POTO AND CABENGO (Jean-Pierre Gorin, USA / BRD 1980,1., 7. & 12.9.) handelt von den Mädchen Gracie und Ginny Kennedy, Zwillingsschwestern aus San Diego, Kalifornien, die in den 70er Jahren öffentliches Aufsehen erregten, als sie eine eigene Sprache entwickelten. Dem Unbehagen, das diese geschlossene, von der Umwelt abgekoppelte Sprachgemeinschaft bei Fachleuten ebenso wie in der breiten Öffentlichkeit hervorrief, begegnete man mit einem groß angelegten therapeutischen Eingriff, als dessen Resultat nur die sprachliche und damit soziale Wiedereingliederung der Mädchen gelten konnte. Jean-Pierre Gorin fokussiert in seinem Film die sozialen und politischen Dimensionen von Sprache und Kommunikation, indem er das aufgebauschte Medieninteresse an den Mädchen genauso untersucht wie die Umstände, unter denen das Zwillingspaar aufwuchs. L'ENFANT SAUVAGE (Der Wolfsjunge, François Truffaut, F 1970, 9. & 15.9.) schildert einen historischen Fall: 1797 wird bei Aveyron ein etwa zwölfjähriger Junge aufgegriffen, der offenbar seit Jahren im Wald gelebt hat und nur unartikulierte Laute ausstößt. Truffauts Drehbuch stützt sich getreu auf den 1806 veröffentlichten Bericht des jungen Doktor Itard, der sich des Jungen annahm. Itard war, anders als seine Arztkollegen, der Meinung, der Junge sei nur durch mangelnden sozialen Kontakt und die geringen kommunikativen Fähigkeiten zurückgeblieben. Truffaut, der zum ersten Mal eine Hauptrolle als Darsteller übernahm, zeigt die peniblen, manchmal schmerzhaften Schritte, die Itard unternimmt, um dem Jungen das Sprechen beizubringen. PETITS FRÈRES (Jacques Doillon, F 1999,6. & 21.9.) Die 13-jährige Talia flieht vor ihrem Stiefvater, der ihre kleine Schwester missbraucht. Mit ihrem zahmen Pitbull trifft sie in einem ghettoartigen Pariser Vorort auf gleichaltrige Immigrantenkinder und freundet sich mit ihnen an. Heimlich stehlen diese jedoch Talias Hund, um ihn den großen Brüdern für ihre Kampfhundwettkämpfe zu verkaufen. Talia ist verzweifelt und dennoch kämpferisch, und diese Mischung berührt die „kleinen Brüder“, die nun versuchen, alles wiedergutzumachen. Konstitutiv für das Kino von Jacques Doillon sind die Dialoge und das Sprechen im Film generell. Die Verwendung des rhythmisch aggressiven Vorortslangs der Pariser Banlieue gibt PETITS FRÈRES eine verstärkte soziale Komponente. MA NUIT CHEZ MAUD (Meine Nacht bei Maud, Eric Rohmer F 1969, 10. & 20.9.) Winter in Clermont-Ferrand: Der Ich-Erzähler (Jean-Louis Trintignant), ein Ingenieur und gläubiger Katholik, hat sich bei einem Gottesdienst eine schöne Frau zum Heiraten ausgesucht. Ein alter Freund, marxistischer Philosophieprofessor, macht ihn mit der attraktiven, geschiedenen Ärztin Maud, einer emanzipierten Frau, bekannt. Witterungsbedingt verbringt er die Nacht bei ihr. Es entspinnt sich eine lange Debatte über Liebe, Treue, Ehe, Monogamie, Moral, Religion und Blaise Pascal. Die Dialoge sind, wie immer bei Rohmer, wesentliches Element der Szenerie, das Nachdenken über Gefühle, Lebensentwürfe, Enttäuschungen und Sehnsüchte wird stets ausformuliert. PASTORALI (Otar Iosseliani, UdSSR 1975,11. & 19.9.) Ein Musiker-Quartett, das aus der Stadt gekommen ist, installiert sich im