DER ANDERE (Max Mack, D 1913, 2. & 6.3., am Klavier: Eunice Martins) war einer der ersten Versuche der deutschen Filmgeschichte, das Kino vom Ruch des proletarischen Vergnügens zu befreien und es einem bürgerlichen Publikum näher zu bringen. Nach Vorbild des französischen Film d'Art wurden Theater und Literatur zum Vorbild erkoren, und namhafte Autoren, Theaterschauspieler und -regisseure für den Film zu gewinnen versucht. Albert Bassermann spielt in dem von Paul Lindau nach seinem gleichnamigen Theaterstück geschriebenen Film den Rechtsanwalt Dr. Haller, der nach einem Sturz unter einer Bewusstseinsveränderung leidet und sich in den "Anderen" verwandelt. Sein Alter Ego durchstreift die Berliner Halbwelt und verübt einen Einbruch. Die Dr. Jekyll & Mr. Hyde-Variante antizipiert eines der wichtigen Themen des Weimarer Kunstkinos: Ich-Verlust und fremdbestimmtes Handeln. Davor zeigen wir A LA CONQUÊTE DU PÔLE (F 1912), einen der letzten und längsten Filme Georges Méliès'. Beim Theaterbetreiber Méliès ist der filmische Raum der Bühnenraum und Film eine Fortsetzung seiner Illusionsbühne.
Asta Nielsen, der erste weibliche Filmstar in der Geschichte des Kinos, die vor allem durch ihr körperbetontes Spiel bekannt wurde, begann als Bühnenschauspielerin, bevor sie ab 1910 Filme drehte. HAMLET (Svend Gade & Heinz Schall, D 1920, 5. & 10.3., am Klavier: Eunice Martins) wurde von ihr selbst produziert. Sie wählte eine Interpretation der Hamlet-Geschichte, die besagt, dass der dänische Prinz eine Frau war und übernahm selbst die Hauptrolle. Um den Thron zu sichern, gibt die dänische Königin ihre Tochter als männlichen Thronfolger aus, und so wächst das Mädchen als Knabe heran. Der Onkel ermordet den König und besteigt selbst den Thron. Prinz Hamlet sinnt auf Rache, gibt vor, dem Wahnsinn verfallen zu sein und nutzt die Ankunft einer Schauspielertruppe, dem Onkel sein Verbrechen vor Augen zu führen.
HAMLET (Laurence Olivier, GB 1948, 29. & 30.3.) Laurence Olivier inszenierte nach Henry V. (1944) zum zweiten Mal ein Shakespeare-Stück als Regisseur, Produzent und Hauptdarsteller in einem. "In zweieinhalb Stunden spielt der Theatermensch Olivier die Möglichkeiten des Mediums Film aus, indem er die Weitläufigkeit des Filmraums für lange Kamerafahrten nutzt, um in geschickten Perspektivwechseln und Überblendungen das Raum- und Zeitkontinuum brechen zu können, indem er Licht und Schatten, Nebel und die karge, kalte, ja finstere Atmosphäre des Originalschauplatzes Helsingör gezielt zur Charakterisierung der Figuren und Situationen einsetzt, indem er häufig vom Monolog und Beiseitesprechung zum inneren Monolog wechselt und allen Figuren nur so viel Platz einräumt, wie er zum Erzählen braucht." (Volker Pruß / Jürgen Wiemers)
LES ENFANTS DU PARADIS (Kinder des Olymp, Marcel Carné, F 1943–45, 14. & 19.3.) schildert nach einem Drehbuch von Jacques Prévert die Beziehung einer Frau zu vier Männern im Pariser Theatermilieu um 1835. Es begegnen sich die schöne Garance, der Pantomime Debureau, der Schauspieler Frédéric und der anarchistische Gauner Lacenaire. Liebe und Schicksal, scheiternde Hoffnungen und Enttäuschungen verbinden sich zu einem gleichnishaften Gesamtbild vom Leben als Theater und vom Theater als Lebensbühne. Ein Liebeskarussell als Diskurs über Kunst und Wirklichkeit.
