THE SHINING (Stanley Kubrick, GB/USA 1980, 1. & 3.12.) Der erfolglose Schriftsteller Jack Torrance (Jack Nicholson) verbringt den Winter zusammen mit seiner Frau (Shelley Duvall) und dem kleinen Sohn in einem leerstehenden Hotel in den Bergen, um dort in Ruhe an seinem Roman zu arbeiten. Nicht nur die Familie verliert sich in dem riesigen Hotel, durch dessen endlos scheinende Gänge der kleine Danny auf seinem Dreirad radelt. Dem Gefühl des Eingeschlossenseins gegenüber steht die riesige Halle, in der der schreibende Jack zu verschwinden droht. Der in die Geschichte des Hauses eingeschriebene Wahnsinn überträgt sich langsam auf Jack, der für seine Familie zur Gefahr wird. Räume, Zeiten und Menschen fließen in THE SHINING ineinander und verunmöglichen die Orientierung; das Haus entwickelt ein beunruhigendes Eigenleben.
TOKYO MONOGATARI (Tokyo Story, Yasujiro Ozu, Japan 1953, 2. & 10.12.) Ein altes Ehepaar aus einer kleinen Provinzstadt fährt zum ersten Mal in seinem Leben für einige Tage nach Tokio, um die dort lebenden erwachsenen Kinder zu besuchen. Dort müssen sie jedoch feststellen, dass für sie kein Platz ist: Die Eltern sind ein Störfaktor in den engen Wohnungen und den Anforderungen der modernen Arbeitswelt, sie werden hin- und hergeschoben und kommen an keinem Ort zur Ruhe. Hauptsächlich in Innenräumen gefilmt, vermitteln Schiebetüren, Fenster, Gitter und Durchgänge einen Eindruck von Enge und eingeschränkter Bewegungsfreiheit. Unter Zurückweisung dramatischer Höhepunkte und aufs Wesentliche reduziert, erzählt Ozu von der Flüchtigkeit des Lebens.
DOM NA TRUBNOJ (Das Haus in der Trubnaja-Straße, Boris Barnet, UdSSR 1927, 3. & 5.12., am Klavier: Eunice Martins) Eine rasante und überdrehte Komödie um eine junge Frau, die vom Land in die Stadt kommt und sich im unübersichtlichen Moskau zurechtfinden muss. Nach anfänglichen Schwierigkeiten, eine Unterkunft zu finden, wird sie Dienstmädchen bei einem Friseur und bringt ein ganzes Mietshaus durcheinander. "Es heißt, revolutionäre sowjetische Filmkunst der 1920er Jahre sei furchtbar ernst, mit Theorie gesättigt und durch die Namens-kette Eisenstein-Pudowkin-Vertov zureichend beschrieben. Der größte aller unbekannten Meister des Sowjetkinos beweist das genaue Gegenteil. In Boris Barnets Moskauer Komödie lässt sich nachvollziehen, welche Lüste den eigentlichen Motor dieser Epoche darstellen: die Lust auf körperliche Unbändigkeit und die Lust an der Apparatur Kino." (Christoph Huber)
STATE LEGISLATURE (Frederick Wiseman, USA 2007, 4.12.) Frederick Wiseman, der seit 1966 amerikanische Institutionen und damit die amerikanische Gesellschaft porträtiert, begibt sich in das Parlamentsgebäude des US-Bundesstaates Idaho und zeigt die Parlamentarier bei der alltäglichen Arbeit. Drei Monate im Jahr kommen die Abgeordneten zusammen, um über neue Gesetze zu beraten. Wiseman filmt Ausschusssitzungen, Debatten, informelle Gespräche, Abstimmungen, Treffen mit Lobbyisten und Wählern. Mit großem Ernst werden Argumente gewechselt und diskutiert – Idee und Praxis der Demokratie manifestieren sich in diesem konkreten Raum.
