TABU. A STORY OF THE SOUTH SEAS (F. W. Murnau, USA 1931, 2. & 28.12.) Einen paradiesischen Urzustand unschuldigen und reinen Lebens wollte Murnau mit seinem letzten Film TABU beschwören. Mit Paradise" und "Lost Paradise" sind die zwei Kapitel des Films betitelt. Das Paradies, das ist das Leben von Reri und Matahi, zweier Liebenden auf der Südseeinsel Bora-Bora. Als ein Priester Reri zur den Göttern geweihten Jungfrau erklärt, die zu berühren und zu begehren fortan tabu ist, fliehen die beiden. Sie geraten in den zerstörerischen Einflussbereich der Zivilisation und ihrer Abhängigkeiten. Murnau verwirklichte seine Sehnsuchtswelt an Originalschauplätzen und mit Laiendarstellern.
Michael Ciminos hypnotisierender HEAVEN'S GATE (USA 1980, 3., 5. & 6.12.) ist ein opulentes Epos über die letzte Phase der Besiedlung des amerikanischen Westens. Basierend auf historisch verbürgten Ereignissen in Johnson County, Wyoming um 1890, entwirft er das Stimmungsbild einer Epoche. Mit einer immensen Liebe zum Detail wird eine historische Kulisse rekonstruiert, aus der heraus sich die Geschehnisse entwickeln. Eine Gruppe von alteingesessenen Viehbesitzern fürchtet durch die nachziehenden Einwanderer um ihre Privilegien und ihren Reichtum. Zunächst mit Mitteln des Gesetzes, dann aber zunehmend gewalttätiger versuchen sie, die neuen Siedler zu vertreiben, bis die Konflikte eskalieren. Eine Parabel über Recht und Moral.
Die fiebertraumartige Assoziation eines Künstlerlebens ist SAJAT NOVA (Die Farbe des Granatapfels, Sergej Paradshanow, UdSSR 1969, 3. & 25.12.). "Der Film von Sergej Paradshanow ist ein Film der Superlative. 1969 in Armenien gedreht, ist er einer der schönsten und künstlerisch entschiedensten Filme, die in der Sowjetunion entstanden sind. Und er ist für unsere westliche Postmoderne ein einsames und nicht annähernd erreichtes Beispiel dafür, wie man mit Bildern und Geräuschen etwas zeigen kann, ohne dem Zwang der fortlaufenden Erzählung zu verfallen. Ernsthaft und spielerisch zugleich – das heißt lustvoll und mit subtilem Vergnügen – lässt Paradshanow die Welt des armenischen Dichters Aruthin Sayadin entstehen: ein gegenwärtiges 18. Jahrhundert, in rätselhaften, poetischen, modern-surrealistischen, liebevoll-ironischen Bildern: Ikone, freundschaft-lich belebt von einem Zeitgenossen der Kunst des 20. Jahrhunderts." (Dietrich Kuhlbrodt)
ASHES OF TIME. REDUX (Wong Kar-Wai, Taiwan /Honkong /China 1994 / 2008, 11. & 12. & 29.12.) Ein mit stupender Virtuosität gestalteter Martial-Arts-Film, getränkt von melancholischem Pathos. "Wie immer in Wong Kar-Wais Filmen geht es um die Abgründe der Erinnerung, um Nostalgie, Fetische und um die Liebe. Filme wie ein Bewusstseinsstrom, auf fragmentarische Weise erzählt, mit assoziativen, aber nuancierten Bildern, die sich mit Farbdramaturgie, Musik, Dialog- und Gedankenfetzen zu einem atmosphärischen Teppich fügen, wie er im gegenwärtigen Kino ohne Beispiel ist." (Rüdiger Suchsland) Wir zeigen die 2008 restaurierte und um eine neu komponierte Filmmusik ergänzte Fassung.
CITIZEN KANE (Orson Welles, USA 1941, 18. & 23.12.) Charles Foster Kane, Besitzer von drei Dutzend Zeitungen und fünf Rundfunkstationen, stirbt in seinem grotesk großen Fantasieschloss Xanadu. Sein letztes Wort: Rosebud. Ein Reporter macht sich auf die Suche nach der Bedeutung dieses Wortes und rekapituliert in der Begegnung mit Menschen, die Kane gekannt haben, seinen Lebensweg. Mit gerade 24 Jahren bekam Orson Welles – durch legendäre Hörspiele zur Berühmtheit geworden – von Hollywood freie Hand, um seinen ersten Film zu realisieren. Er brach radikal mit den filmischen Konventionen der Zeit, erzählt multiperspektiv in verschachtelten Rückblenden, lässt die Stationen von Kanes Leben mit in Zeitraffer montierten Szenen rasend schnell vorüberziehen, um in langen, mit Tiefenschärfe agierenden Einstellungen sein Psychogramm umso schärfer hervortreten zu lassen.
