Das Arsenal zeigt in Kooperation mit der Deutschen Kinemathek bis Mitte Januar elf zentrale Werke Vincente Minnellis, Melodramen und Musicals, und bringt somit das erste Mal seit langer Zeit die Filme eines der bedeutendsten Autoren Hollywoods auf die große Leinwand in Berlin zurück.
Wir eröffnen die Reihe mit einem späten Hauptwerk Minnellis, TWO WEEKS IN ANOTHER TOWN (USA 1962, 17.12., Einführung: Gerhard Midding, 27.12. & 8.1.), eines der großen Selbstbildnisse Hollywoods und zugleich die Reflexion seines Verfalls. Der frühere Hollywood-Star Jack Andrus (Kirk Douglas) hält sich nach einem Selbstmordversuch in einer Nervenheilanstalt auf, als ihn der Regisseur seiner größten Erfolge Maurice Kruger (Edward G. Robinson) einlädt, zwei Wochen in Rom mit ihm zu drehen. TWO WEEKS ist die Weiterführung des zehn Jahre zuvor entstandenen THE BAD AND THE BEAUTIFUL, den sich Andrus und Kruger als Beispiel ihrer erfolgreichen gemeinsamen Arbeit noch einmal in Cinecittà vorführen lassen.
THE BAD AND THE BEAUTIFUL (Stadt der Illusionen, USA 1952, 18.12., 21.12. & 8.1.) Der herausragendste der Filme, die Anfang der 50er Jahre eine Selbstkritik und Selbstbespiegelung Hollywoods unternahmen, erzählt in strahlendem Schwarz-Weiß die Geschichte eines ehemals erfolgreichen und mittlerweile bankrotten Filmproduzenten (Kirk Douglas). Bei einem Comeback-Versuch erhofft er sich Unterstützung von einer Schauspielerin (Lana Turner), einem Drehbuchautoren und einem Regisseur, deren Karriere er selbst aufgebaut hat. In einer Reihe von Rückblenden beschreiben diese drei den Weg des Mannes, dem sie ihren Aufstieg verdanken, der aber zugleich die menschlichen Bindungen zwischen ihnen zerstörte.
THE BAND WAGON (Vorhang auf!, USA 1953, 18.12., 22.12. & 15.1.) Gemeinsam mit TWO WEEKS IN ANOTHER TOWN und THE BAD AND THE BEAUTIFUL bildet der Film eine Art Trilogie Minnellis über sein eigenes Metier: die Show- und Kinomacher als "Kunstschaffende" in der Geld- und Glücksfabrik. Die Geschichte eines zunächst versuchten, fast misslingenden, und schließlich glückenden Comebacks eines Hollywood-Tanzstars (Fred Astaire), inszeniert als ausgelassenes, mitreißendes Musical. "Zauber des Genres. Wie evoziert man Glück, ohne den herkömmlichen Realismus zu strapazieren? Oder Verliebtheit? Oder élan vital? Das Filmmusical findet Antworten, die nirgends sonst möglich sind, in keiner anderen Kinoform, auf keiner Bühne. Ecstasy in Rhythm." (Harry Tomicek)
THE COBWEB (Die Verlorenen, USA 1955, 19.12., 3. & 11.1.) In einer exklusiven psychiatrischen Privatklinik sind die Ärzte und Angestellten nicht immer von den Patienten zu unterscheiden. Ein Bibliotheks-Vorhang lässt die latenten Spannungen aufbrechen und führt zu einem ebenso absurden wie heftigen Streit. Ein weniger bekanntes Melodram mit Starbesetzung (Richard Widmark, Lauren Bacall, Charles Boyer, Lillian Gish) und eine "Außenseiter-Fabel, die sich als Parabel über die Familie und Hollywood, somit als sinistrer Stiefbruder von THE BAD AND THE BEAUTIFUL lesen lässt." (Richard Hartenberger)
MADAME BOVARY (USA 1949, 20.12., 29.12. & 2.1.) Enttäuscht von der Ehe mit einem einfachen Landarzt, stürzt sich Emma Bovary, die von einem leidenschaftlichen Leben träumt, in Liebesabenteuer und verschwenderische Einkäufe. Angesichts des finanziellen Ruins vergiftet sie sich. Minnellis Verfilmung von Gustave Flauberts Jahrhundertroman aus dem Jahr 1857 ist das – abgesehen von der viel zitierten Ballszene – wohl am wenigsten beachtete von seinen Hauptwerken.