ALL ABOUT EVE (Joseph L. Mankiewicz, USA 1950, 13. & 15.3.) Der alternde Broadway-Star Margo Channing (Bette Davis) wird auf dem Höhepunkt ihrer Karriere von der jungen Eve (Anne Baxter) unverhohlen bewundert, und macht diese zu ihrer Assistentin. Von Margo lange Zeit unbemerkt, setzt Eve jedoch alles daran, Margo von ihrem Sockel zu stürzen und sich ihren Ruhm, ihre Rollen, ihre Liebhaber, kurz ihr ganzes Leben anzueignen. Mankiewicz’ Film erzählt von der dunklen Seite des Erfolgs, den Eitelkeiten und Eifersüchteleien, hässlichen Intrigen und versteckten Ambitionen, die sich im Schatten des Rampenlichts abspielen.
A STAR IS BORN (George Cukor, USA 1954, 12. & 16.3.) Ein Hollywood-Musical über Hollywood, das durch den Blick auf die Welt der Musical-Bühnen fasziniert. Die junge Esther (Judy Garland) macht sich aus ihrem Provinznest nach Hollywood auf, um dort als Filmstar Karriere zu machen. Auch ihre ersten entmutigenden Erfahrungen können sie nicht von ihrem Traum abbringen. Schließlich trifft sie auf den Filmstar Norman Maine (James Mason), der seit längerem mehr durch seine Alkoholeskapaden denn durch Filme auf sich aufmerksam macht. Er erkennt ihr Talent und verhilft ihr zum Durchbruch. Während sie Hollywood erobert, ist sein Stern unaufhaltsam am Sinken.
NARAYAMA BUSHIKO (Die Ballade von Narayama, Kinoshita Keisuke, Japan 1958, 17. & 25.3.) Das japanische Kabuki-Theater, das sich durch eine streng stilisierte Form auszeichnet, war ein wichtiger Referenzpunkt in der Entwicklung des japanischen Films. In frappant farbigen Studiokulissen erzählt Kinoshita die Geschichte von einem Dorf, in dem es die Tradition will, dass alle 70-Jährigen sich zum Sterben auf den Berg Narayama begeben. "Zum Faszinierenden und Zeitlosen in dieser im besten Sinn eigenwilligen Verfilmung gehören das Spiel mit der Künstlichkeit, die den Realismus betont meidet. Die Anlehnung ans Theater ist unübersehbar, gleichzeitig nutzt Kinoshita die Mittel des Kinos, mit denen er den Bühnenraum durchbricht und einzelne Szenen grandios aus einander hervorgehen lässt, fließend, als wechsle er einfach den Bühnenraum." (Walter Ruggle)
GISHIKI (The Ceremony, Oshima Nagisa, Japan 1971, 1. & 7.3.) ist eine Kritik Oshimas an den leer und sinnlos gewordenen Ritualen und Zeremonien, die die japanische Gesellschaft prägen. GISHIKI erzählt 25 Jahre aus der Geschichte einer weit verzweigten, unter der Diktatur eines mächtigen Großvaters stehenden Familie, die sich meistens in Form von Zeremonien abspielt. Damit entwirft er ein umfassendes Bild der japanischen Nachkriegsgesellschaft. Visuell und dramaturgisch streng durchkomponiert, spiegelt der Film die Strukturen einer Familie und einer Gesellschaft.
KATZELMACHER (Rainer Werner Fassbinder, BRD 1969, 3. & 9.3.) Auch wenn er hauptsächlich als Filmregisseur in Erinnerung geblieben ist, hat Rainer Werner Fassbinder sich nicht weniger intensiv mit dem Theater auseinandergesetzt. "Ich habe im Theater so inszeniert, als wäre es Film, und habe dann den Film so gedreht, als wäre es Theater." (R. W. Fassbinder) KATZELMACHER ist eine modellhaft stilisierte, konzentrierte Studie über eine von Sprachlosigkeit und Langeweile geprägte Gruppe junger Leute, deren Dynamik kurzfristig durch das Auftauchen eines griechischen Gastarbeiters aufgebrochen wird. Der Verzicht auf Kamerabewegungen und Tiefenschärfe spiegelt die erstarrte, in Formeln gefangene Kommunikation wider.
