2001: A SPACE ODYSSEY (2001 – Odyssee im Weltraum, Stanley Kubrick, GB/USA 1968, 1. & 2.6.) Die kühne Weltraumoper beginnt und endet mit dem Licht als Ursprung allen Lebens. Ist es am Anfang die Sonne, die den Beginn der Menschheitsgeschichte erhellt, wird der zweite Teil – Millionen Jahre später einsetzend – zu einem halluzinierenden Trip. Ein Sog von farbigen Lichteffekten, eine reine Lichtorgie, bildet das Tor zu einem anderen Bewusstseinszustand, in dem der Ablauf der Zeit aufgehoben ist, Vergangenheit und Zukunft, Sterben und Geborenwerden nebeneinander existieren. SUNRISE (F. W. Murnau, USA 1927, 1. & 3.6., am Klavier: Eunice Martins) Ein Film der Leuchtspuren, der Elektrifizierung und des Zwielichts. Gemeinsam mit seinen Kameramännern Charles Rosher und Karl Struss, die 1929 den ersten Kamera-Oscar für SUNRISE bekamen, schuf Murnau komplexe Lichtdramaturgien für die einzelnen Spielorte des Films: Dorf, Moor, See und Stadt. Eine mondäne Stadtschönheit verführt einen jungen Dörfler und überredet ihn, seine Ehefrau zu töten. Liebestrunken willigt er ein, kommt jedoch im letzten Moment wieder zu sich. Ausgelassen verbringt das wiedervereinte Paar einen Abend in der von einem Lichtermeer erleuchteten Stadt mit ihren Cafés und Ballsälen. DER LETZTE MANN (F. W. Murnau, D 1924, 4. & 8.6., am Klavier: Eunice Martins) Der Kameramann Karl Freund ist vor allem für seine mobile Kamera bekannt, die er in DER LETZTE MANN zum ersten Mal durch Hotelhallen, entlang von Fassaden, Treppen hinauf und hinunter bewegte. Darüber hinaus trat gerade in DER LETZTE MANN Freunds fast impressionistische Lichtgestaltung in den Vordergrund: Mit Reflexen, Lichtspielen und -kegeln bestimmt sie nicht nur die Stimmung der Szenen, sondern akzentuiert auch die Raumkompositionen. Die Geschichte um einen zum Toilettenmann degradierten Hotelportier (Emil Jannings) gilt als erstes filmisches Beispiel der Neuen Sachlichkeit. STELLET LICHT (Carlos Reygadas, Mexiko/F/NL/D 2007, 5. & 6.6.) Das titelgebende, leitmotivische "stille Licht" steht gleich am Anfang dieser gleichnishaften Dreiecksgeschichte. Die erste Szene zeigt den langsamen Anbruch des Tages, das einsetzende Sonnenlicht, welches eine Farbsymphonie von schwarzgrau bis goldgelb-weiß auslöst. Doch in das "stille Licht" drängt sich eine urwüchsige Tonwelle von Natur- und Tiergeräuschen – atmosphärische Grundstimmung einer Liebesgeschichte zwischen Marianne und Johan, zweier Mitglieder einer tiefreligiösen, mennonitischen Gemeinde in Mexiko. OUT OF THE PAST (Jacques Tourneur, USA 1947, 10. & 16.6.) Film noir – kaum ein Genre ist derart mit Licht- und vor allem Schattensetzung verbunden wie die amerikanische Stilrichtung der 40er und 50er Jahre. "Die besten Künstler des Film noir machten die ganze Welt zu einem Studio, indem sie unnatürliches und expressionistisches Licht auf realistische Sets lenkten." (Paul Schrader) Kameramann Nicholas Musuraca macht aus Tourneurs Noir-Klassiker mit Robert Mitchum und Kirk Douglas sequenzweise eine veritable Licht-Studie: flächiges Schwarz, einzelne Lichtquellen, harte Schatten und Silhouetten. In diesem Setting bewegt sich ein Privatdetektiv, der von einem Gangster beauftragt wird, dessen Geliebte zu überwachen. Vorfilm: LICHTSPIEL SCHWARZ WEISS GRAU (László Moholy-Nagy, D 1932) Das kinetische Spiel abstrakter Lichtreflexe, hervorgerufen durch den "Licht-Raum-Modulator", einen von Moholy-Nagy entworfenen Apparat