OPENING NIGHT (John Cassavetes, USA 1977, 1. & 2.11.) Gena Rowlands erneut als "woman under the influence" auf dem schmalen Grat zwischen Ab- und Entgrenzung. Für den umschwärmten Theaterstar Myrtle Gordon (G. R.) hat sich das Spiel mit den "Verkörperungen" diesseits und jenseits der Bühne derart verdichtet, dass on- und offstage, Leben und Rolle für sie zu einem ununterscheidbaren Ganzen verschmolzen sind. Kaum ist die Erkenntnis des verlorenen Ichs über sie hereingebrochen, meint sie sich in einem jugendlichen Fan wiederzuerkennen. Als die vermeintliche Widergängerin bei einem Autounfall stirbt, verliert Myrtle vollends die Balance und das Gefühl für die Grenze ihres eigenen Körpers – eine in-and-out-of-body-Erfahrung als rasende Tour de force beeindruckender Körperlichkeit. HAMLET (Svend Gade, Heinz Schall, D 1920/21, 3. & 4.11., am Klavier: www.eunicemartins.de - external-link-new-window>Eunice Martins) Asta Nielsen, Schauspielerin, Filmautorin, Produzentin, gilt als erster Kinostar der Filmgeschichte und Filmkünstlerin größter internationaler Bedeutung, die eine völlig neuartige Schauspielästhetik großer physischer Präsenz entwickelt hat. Ihre präzise Körpersprache buchstabiert Stimmungen, Spannungen und Gefühle, unterteilt und erfüllt Räume und tritt in direkte Kommunikation mit dem Zuschauer. Die Shakespeare-Adaption zeigt Hamlet als verkleidete Prinzessin und Asta Nielsen in einer ihrer herausragenden Rollen. GOSHOGAOKA (Sharon Lockhart, USA 1997, 8. & 11.11.) In sechs jeweils zehnminütigen Einstellungen durchläuft ein japanisches Mädchen-Basketballteam verschiedene Trainingsabläufe und -einheiten. Es entsteht eine präzise Studie des Zusammenklangs der Stimmen und der Körperbewegungen der jungen Frauen, eine veritable Choreografie, die eigenen Rhythmen und Gesetzen folgt. Eine strukturalistische (De-)Konstruktion der Körperbewegungen, in der die Aktion in ihrer ruhigen Gleichmäßigkeit scheinbar zum völligen Stillstand gerinnt und die einzelnen Sportlerinnen im kollektiven Ganzen aufgehen. IN EINEM JAHR MIT 13 MONDEN (Rainer Werner Fassbinder, BRD 1978, 10. & 16.11.) Einen Körper als vernarbten Kampfplatz des Lebens entwirft RWF in seiner oft als persönlichstes Filmmelodram bezeichneten Geschichte des/der Transsexuellen Elwira/Erwin, die/der nach einer düsteren Kindheit im Kloster und glücklosen Erwachsenenzeit als Metzger in Casablanca eine Geschlechtsumwandlung vom Mann zur Frau vornehmen lässt. 19 Szenen oder besser gesagt Leidensstationen konstituieren die letzten fünf Lebenstage der/s Protagonistin/en, 19 Fragmente des Unglücks, der Zurückweisung, der Krise, die sich in einen zunehmend versehrten Körper einschreiben. DER GOLEM, WIE ER IN DIE WELT KAM (Paul Wegener, Carl Boese, D 1920, 17. & 19.11., am Klavier: www.eunicemartins.de - external-link-new-window>Eunice Martins) Wegeners zweite Verfilmung der alten jüdischen Legende um die menschenähnliche Lehmgestalt gehört zu den erfolgreichsten Filmen der 1910er und 1920er Jahre. Das Gelingen des Films verdankt sich u.a. den Bauten Hans Poelzigs, der das Golem-Thema in eine so urwüchsige wie künstliche Architektur übersetzt, aus der der ähnlich archaisch und erdige Golem-Koloss hervorgegangen zu sein scheint. Wegeners Verkörperung der raumgreifenden, schweren Gestalt von verhaltener Energie, langsamen Gesten und maskenhafter Mimik ist in Darstellung wie Konstruktion dem Expressionismus ebenso wie der romantischen Schauerliteratur verwandt, erscheint heute als eine frühe Vision der mittlerweile