EL ÁNGEL EXTERMINADOR (Der Würgeengel, Luis Buñuel, Mexiko 1962, 8. & 12.12.) In einer großbürgerlichen Villa findet eine mondäne Party statt. Als die Gäste aufbrechen wollen, werden sie wie durch ein unsichtbares Band davor zurückgehalten, die Schwelle des Hauses zu überschreiten. Mehrere Tage hält dieser unerklärliche Zustand an und der herbeigerufenen Polizei gelingt es nicht, in das Gebäude einzudringen. Nervosität, Hysterie und Auflösungserscheinungen greifen um sich, die eben noch vornehmen Anwesenden scheinen nur mehr Opfer ihrer Triebe. Der Raum der eleganten Party, der zum Gefängnis geworden ist, verändert sich: Das luxuriöse Ambiente weicht der Unordnung, dem Chaos, dem Schmutz, der Anarchie. Vorfilm ist LA CHAMBRE (Chantal Akerman, B 1972): Das Zimmer der Filmemacherin, erfasst in einer Kreisbewegung der Kamera.
PIROSMANI (Georgi Schengelaja, UdSSR 1969, 11. & 27.12.) Die poetisch verdichtete und in Fragmenten erzählte Lebensgeschichte des naiven Malers Niko Pirosmanaschwili (1862–1918), der unter dem Namen Pirosmani bekannt wurde. Der Einzelgänger aus einem kleinen Dorf versucht sich in verschiedenen Berufen und scheitert doch immer wieder, flieht vor seiner eigenen Hochzeit, beginnt als Gebrauchs- und Wandmaler zu arbeiten, lässt sich ausbeuten und erniedrigen. Die Struktur des Films entwickelt Schengelaja aus den Bildern Pirosmanis: Flächige Tableaus, die die Räume beinahe zweidimensional wirken lassen, lange Einstellungen und stilisierte Genrebilder geben die Ästhetik Pirosmanis wieder.
DISTANT VOICES, STILL LIVES (Terence Davies, GB 1988, 17. & 30.12.) Ein enges Reihenhaus, das Leben einer Arbeiterfamilie in Liverpool zwischen 1940 und 1960: der tyrannische Vater, die resignierte Mutter, zwei Töchter, ein Sohn, eine von Gewalt, Hilf- und Sprachlosigkeit geprägte Atmosphäre der Angst. Die Lieder – Volkslieder, Kinderlieder, Schlager – die die Mutter mit den Kindern singt, können das Unheil zwar nicht lindern, verhelfen aber vielleicht zum Überleben. In streng geometrischen Einstellungen, Stillleben gleich, durchmisst die Kamera die Räume: das steile Treppenhaus, den winzigen Vorgarten, die kleinen Zimmer, und bleibt oft dort stehen, während die Handlung sich ins Nebenzimmer verlagert: eine stumme Betrachtung leerer Räume, auf der Suche nach Spuren des Lebens. Mühelos gleitet der Film durch die Zeiten, reiht fragmentarisch einzelne Erinnerungssplitter aneinander, die nicht mehr als ein Mosaik ergeben.
MARTHA (Rainer Werner Fassbinder, BRD 1973, 18. & 25.12.) Die 30-jährige, unerfahrene und vaterfixierte Martha (Margit Carstensen) lernt beim Urlaub in Rom einen Mann kennen: Helmut (Karlheinz Böhm). Schon die erste Begegnung, von Michael Ballhaus in einer berühmt gewordenen Kreisbewegung gefilmt, verweist auf die kalte Faszination, durch die die beiden fortan aneinander gefesselt sein werden. Martha und Helmut heiraten, die Masochistin und der Sadist fügen sich perfekt zusammen in einer von Macht und Unterdrückung geprägten Beziehung. Helmuts Erziehungsmaßnahmen und Versuche, sie ganz nach seinen Vorstellungen zu formen, verwandeln Marthas Liebe nur ganz allmählich in Furcht. Sie versucht die Flucht, die sie in letzter Konsequenz noch enger an Helmut bindet und endgültig zur Gefangenen macht. Klaustrophobisch verengt findet ihr Leben statt: In Räumen, die Fassbinder durch blickbegrenzende Türen, Fenster und Rahmen zusätzlich verkleinert. Als Vorfilm: DIE URSZENE (Christine Noll Brinckmann, BRD 1981) Ein voyeuristische Blick in verschiedene Schlafzimmer, begleitet von einem Schlager der 50er Jahre.
