKTOR UND VIKTORIA (Reinhold Schünzel, 1933, 13.1.) Travestie-Musical des berühmtesten deutschen Komödienregisseurs der 30er Jahre: Reinhold Schünzel, als Jude nur aufgrund besonderer Protektion bis 1937 in Deutschland geduldet, schmuggelt den Geist des Weimarer Kinos in die NS-Filmproduktion.
Absurde Komik, groteske Wortspiele und schneidender Witz, hinter denen sich schonungslose Zeitkritik verbirgt, prägen die in den 30er Jahren entstandenen Kurzfilme des Kabarettisten-Duos Liesl Karlstadt und Karl Valentin. Die kritische Haltung vieler Filme führte immer wieder zu NS-Zensurmaßnamen. Wir zeigen ORCHESTERPROBE (1933), DER THEATERBESUCH (1934), IM SCHALLPLATTENLADEN (1934) und DER VERHEXTE SCHEINWERFER (1934/14.1.). Mit DEWUSCHKA S KOROBKOI (Das Mädchen mit der Hutschachtel, Boris Barnet, UdSSR 1927, 15.1.) und DIE SELTSAMEN ABENTEUER DES MR. WEST IM LANDE DER BOLSCHEWIKEN (Lew Kuleschow, UdSSR 1924, Einführung: Oksana Bulgakowa, am Klavier: Eunice Martins, 16.1.) präsentieren wir zwei Sowjetkomödien. Barnets Mix aus Slapstick, Romantik, Melancholie und Ekstase dreht sich um ein junges Mädchen, das Zeit und Mühe aufwenden muss, um ihrem verliebten Nachbarn zu entkommen. Im Mittelpunkt von Kuleschows überdrehter Satire steht der Amerikaner Mr. West, der die junge Sowjetunion zunächst als unbekanntes Territorium voll böser Überraschungen und wilder Kerle erlebt. Drei Amazonen der sowjetischen Avantgarde und ihre eigenwilligen Experimente in den Bereichen Kostüm, Regie und Schnitt: AELITA (Jakow Protasanow, UdSSR 1924, 25.1.) Als Verantwortliche für die Kostüme ("Wirklichkeit gewordene Kunstprojekte") hat Alexandra Exter den kubistisch-expressionistischen Science-Fiction- Film über eine Mars-Expedition mitgeprägt.
TSCHELOWJEK S KINOAPPARATOM (Der Mann mit der Kamera, Dsiga Wertow, UdSSR 1929, 26.1.) Wertows prismatisch-reflexive Stadtsymphonie wäre ohne Cutterin Elisaweta Swilova undenkbar gewesen. Sie hat den Film montiert, ist aber auch in verschiedenen Szenen am Schneidetisch zu sehen.
STEKLJANNI GLAS (Das Glasauge, Lilja Brik, UdSSR 1928/27.1.) Der einzige Film der Schriftstellerin und Schauspielerin wurde als "Film-Revue" bezeichnet: einer der ersten Found- Footage-Filme der Filmgeschichte.
Filmpropaganda – Propagandafilm Bereits acht Wochen nach Hitlers Machtergreifung definierte Goebbels die Grundzüge der nationalsozialistischen Filmpolitik, die die totale Kontrolle des deutschen Filmwesens vorsah, um das deutsche Filmschaffen umgehend zum Propaganda-Instrument der NS-Führung zu machen. Zur gleichen Zeit wurden umfangreiche Entlassungen von jüdischen Mitarbeitern der Ufa verordnet. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Repressalien mussten ca. 1.500 jüdische Filmschaffende aus Deutschland fliehen. Zensur, Prädikatisierung und die faktische Abschaffung der Filmkritik ebneten den Weg für die Umsetzung politischideologischer Manipulation im Sinne des Propagandaministeriums. Dabei wurden quantitativ weniger vordergründige, perfide Propagandafilme produziert, als vielmehr eine Vielzahl von Unterhaltungsfilmen, die – nicht frei von propagandistischen Untertönen – der Zerstreuung und Ablenkung von der menschenverachtenden NS-Terror-Herrschaft dienen sollten. Anhand von elf Filmen zeigen wir unterschiedliche Ausformungen nationalsozialistischer Filmpropaganda.