CÉLINE ET JULIE VONT EN BATEAU (Céline und Julie fahren Boot, Jacques Rivette, F 1974, 18. & 27.3.) ist ein wunderbar leichter, zauberhafter, verwirrender Film über Paris, ein Haus, eine Familie von Gespenstern und zwei Frauen: Céline (Juliet Berto), eine Gauklerin, die in einem Nachtclub auftritt und die Bibliothekarin Julie (Dominique Labourier), bewegen sich mühelos zwischen Traum und Realität, Fantasie- und -Erinnerungswelten hin- und her. In diesem fantastischen wie vieldeutigen Mosaik, einem der Leitfilme der 1970er Jahre, zeigen sich u. a. Einflüsse der Commedia dell'arte ebenso wie der anarchische Improvisationsstil des freien Theaters der 60er und 70er Jahre.
VA SAVOIR (Jacques Rivette, F / I 2001, 11. & 28.3.) Camille, eine französische Schauspielerin, kommt nach drei Jahren nach Paris zurück, um mit ihrer italienischen Theatergruppe ein Stück von Pirandello aufzuführen. Geplagt von Lampenfieber und der Angst, ihrem ehemaligen Liebhaber zu begegnen, ist sie ziemlich durcheinander und führt häufig Selbstgespräche. Zugleich ist sie die Geliebte des Regisseurs Ugo, der auf der Suche nach einem Manuskript von Goldoni durch Pariser Bibliotheken geistert. Liebesirrungen und Wirrungen nehmen ihren Lauf, ein wunderbarer Reigen der Möglichkeiten, in dem immer neue Kombinationen von Verführern und Verführten auftauchen. Das Leben auf der Bühne und im Alltag vermischt sich, die Grenzen zwischen Spiel und Realität befinden sich in Auflösung.
THE BRIG (Jonas Mekas, USA 1964, 6.3.) ist die Verfilmung des Bühnenstücks The Brig von Kenneth Brown in einer Inszenierung des Living Theater von Judith Malina und Julian Beck in New York, das von Jonas Mekas in einer spontanen Entscheidung und ohne Vorbereitungen gefilmt wurde. Das Stück handelt von einer Strafbaracke im Jahre 1957. US-amerikanische strafgefangene Soldaten werden auf kleinstem Raum mit sinnlosen Verhaltensregeln gequält, die nur dazu dienen, sie zu demütigen. "Eine der Ideen, die ich verfolgte, war die Anwendung der sogenannten Cinéma-vérité-Technik auf ein inszeniertes Ereignis." (Jonas Mekas)
Leben und Theater gehen fast übergangslos ineinander über in Louis Malles VANYA ON 42ND STREET (Louis Malle, USA 1994, 22. & 26.3.). Eine Gruppe von Menschen (darunter Louis Malle und der Theaterregisseur André Gregory) treffen sich auf der Straße in Manhattan und gehen gemeinsam zu einem Theater in der 42. Straße, wo die Proben zu Anton Tschechows Stück Onkel Wanja stattfinden. Dort angekommen, schlüpfen die Schauspieler (darunter Wallace Shawn und Julianne Moore) vom Zuschauer quasi unbemerkt in ihre Rollen – ohne sichtbare Zäsur wechseln sie von einer Sphäre in die andere, ohne Schminke, Kostümwechsel, ohne sichtbare Vorbereitung. In dem heruntergekommenen Theater, dessen Ausstattung aus nicht viel mehr als ein paar Tischen und Stühlen besteht, entsteht eine eindringlich intime Stimmung.
LES ARTISTES DU THÉÂTRE BRÛLÉ (Das Theater in den Ruinen, Rithy Panh, Kambodscha/F 2005, 4. & 8.3.) Das Nationaltheater von Phnom Penh hat wie durch ein Wunder der destruktiven Gewaltherrschaft der Roten Khmer standgehalten und wurde erst 1994 durch einen Brand zerstört. Heute steht es wie eine offene Wunde in der Stadt, während rundherum gebaut wird und Phnom Penh in eine moderne Stadt verwandelt wird. In einer Mischung aus Fiktion und Realität zeigt Rithy Panh die Versuche einiger Schauspieler, den Glauben an die Kunst aufrechtzuerhalten und an verlorene Traditionen anzuknüpfen.