DOGVILLE (Lars von Trier, Dänemark 2003, 26. & 29.12.) Mit Kreidestrichen auf den Boden gezeichnete Umrisse und einige vereinzelte Requisiten markieren den Raum von DOGVILLE – eine nackte Bühne. Lediglich behauptet ist dieser Ort, eine Art Versuchsanordnung, in der Lars von Trier ein Lehrstück in neun Akten entfaltet. Grace (Nicole Kidman) ist auf der Flucht und findet in der Kleinstadt Dogville in den Rocky Mountains Unterschlupf. Die Haltung der Bewohner ihr gegenüber ändert sich im Lauf der Zeit: Der freundliche Empfang weicht offener Erniedrigung und Ausbeutung. Durch das radikale Entblättern aller Kulissen wird der Illusionscharakter des Kinos sichtbar gemacht und die Täuschung des Zuschauers offengelegt.
TOKYO MONOGATARI (Tokyo Story, Yasujiro Ozu, Japan 1953, 2. & 10.12.) Ein altes Ehepaar aus einer kleinen Provinzstadt fährt zum ersten Mal in seinem Leben für einige Tage nach Tokio, um die dort lebenden erwachsenen Kinder zu besuchen. Dort müssen sie jedoch feststellen, dass für sie kein Platz ist: Die Eltern sind ein Störfaktor in den engen Wohnungen und den Anforderungen der modernen Arbeitswelt, sie werden hin- und hergeschoben und kommen an keinem Ort zur Ruhe. Hauptsächlich in Innenräumen gefilmt, vermitteln Schiebetüren, Fenster, Gitter und Durchgänge einen Eindruck von Enge und eingeschränkter Bewegungsfreiheit. Unter Zurückweisung dramatischer Höhepunkte und aufs Wesentliche reduziert, erzählt Ozu von der Flüchtigkeit des Lebens.
DOM NA TRUBNOJ (Das Haus in der Trubnaja-Straße, Boris Barnet, UdSSR 1927, 3. & 5.12., am Klavier: Eunice Martins) Eine rasante und überdrehte Komödie um eine junge Frau, die vom Land in die Stadt kommt und sich im unübersichtlichen Moskau zurechtfinden muss. Nach anfänglichen Schwierigkeiten, eine Unterkunft zu finden, wird sie Dienstmädchen bei einem Friseur und bringt ein ganzes Mietshaus durcheinander. "Es heißt, revolutionäre sowjetische Filmkunst der 1920er Jahre sei furchtbar ernst, mit Theorie gesättigt und durch die Namens-kette Eisenstein-Pudowkin-Vertov zureichend beschrieben. Der größte aller unbekannten Meister des Sowjetkinos beweist das genaue Gegenteil. In Boris Barnets Moskauer Komödie lässt sich nachvollziehen, welche Lüste den eigentlichen Motor dieser Epoche darstellen: die Lust auf körperliche Unbändigkeit und die Lust an der Apparatur Kino." (Christoph Huber)
STATE LEGISLATURE (Frederick Wiseman, USA 2007, 4.12.) Frederick Wiseman, der seit 1966 amerikanische Institutionen und damit die amerikanische Gesellschaft porträtiert, begibt sich in das Parlamentsgebäude des US-Bundesstaates Idaho und zeigt die Parlamentarier bei der alltäglichen Arbeit. Drei Monate im Jahr kommen die Abgeordneten zusammen, um über neue Gesetze zu beraten. Wiseman filmt Ausschusssitzungen, Debatten, informelle Gespräche, Abstimmungen, Treffen mit Lobbyisten und Wählern. Mit großem Ernst werden Argumente gewechselt und diskutiert – Idee und Praxis der Demokratie manifestieren sich in diesem konkreten Raum.
EL ÁNGEL EXTERMINADOR (Der Würgeengel, Luis Buñuel, Mexiko 1962, 8. & 12.12.) In einer großbürgerlichen Villa findet eine mondäne Party statt. Als die Gäste aufbrechen wollen, werden sie wie durch ein unsichtbares Band davor zurückgehalten, die Schwelle des Hauses zu überschreiten. Mehrere Tage hält dieser unerklärliche Zustand an und der herbeigerufenen Polizei gelingt es nicht, in das Gebäude einzudringen. Nervosität, Hysterie und Auflösungserscheinungen greifen um sich, die eben noch vornehmen Anwesenden scheinen nur mehr Opfer ihrer Triebe. Der Raum der eleganten Party, der zum Gefängnis geworden ist, verändert sich: Das luxuriöse Ambiente weicht der Unordnung, dem Chaos, dem Schmutz, der Anarchie. Vorfilm ist LA CHAMBRE (Chantal Akerman, B 1972): Das Zimmer der Filmemacherin, erfasst in einer Kreisbewegung der Kamera.