Sommer in einem Dorf, und die Kinder der Familie, die ihnen einige Zimmer im Obergeschoss vermietet hat, sind sehr von diesen Besuchern angezogen. Aber diese Geschichte wird nicht auf der Leinwand entfaltet: Iosseliani erzählt sie, ohne den Anschein des Erzählens zu erwecken, multipliziert sie und fügt unendlich viele Anfänge neuer Geschichten ein. Tausend Details sind auf diese Art zu entdecken, mit Tierstimmen an Stelle von Dialogen und geduldigen, beinahe stummen Sequenzen der Charaktere beim täglichen Arbeiten an Stelle von treibender Handlung. "Wie in den schönsten Stummfilmen regiert das Kino und beweist sein Genie in der poetischen Schilderung der Welt." (Claire Devarrieux)BEESWAX (Andrew Bujalski, USA 2009, 13. & 16.9.) Jeannie und Lauren sind Zwillingsschwestern und wohnen zusammen. Jeannie betreibt einen Secondhand-Laden. Sie fürchtet, dass ihre Teilhaberin eine Klage gegen sie anstrebt und sucht deshalb Rat bei ihrem Ex-Freund, der gerade sein Jurastudium abschließt. Lauren ist auf der Suche – nach einem Job und nach einem festen Freund. Andrew Bujalskis dritter Film zeigt junge Leute beim Abschied von der Unverbindlichkeit. Bujalski ist einer der Protagonisten der Mumblecore-Bewegung, US-amerikanischer Low-Budget-Produktionen, geprägt durch improvisierende Laiendarsteller, Dialoglastigkeit und eine entdramatisierte Abbildung des Alltags. AGATHA ET LES LECTURES ILLIMITÉES (Marguerite Duras, F 1981, 14. & 26.9.) Marguerite Duras erzählt aus dem Off die Geschichte einer inzestuösen Geschwisterbeziehung. Bruder und Schwester treffen sich nach Jahren im Haus ihrer Kindheit und Jugend wieder, um endgültig Abschied voneinander zu nehmen. "Ich sehe den Film als eine Unterstützung des Geschriebenen. Anstatt auf weißem Papier zu schreiben, schreibt man auf Bilder. Man spricht, und dann setzt man das Gesprochene auf das Bild." (Marguerite Duras) LA MAMAN ET LA PUTAIN (Die Mama und die Hure, Jean Eustache, F 1973, 17. & 23.9.) Alexandre (Jean-Pierre Léaud), ein junger Mann, der keinem Beruf nachgeht, lebt mit Marie (Bernadette Lafont) zusammen, kann jedoch seine frühere Geliebte nicht vergessen und versucht, sie durch einen Heiratsantrag zurückzugewinnen. Kurz darauf lernt Alexandre Véronika kennen und er lässt sich auf ein Dreiecksverhältnis ein, das in einen Selbstmordversuch Maries mündet. Jean Eustaches Studie über drei Personen, den Mikrokosmos Paris-St.-Germain-des-Prés und die ganze französische Gesellschaft nach dem Trauma des Mai 68 ist nicht nur ein Film, in dem sehr viel gesprochen wird, der Sprachgebrauch ist auch wichtiges Gesprächsthema der Protagonisten. NINOTCHKA (Ernst Lubitsch, USA 1939, 22., 29. & 30.9.). Greta Garbo als schöne, aber kühle Sowjet-Funktionärin wird nach Paris entsendet, in eine Stadt, in der die Frauen komische Hüte tragen, um die dubiosen Aktivitäten dreier Delegierter zu überprüfen, und taut langsam auf – angesichts des bourgeoisen Charmes der Stadt und des stilvollen Kapitalisten Graf Léon d’Algout … „Garbo laughs!“, verkündete die Werbezeile 1939. Ninotchka ist ein exemplarisches Beispiel für Hollywoods Screwball-Comedy der 30er Jahre, das sich durch hohe Dialoglastigkeit und seinen Wortwitz auszeichnet.