In Anlehnung an den gleichnamigen Roman von Lampedusa entwirft Luchino Visconti in IL GATTOPARDO (Der Leopard, I/F 1962, 19. & 26.12.) ein großartiges Panorama der untergehenden sizilianischen Adelswelt. Der alternde Fürst von Salina erkennt, dass die Zeiten sich ändern, und er in der neuen Welt keinen Platz mehr finden wird. Eine Epoche neigt sich mit träger Wehmut ihrem Ende entgegen. Sinnbild dafür ist die glorreiche finale Ballsequenz.
Wie verhalten sich Leben und Theater zueinander, wann hört das eine auf und beginnt das andere, oder sind die beiden gar ununterscheidbar – diese Fragen verhandelt der farbenprächtige und extrem stilisierte LE CAROSSE D'OR / THE GOLDEN COACH (Die goldene Karosse, Jean Renoir, F/GB/Italien 1953, 20. & 30.12.). Ein Theatervorhang öffnet sich und gibt den Blick frei auf die Bühne, wo das Märchen von der Goldenen Karosse gespielt wird. Dazu Vivaldi. Ein Operettenstaat in Südamerika, zu Beginn des 18. Jahrhunderts, eine Schauspieltruppe mit Anna Magnani als der Star Camilla, der in der Commedia dell'Arte die Männer verfallen – der Stierkämpfer, der Vizekönig und der König. Zwei Welten, Kunst und Leben, Schauspiel und Realität werden in diesem Film mehrfach verschachtelt und unaufhörlich ineinander gespiegelt.
Eine neue Dimension des Historienfilms schuf Sergej Eisenstein mit sei-nem letzten Film IWAN GROSNYI (UdSSR 1944–45/1958, 4. & 21.12.). Seine höchst eigenwillige Ästhetik aus strengen Bildkompositionen, klaustrophobischen Räumen und expressiver Schauspielkunst suggeriert eine immens dichte Stimmung von Leidenschaft, Tod, Schuld und Unheil. Im Mittelpunkt des zweiteiligen Films (eigentlich waren drei Teile geplant) steht der autokratische Herrscher des 16. Jahrhunderts, Iwan IV. Ein Leitmotiv des Films ist die Einsamkeit Iwans, die ihn zu selbstquälerischen Grübeleien neigen lässt. Die Atmosphäre allseitigen Misstrauens, eines der Grundelemente des Films, führt zu einem verhängnisvollen Kreislauf des Bösen, in den Iwan beinahe gegen seinen Willen hineingezogen wird.
ORLANDO (Sally Potter, GB 1992, 22.12.) Eine durch und durch ausufernde Geschichte erzählt Sally Potter nach dem gleichnamigen Roman von Virginia Woolf mit Tilda Swinton in der Titelrolle. Der junge Adelige Orlando erhält von Königin Elisabeth I. die Order, nicht zu altern, und durchlebt vier Jahrhunderte vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Orlando erlebt so etwas, was sonst keinem Menschen vergönnt ist und entwirft damit nichts weniger als eine Vision der menschlichen Existenz: eine grenzenlose Freiheit, in der die Grenzen der Zeit, der Konventionen und der Geschlechter aufgehoben sind.
GREED (Erich von Stroheim, USA 1923, 27.12.) Nichts weniger als ein umfassendes Bild des amerikanischen Lebens schwebte Stroheim mit der Verfilmung des Romans McTeague von Frank Norris vor. Ausschließlich an Originalschauplätzen gedreht, wirft er einen illusionslosen Blick auf die menschlichen Natur und die Hässlichkeit von Neid und Habsucht. Neun Stunden hatte die erste von Stroheim geschnittene Fassung, die vom Studio rabiat auf unter zwei Stunden gekürzt wurde. Wir zeigen die von dem amerikanischen Filmhistoriker Rick Schmidlin restaurierte Fassung des Films mit einer Spieldauer von 270 Minuten.