Eine inszenierte Gerichtsverhandlung steht im Zentrum von BAMAKO (Abderrahmane Sissako, Mali 2006, 20. & 24.3.). Im Innenhof eines Wohnhauses wird dem Internationalen Währungsfonds und der Weltbank von Vertretern der afrikanischen Bevölkerung der Prozess gemacht. Während Anklagende, Zeugen und Verteidiger ihre Standpunkte vertreten, spielt das Leben im Hof munter weiter, mischen sich alltägliche Verrichtungen wie ein Kommentar in die intellektuelle Debatte. Dadurch, dass das Gericht in den Alltag geholt wird, wird vieles, was diskutiert wird, ganz beiläufig auch sichtbar und begreifbar.
Asta Nielsen, der erste weibliche Filmstar in der Geschichte des Kinos, die vor allem durch ihr körperbetontes Spiel bekannt wurde, begann als Bühnenschauspielerin, bevor sie ab 1910 Filme drehte. HAMLET (Svend Gade & Heinz Schall, D 1920, 5. & 10.3., am Klavier: Eunice Martins) wurde von ihr selbst produziert. Sie wählte eine Interpretation der Hamlet-Geschichte, die besagt, dass der dänische Prinz eine Frau war und übernahm selbst die Hauptrolle. Um den Thron zu sichern, gibt die dänische Königin ihre Tochter als männlichen Thronfolger aus, und so wächst das Mädchen als Knabe heran. Der Onkel ermordet den König und besteigt selbst den Thron. Prinz Hamlet sinnt auf Rache, gibt vor, dem Wahnsinn verfallen zu sein und nutzt die Ankunft einer Schauspielertruppe, dem Onkel sein Verbrechen vor Augen zu führen.
HAMLET (Laurence Olivier, GB 1948, 29. & 30.3.) Laurence Olivier inszenierte nach Henry V. (1944) zum zweiten Mal ein Shakespeare-Stück als Regisseur, Produzent und Hauptdarsteller in einem. "In zweieinhalb Stunden spielt der Theatermensch Olivier die Möglichkeiten des Mediums Film aus, indem er die Weitläufigkeit des Filmraums für lange Kamerafahrten nutzt, um in geschickten Perspektivwechseln und Überblendungen das Raum- und Zeitkontinuum brechen zu können, indem er Licht und Schatten, Nebel und die karge, kalte, ja finstere Atmosphäre des Originalschauplatzes Helsingör gezielt zur Charakterisierung der Figuren und Situationen einsetzt, indem er häufig vom Monolog und Beiseitesprechung zum inneren Monolog wechselt und allen Figuren nur so viel Platz einräumt, wie er zum Erzählen braucht." (Volker Pruß / Jürgen Wiemers)
LES ENFANTS DU PARADIS (Kinder des Olymp, Marcel Carné, F 1943–45, 14. & 19.3.) schildert nach einem Drehbuch von Jacques Prévert die Beziehung einer Frau zu vier Männern im Pariser Theatermilieu um 1835. Es begegnen sich die schöne Garance, der Pantomime Debureau, der Schauspieler Frédéric und der anarchistische Gauner Lacenaire. Liebe und Schicksal, scheiternde Hoffnungen und Enttäuschungen verbinden sich zu einem gleichnishaften Gesamtbild vom Leben als Theater und vom Theater als Lebensbühne. Ein Liebeskarussell als Diskurs über Kunst und Wirklichkeit.
ALL ABOUT EVE (Joseph L. Mankiewicz, USA 1950, 13. & 15.3.) Der alternde Broadway-Star Margo Channing (Bette Davis) wird auf dem Höhepunkt ihrer Karriere von der jungen Eve (Anne Baxter) unverhohlen bewundert, und macht diese zu ihrer Assistentin. Von Margo lange Zeit unbemerkt, setzt Eve jedoch alles daran, Margo von ihrem Sockel zu stürzen und sich ihren Ruhm, ihre Rollen, ihre Liebhaber, kurz ihr ganzes Leben anzueignen. Mankiewicz’ Film erzählt von der dunklen Seite des Erfolgs, den Eitelkeiten und Eifersüchteleien, hässlichen Intrigen und versteckten Ambitionen, die sich im Schatten des Rampenlichts abspielen.