DIE WEISSE HÖLLE VOM PIZ PALÜ (Arnold Fanck, 1935, 17.1.) Von Fanck selbst bearbeitete und gekürzte Tonfassung des heroischen Stummfilm-Bergsteigerdramas mit Riefenstahl und Diessl. Dem Neuschnitt fielen u. a. die Szenen mit dem jüdischen Schauspieler Kurt Gerron zum Opfer.
Die Filme des 1937 emigrierenden Detlef Sierck (= Douglas Sirk) nehmen eine Sonderstellung innerhalb des NS-Filmschaffens ein: Mit SCHLUSSAKKORD (Detlef Sierck, 1936, 19.1.) und ZU NEUEN UFERN (Detlef Sierck, 1937, 19.1.) drehte Sierck zwei klassische Melodramen, die auf den kulturellen Traditionen Deutschlands vor Hitler aufbauen.
DER ZERBROCHENE KRUG (Gustav Ucicky, 1937, 20.1.) Wortgetreue Kleist-Adaptation, mit der Ucicky seinen Ruf als "unpolitischer Künstler" retten wollte. Jannings als autoritärer Dorfrichter wird von den streitlustigen Dorfbewohnern überführt, einer Dorfschönen nachgestellt zu haben.
OLYMPIA (Leni Riefenstahl, Teil 1: Fest der Völker & Teil 2: Fest der Schönheit, 1936/38, 21. & 22.1.) Der zweiteilige chronikartige Dokumentarfilm über die Olympischen Spiele in Berlin 1936 im Auftrag und zum Ruhme des Nazi-Regimes. Die Sportveranstaltungen wurden unter größtem filmtechnischen Aufwand zu einem ästhetischen Spektakel mythisierender Überhöhung verarbeitet und damit zum Gegenstand der Selbstbespiegelung des NS-Regimes.
TANZ AUF DEM VULKAN (Hans Steinhoff, 1938, 23.1.) "Jedes Volk hat die Regierung, die es verdient", hört man Gustaf Gründgens in der Rolle des legendären Schauspielers Debureau sagen. Die operettenhafte Inszenierung missfiel Goebbels, der u.a. auch das Lied "Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da" anstößig fand.
DER SCHRITT VOM WEGE (Gustaf Gründgens, 1939, 24.1.) Effi-Briest-Verfilmung des umstrittenen Generalintendanten des Preußischen Staatstheaters (1937–45): Untertanengeist, starre Normen und die soldatisch ausgerichtete Männergesellschaft des späten 19. Jahrhunderts werden nicht nur Effi zum Verhängnis.
MÜNCHHAUSEN (Josef von Baky, 1943, 28.1.) NS-Prestigeprojekt anlässlich des 25. Jubiläums der Ufa: knallige Farben, aufwendigste Tricktechnik, überbordende Dekors und Kostüme, rauschhafte Handlung. Der Film gleicht einer "Aufwallung der Selbstverleugnung" (Hembus) zwei Jahre vor dem totalen Zusammenbruch Deutschlands.
ROMANZE IN MOLL (Helmut Käutner, 1942/43, 31.1.) Marianne Hoppe zwischen der leidenschaftlichen Liebe zu einem Musiker und der Achtung ihres Ehemanns. Ist die Verteidigung des Rechts auf selbstbestimmtes Leben ein Zeichen politischer Opposition?
DIE FRAU MEINER TRÄUME (Georg Jacoby, D 1944, 30.1.) Der farbenfroh-heitere Revuefilm bietet Ablenkung von der Realität der zerstörten deutschen Großstädte und der hoffnungslosen Kriegssituation. Wieder einmal trifft die vermeintlich laszive Erotik Marika Rökks auf das Credo des gesunden "Volkskörpers".
KOLBERG (Veit Harlan, 1945, Einführung: Ulrich Gregor, 29.1.) Die letzte fertig gestellte NS-Produktion: ein klassischer Durchhaltefilm, der mit größtmöglichem Aufwand den deutschen Kämpfer glorifiziert und die historischen Umstände des Widerstands der Kolberger Bürger gegen die Truppen Napoleons in den Jahren 1806/07 verfälscht.