PLAYTIME (Jacques Tati, F / I 1967, 2. & 4.8.) Flughafengebäude, Bürohochhäuser, Wohnungen, ein Restaurant, alles (vermeintlich) aus Glas, Chrom, Stahl und Beton, makellos und sauber. Die schöne, neue Welt, in der Jacques Tati alias Monsieur Hulot die Tücken des Fortschritts und der Gleichförmigkeit kennenlernt, wurden aufwändig in einer Kulissenstadt erschaffen. Exzessiv auch die Ton-„Kulisse“, deren ausgefeiltes Design die sterile Welt kommentiert, ihre Risse aufzeigt und ad absurdum führt.
SAJAT NOVA (Die Farbe des Granatapfels, Sergej Paradjanow, UdSSR 1963, 3. & 12.8.) Diese fiebertraumartige Assoziation eines Künstlerlebens ist ein Film der Superlative, einer der schönsten und künstlerisch entschiedensten Filme, die in der Sowjetunion entstanden sind. „Ernsthaft und spielerisch zugleich lässt Paradjanow die Welt des armenischen Dichters Aruthin Sayadin entstehen: ein gegenwärtiges 18. Jahrhundert, in rätselhaften, poetischen, modern-surrealistischen, liebevoll-ironischen Bildern.“ (Dietrich Kuhlbrodt)
LE CAROSSE D’OR (The Golden Coach, Jean Renoir, F / GB / I 1953, 7. & 11.8.) Farbenprächtig und stilisiert verhandelt Renoir die Frage, wie sich Leben und Theater zueinander verhalten. Die Grenzen verschwimmen, die Welten auf und hinter der Bühne werden ineinander verschachtelt und gespiegelt. Ausgangspunkt ist die goldene Karosse, die der verschwenderische Vizekönig eines Operettenstaats in Südamerika bestellt hat. Mit ihr kommt eine Schauspieltruppe an, deren Star auf der Bühne wie im „Leben“ die Männer verfallen. Opulent in Dekor, Schauspiel und Komposition – wie die goldene Karosse ein Meisterwerk.
DIESE NACHT – NUIT DE CHIEN (Werner Schroeter, F / D / Portugal 2008, 13. & 19.8.) Eine Stadt, irgendwo im Süden, im doppelten Belagerungszustand – von außen nähern sich feindliche Truppen und im Inneren traut Keiner mehr dem Anderen. In dieses düster-apokalytische Setting kommt Ossorio, um am Ende „dieser Nacht“ gemeinsam mit seiner Geliebten zu fliehen. Traumwandlerisch, bild- und tongewaltig, mit großer pathetischer Geste, die Schroeter wie kein anderer beherrschte, entwarf er eine Parabel über den Zustand der Welt am Rande eines vergehenden Zeitalters.
DANGEROUS LIAISONS (Gefährliche Liebschaften, Stephen Frears, GB / USA 1988, 20. & 24.8.) Basierend auf Laclos’ berühmtem Briefroman über das maliziöse Spiel mit Gefühlen zweier Mitglieder des französischen Adels vor der Französischen Revolution konstruiert Frears einen pompösen Ausstattungsfilm, in dem die Schauwerte die Strukturen des Perfiden sichtbar machen. Gekonnt verwischen Maske, Kostüme und Dekors – im Film immer wieder ausladend zelebriert – die Grenzen zwischen Emotion und Manipulation, Leben und Intrige.
LUDWIG II (Luchino Visconti, F / I / BRD 1972, 21. & 27.8.) Mit beispiellosem inszenatorischen Aufwand gestaltete sezierende Studie des „Märchenkönigs“ Ludwig II., der an seinen Herrscherpflichten und seinen ästhetischen Utopien zerbricht. „Ein Film, wie es ihn wohl nie mehr geben wird; Summe und Höhepunkt einer von Jahrhunderten europäischer Kultur geprägten und durchdrungenen Einbildungskraft, eines von Geschichte und Erinnerung, Veranlagung und Sensibilität gestalteten Bewusstseins.“ (Martin Schaub)
CITIZEN KANE (Orson Welles, USA 1941, 25. & 26.8.) Als „überbordendes Barock“ bezeichnet André Bazin das Filmdebüt des jungen Regisseurs, der bei der RKO einen Vertrag durchsetzte, der ihm sämtliche Freiheiten zusicherte, die er sich auch nahm: Er brach mit filmischen Konventionen, erzählte multiperspektiv in verschachtelten Rückblenden, ließ die Lebensstationen der Hauptfigur, des Pressezars Kane, im Zeitraffer rasend schnell vorüberziehen, um dann in langen, tiefenscharfen Einstellungen – viele zeigen sein grotesk großes und vollgestelltes Fantasieschloss Xanadu – sein Psychogramm umso schärfer hervortreten zu lassen.
RUSSKIJ KOWTSCHEG (Russian Ark, Alexander Sokurow, RU / D 2002, 28.8.) Der erste aus einer einzigen Einstellung bestehende Film in Spielfilmlänge, die längste Steadicam-Sequenz, die je gedreht wurde, der erste unkomprimierte HDFilm. Rekorde und Innovationen, die u.a. auf folgenden Satz zurückgehen: „Lasst uns keine Angst vor der Zeit haben.“ Sokurows Plädoyer gegen den „zeit-raffenden“ Schnitt und für die ungeschnittene Plansequenz, mit der er die St.- Petersburger-Eremitage durchstreift, gilt ebenso im Hinblick auf die 300 Jahre russischer Zeitgeschichte, die sich vor dem Zuschauer auftut. In der kontinuierlichen Fahrt durch Epochen und politische Bewegungen, entlang der prachtvollen Korridore und Räume, vorbei an herrschaftlichen Audienzen und durch ausgelassene Ballgesellschaften bildet sich die Diskontinuität der Zeit ab, die wechselhafte Geschichte Russlands und ihr Verhältnis zu Europa.
METROPOLIS (Fritz Lang, D 1927, 30. & 31.8.) Versklavte Arbeiter in der lichtlosen Unterstadt und eine sich in Luxus ergehende Gesellschaft in der Oberstadt bilden die Gegenpole in Langs frühem Science-Fiction. Der Handlungsverlauf beinhaltet eine Liebesgeschichte über die Gesellschaftsgrenzen hinweg, einen künstlichen Menschen, einen Aufstand der Massen und einen gerade noch rechtzeitig abgewendeten Untergang – all das Folie für Langs Visualisierungen einer utopisch-gigantischen Maschinenstadt, überbordende Massenszenen und ausgeklügelte Special Effects. Überwältigend der Produktionsaufwand: 17-monatige Drehzeit, 1,3 Millionen belichtete Filmmeter, 36.000 Komparsen und ein Gesamtbudget von sechs Millionen Mark.