PIROSMANI (Georgi Schengelaja, UdSSR 1969, 11. & 27.12.) Die poetisch verdichtete und in Fragmenten erzählte Lebensgeschichte des naiven Malers Niko Pirosmanaschwili (1862–1918), der unter dem Namen Pirosmani bekannt wurde. Der Einzelgänger aus einem kleinen Dorf versucht sich in verschiedenen Berufen und scheitert doch immer wieder, flieht vor seiner eigenen Hochzeit, beginnt als Gebrauchs- und Wandmaler zu arbeiten, lässt sich ausbeuten und erniedrigen. Die Struktur des Films entwickelt Schengelaja aus den Bildern Pirosmanis: Flächige Tableaus, die die Räume beinahe zweidimensional wirken lassen, lange Einstellungen und stilisierte Genrebilder geben die Ästhetik Pirosmanis wieder.
DISTANT VOICES, STILL LIVES (Terence Davies, GB 1988, 17. & 30.12.) Ein enges Reihenhaus, das Leben einer Arbeiterfamilie in Liverpool zwischen 1940 und 1960: der tyrannische Vater, die resignierte Mutter, zwei Töchter, ein Sohn, eine von Gewalt, Hilf- und Sprachlosigkeit geprägte Atmosphäre der Angst. Die Lieder – Volkslieder, Kinderlieder, Schlager – die die Mutter mit den Kindern singt, können das Unheil zwar nicht lindern, verhelfen aber vielleicht zum Überleben. In streng geometrischen Einstellungen, Stillleben gleich, durchmisst die Kamera die Räume: das steile Treppenhaus, den winzigen Vorgarten, die kleinen Zimmer, und bleibt oft dort stehen, während die Handlung sich ins Nebenzimmer verlagert: eine stumme Betrachtung leerer Räume, auf der Suche nach Spuren des Lebens. Mühelos gleitet der Film durch die Zeiten, reiht fragmentarisch einzelne Erinnerungssplitter aneinander, die nicht mehr als ein Mosaik ergeben.
MARTHA (Rainer Werner Fassbinder, BRD 1973, 18. & 25.12.) Die 30-jährige, unerfahrene und vaterfixierte Martha (Margit Carstensen) lernt beim Urlaub in Rom einen Mann kennen: Helmut (Karlheinz Böhm). Schon die erste Begegnung, von Michael Ballhaus in einer berühmt gewordenen Kreisbewegung gefilmt, verweist auf die kalte Faszination, durch die die beiden fortan aneinander gefesselt sein werden. Martha und Helmut heiraten, die Masochistin und der Sadist fügen sich perfekt zusammen in einer von Macht und Unterdrückung geprägten Beziehung. Helmuts Erziehungsmaßnahmen und Versuche, sie ganz nach seinen Vorstellungen zu formen, verwandeln Marthas Liebe nur ganz allmählich in Furcht. Sie versucht die Flucht, die sie in letzter Konsequenz noch enger an Helmut bindet und endgültig zur Gefangenen macht. Klaustrophobisch verengt findet ihr Leben statt: In Räumen, die Fassbinder durch blickbegrenzende Türen, Fenster und Rahmen zusätzlich verkleinert. Als Vorfilm: DIE URSZENE (Christine Noll Brinckmann, BRD 1981) Ein voyeuristische Blick in verschiedene Schlafzimmer, begleitet von einem Schlager der 50er Jahre.
DOGVILLE (Lars von Trier, Dänemark 2003, 26. & 29.12.) Mit Kreidestrichen auf den Boden gezeichnete Umrisse und einige vereinzelte Requisiten markieren den Raum von DOGVILLE – eine nackte Bühne. Lediglich behauptet ist dieser Ort, eine Art Versuchsanordnung, in der Lars von Trier ein Lehrstück in neun Akten entfaltet. Grace (Nicole Kidman) ist auf der Flucht und findet in der Kleinstadt Dogville in den Rocky Mountains Unterschlupf. Die Haltung der Bewohner ihr gegenüber ändert sich im Lauf der Zeit: Der freundliche Empfang weicht offener Erniedrigung und Ausbeutung. Durch das radikale Entblättern aller Kulissen wird der Illusionscharakter des Kinos sichtbar gemacht und die Täuschung des Zuschauers offengelegt.