gängigen Mensch-Maschine. EXISTENZ (David Cronenberg, USA 1998, 18. & 21.11.) Körperliche Technik, technische Körper bevölkern Cronenbergs Cyber-Thriller um eine Computerspiel-Designerin und ihr neues Spiel, das über einen Bioport direkt in das menschliche Nervensystem geladen werden kann. Multiple Universen, halluzinierte Wahrnehmungswelten und Hyperrealitäten erwarten die prothetisch erweiterten bzw. "verbesserten" nunmehr Spiel- oder Daten-Körper, aber auch der ganz reale Anschlag der religiösen Sekte "Realistischer Untergrund", die das Realitätsprinzip unbedingt verteidigen will. Eine endlose Verfolgung mit ungewissem Ausgang beginnt. HIROSHIMA MON AMOUR (Alain Resnais, F/Japan 1959, 22. & 25.11.) Ineinander verschlungene Körper in der Dunkelheit – Resnais kontrastiert die berühmten anfänglichen Bilderblitze großer Intimität und Nähe mit gleißend-hellen Bilderfolgen über Hiroshima, mit Bildern versehrter Körper, verschwundener Menschen. In der Folge schreiben sich die Dokumente der Katastrophe des Atombombenabwurfs gleichsam in die Körper der Liebenden ein, setzen sie scheinbar nachträglich der damaligen Zerstörung aus. Für seine Reflexion über die Erinnerung (und das Vergessen) wählte Resnais eine mosaikhafte Rückblendenstruktur, die die Liebesgeschichte einer Französin und eines Japaners in Hiroshima, Ausschnitte ihre jeweiligen Lebensgeschichten nach Kriegsende und dokumentarische Aufnahmen Hiroshimas miteinander verwebt. DANCE, GIRL, DANCE (Dorothy Arzner, USA 1940, 23. & 24.11.) "Go ahead and stare! I know you want me to tear my clothes off so you can look your fifty cents worth!" schleudert die sonst so zurückhaltende Judy (Maureen O'Hara) dem zudringlich gaffenden, männlichen Nachtclubpublikum entgegen. Schauplatz der "Anklage" ist ein zwielichtiges Etablissement, in dem die einstige, hoffnungsvolle Ballett-Elevin einen Job ergattern konnte und wo sie nun ihren Körper, ihre Hoffnungen und Wünsche verteidigen muss. Ein klassischer (vergleichsweise früher) Referenzfilm des feministischen Films, der Klassen- und Geschlechterverhältnisse ebenso offensiv thematisiert, wie er die Schauwerte eines Musicals dekliniert. DAS CABINET DES DR. CALIGARI (Robert Wiene, D 1920, 26. & 29.11, am Flügel: www.eunicemartins.de - external-link-new-window>Eunice Martins) "Das Filmkunstwerk muss eine lebende Graphik werde", formulierte Walter Röhrig während der Dreharbeiten zu diesem Klassiker des expressionistischen Films, für den er die Bauten, die Dekors und Schatten entwarf. Auch der dürre Körper im schwarzen Catsuit des Somnambulen Cesare (Conrad Veidt) schält sich gleichsam als lebendige Grafik aus den schrägen Linien und schiefen Wänden der expressiven Dekors hervor, um, getrieben von einem Mix aus Mordlust, Furcht, aber auch dem Wunsch, als bloßes Ornament in der Szenerie wieder zu verschwinden, eine Kleinstadt in Angst und Schrecken zu versetzen. BEING JOHN MALKOVICH (Spike Jonze, USA 1999, 28. & 30.11.) Craig Schwartz (John Cusack) ist Marionettenspieler. Meisterlich bewegt er seine Figuren, erschafft sie, inszeniert sie und träumt sich regelmäßig aus sich hinaus und in sie hinein. An seinem neuen Arbeitsplatz eröffnet sich ihm im wahrsten Sinne des Wortes die Möglichkeit, nicht nur imaginär in eine andere Rolle zu schlüpfen. Hinter einem Aktenregal entdeckt er den Zugang zu Körper und Bewusstsein von John Malkovich, in dem er sich bald dauerhaft einnistet. Eine surreal überbordende, groteske Komödie über die Lust am Spiel mit Körpern und Identitäten.