zur Demonstration von Licht- und Bewegungserscheinungen. DER HIMMEL ÜBER BERLIN (Wim Wenders, BRD/F 1987, 11. & 12.6.) Bruno Ganz und Otto Sander als Engel in Berlin, überirdisch, von Kamera-Altmeister Henri Alekan in ein oft als "metaphysisch" bezeichnetes Licht getaucht: "Ihm (Alekan) gelingt es, über das Licht immaterielle Gestalten zu schaffen. Als habe er selbst im Geheimnis des Lichts Zugang zu diesem -feenhaften Universum." (Wenders) Zugang haben auf jeden Fall die Engel Damiel und Cassiel, aber auch zur geteilten Stadt, die sie durchstreifen, ihren Bewohnern unbemerkt zuhören, unerkannt trösten und unsichtbar Anteil nehmen. Bis sich Damiel in eine Trapezkünstlerin verliebt und die Sphäre der Engel und des Lichts verlassen möchte. IN THE MOOD FOR LOVE (Wong Kar-wai, HK 2000, 14. & 15.6.) Die vergangene Welt des Hongkongs der 60er Jahre ist in gelbe, rote, grüne Schatten gehüllt. Wongs und Kameramann Doyles Abgesang auf eine Ära grundiert die Geschichte einer versagten Liebe zwischen zwei Nachbarn (grandios: Maggie Cheung und Tony Leung), die erkennen, dass ihre Ehepartner sie betrügen. In ihrer Verzweiflung beginnen sie eine zaghafte Beziehung. So zögerlich die Protagonisten, so zurückhaltend die narrative Entwicklung, in deren Vordergrund zeitweilig die überbordende Ausstattung, die komplexen Bildkompositionen und die meisterliche Lichtgestaltung des Films treten. Als Special zeigen wir vor IN THE MOOD FOR LOVE am 14.6. Deborah Philips' Filme NOOR (Licht, 2003), Aufnahmen des Allam Hauses in Isfahan, und MOSAIC (2001), eine Lichtspiel-durchflutete filmische Collage über jüdische und islamische architektonische Traditionen. Am 16.6. präsentieren wir die überarbeitete und aktualisierte zweite Auflage des Buchs Film & Licht von Richard Blank (soeben erschienen im Alexander Verlag). Anhand von ausgewählten Filmbeispielen zeigt Regisseur und Drehbuchautor Blank die historische Entwicklung der Beleuchtungstechnik und -methoden und untersucht die Bedeutung des Lichts in Filmklassikern von Griffith, Chaplin, Siodmak, Tourneur, Lang, Murnau, Ophüls, Rossellini, De Sica, Truffaut, Godard, Altman, Scorsese, Eisenstein, Welles, Buñuel, Lars von Trier und Wong Kar-wai. M – EINE STADT SUCHT EINEN MÖRDER (Fritz Lang, D 1930, 24. & 25.6.). Ein unbestimmtes, diffuses Licht und leere Schatten markieren von Anfang an die Unsicherheit und Angst, die der gesuchte Kindermörder in der Bevölkerung auslöst. Doch die wiederholt eingesetzten Motive wie das leere Treppenhaus, der Blick in den Spiegel und die starken Hell-Dunkel-Kontraste visualisieren nicht nur die Verunsicherung, von der die ganze Gesellschaft erfasst wird, sondern auch die Getriebenheit des von Peter Lorre gespielten Verbrechers. Vorfilm: LICHTSPIEL SCHWARZ WEISS GRAU (László Moholy-Nagy, D 1932). BARRY LYNDON (Stanley Kubrick, GB 1976, 27. & 28.6.) Im 18. Jahrhundert angesiedelter Historienfilm über Aufstieg und Fall des Soldaten Barry Lyndon. Kubrick rekonstruiert das vergangene Zeitalter mit beispielloser Akribie, die darin gipfelt, dass Innenaufnahmen ausschließlich mit Kerzenlicht beleuchtet wurden. "Überraschenderweise ist das Ergebnis dieser Bemühung um Authentizität nicht Realismus, sondern eine seltsam irreale, schwebende Lichtstimmung, die ähnlich wie die Patina auf einem alten Ölgemälde zu einem 'objektiven Korrelat' der zeitlichen Distanz wird, die uns von den gefilmten Szenen trennt." (Th. A. Nelson)