BRIGADOON (USA 1954, 23.12., 7. & 10.1.) Zwei Amerikaner verirren sich im schottischen Hochland und geraten in das auf keiner Karte verzeichnete Dorf Brigadoon. Der sagenhafte Ort erhielt 1754 auf Bitten seines Pfarrers das Privileg von Gott, nur alle 100 Jahre für einen Tag aufzutauchen, um so von den Übeln eines ganzen Jahrhunderts verschont zu bleiben. Der Zauber hat jedoch nur solange Bestand, wie zwei elementare Regeln beachtet werden: Kein Bewohner darf den Ort verlassen, und ein Fremder darf nur bleiben, wenn er sich verliebt ... Minnelli inszenierte seine Allegorie auf das Kino als märchenhaftes Musical mit fantasievollen Kostümen und Dekors in bunten, strahlenden Farben – choreografiert von Hauptdarsteller Gene Kelly.
AN AMERICAN IN PARIS (USA 1951, 25.12., 1. & 7.1.) Die Geschichte eines US-Soldaten (Gene Kelly), der nach dem Krieg als Maler in Paris bleibt, zunächst dem Charme der Stadt und später der Liebe einer Französin (Leslie Caron) erliegt, machte Vincente Minnelli und Gene Kelly weltberühmt. Das Production Design von Cedric Gibbons und Preston Ames, George Gershwins Musik, Gene Kellys Choreografie sowie Minnellis Farbdramaturgie und Inszenierung machen den Film zu einem der schönsten Musicals.
GIGI (USA 1958, 26.12., 4. & 9.1.) Honoré Lachaille (Maurice Chevalier) erzählt und singt die Geschichte von Gigi (Leslie Caron), einem Mädchen, das um die vorletzte Jahrhundertwende in Paris zur Kurtisane erzogen werden soll, aber durch seine Unverdorbenheit den reichen Bewerber zum Heiratsantrag bewegt. Minnellis Verfilmung des Romans von Colette war MGMs letzter großer Musicalerfolg und ist mit neun Oscars bis heute einer der höchstdekorierten Filme.
SOME CAME RUNNING (Verdammt sind sie alle, USA 1958, 28.12., 12. & 16.1.) Dave Hirsh (Frank Sinatra), ein amerikanischer Kriegsheimkehrer und gescheiterter Schriftsteller, kehrt nach 16 Jahren in seine Heimatstadt Parkland zurück. Als Außenseiter in der Familie seines wohlhabenden Bruders wendet sich Dave dem Spieler Bama (Dean Martin) und der naiven Ginny (Shirley MacLaine) zu; seine Liebe zu einer Literaturdozentin bleibt glücklos. "Ein kantiges Stück Rat-Pack-Melancholie – eine grausame Studie in kleinstädtischer Kleinstgeistigkeit, durchdrungen von existentiellen Ängsten und einer ganz fundamentalen, ungemilderten Trauer über Leben, die anders hätten sein können." (Richard Hartenberger)
LUST FOR LIFE (Vincent van Gogh – Ein Leben in Leidenschaft, USA 1956, 30.12., 5. & 13.1.) Minnelli orientierte sich an der literarischen Vorlage von Irving Stone und zeichnet die letzten zehn Lebensjahre Vincent van Goghs (Kirk Douglas) nach: die Zeit als Prediger, das Verhältnis zu Bruder Theo, Freundschaft und Bruch mit Paul Gauguin (Anthony Quinn), die Selbsteinweisung in die Nervenheilanstalt. Das eigentliche Thema des Films sind jedoch die Farben. Minnelli führt Farbdramaturgie und -komposition hier zu einer neuen Meisterschaft. Der allerbunteste Van-Gogh-Film, in leuchtendem Anscocolor.