A STAR IS BORN (George Cukor, USA 1954, 12. & 16.3.) Ein Hollywood-Musical über Hollywood, das durch den Blick auf die Welt der Musical-Bühnen fasziniert. Die junge Esther (Judy Garland) macht sich aus ihrem Provinznest nach Hollywood auf, um dort als Filmstar Karriere zu machen. Auch ihre ersten entmutigenden Erfahrungen können sie nicht von ihrem Traum abbringen. Schließlich trifft sie auf den Filmstar Norman Maine (James Mason), der seit längerem mehr durch seine Alkoholeskapaden denn durch Filme auf sich aufmerksam macht. Er erkennt ihr Talent und verhilft ihr zum Durchbruch. Während sie Hollywood erobert, ist sein Stern unaufhaltsam am Sinken.
NARAYAMA BUSHIKO (Die Ballade von Narayama, Kinoshita Keisuke, Japan 1958, 17. & 25.3.) Das japanische Kabuki-Theater, das sich durch eine streng stilisierte Form auszeichnet, war ein wichtiger Referenzpunkt in der Entwicklung des japanischen Films. In frappant farbigen Studiokulissen erzählt Kinoshita die Geschichte von einem Dorf, in dem es die Tradition will, dass alle 70-Jährigen sich zum Sterben auf den Berg Narayama begeben. "Zum Faszinierenden und Zeitlosen in dieser im besten Sinn eigenwilligen Verfilmung gehören das Spiel mit der Künstlichkeit, die den Realismus betont meidet. Die Anlehnung ans Theater ist unübersehbar, gleichzeitig nutzt Kinoshita die Mittel des Kinos, mit denen er den Bühnenraum durchbricht und einzelne Szenen grandios aus einander hervorgehen lässt, fließend, als wechsle er einfach den Bühnenraum." (Walter Ruggle)
GISHIKI (The Ceremony, Oshima Nagisa, Japan 1971, 1. & 7.3.) ist eine Kritik Oshimas an den leer und sinnlos gewordenen Ritualen und Zeremonien, die die japanische Gesellschaft prägen. GISHIKI erzählt 25 Jahre aus der Geschichte einer weit verzweigten, unter der Diktatur eines mächtigen Großvaters stehenden Familie, die sich meistens in Form von Zeremonien abspielt. Damit entwirft er ein umfassendes Bild der japanischen Nachkriegsgesellschaft. Visuell und dramaturgisch streng durchkomponiert, spiegelt der Film die Strukturen einer Familie und einer Gesellschaft.
KATZELMACHER (Rainer Werner Fassbinder, BRD 1969, 3. & 9.3.) Auch wenn er hauptsächlich als Filmregisseur in Erinnerung geblieben ist, hat Rainer Werner Fassbinder sich nicht weniger intensiv mit dem Theater auseinandergesetzt. "Ich habe im Theater so inszeniert, als wäre es Film, und habe dann den Film so gedreht, als wäre es Theater." (R. W. Fassbinder) KATZELMACHER ist eine modellhaft stilisierte, konzentrierte Studie über eine von Sprachlosigkeit und Langeweile geprägte Gruppe junger Leute, deren Dynamik kurzfristig durch das Auftauchen eines griechischen Gastarbeiters aufgebrochen wird. Der Verzicht auf Kamerabewegungen und Tiefenschärfe spiegelt die erstarrte, in Formeln gefangene Kommunikation wider.
CÉLINE ET JULIE VONT EN BATEAU (Céline und Julie fahren Boot, Jacques Rivette, F 1974, 18. & 27.3.) ist ein wunderbar leichter, zauberhafter, verwirrender Film über Paris, ein Haus, eine Familie von Gespenstern und zwei Frauen: Céline (Juliet Berto), eine Gauklerin, die in einem Nachtclub auftritt und die Bibliothekarin Julie (Dominique Labourier), bewegen sich mühelos zwischen Traum und Realität, Fantasie- und -Erinnerungswelten hin- und her. In diesem fantastischen wie vieldeutigen Mosaik, einem der Leitfilme der 1970er Jahre, zeigen sich u. a. Einflüsse der Commedia dell'arte ebenso wie der anarchische Improvisationsstil des freien Theaters der 60er und 70er Jahre.
VA SAVOIR (Jacques Rivette, F / I 2001, 11. & 28.3.) Camille, eine französische Schauspielerin, kommt nach drei Jahren nach Paris zurück, um mit ihrer italienischen Theatergruppe ein Stück von Pirandello aufzuführen. Geplagt von Lampenfieber und der Angst, ihrem ehemaligen Liebhaber zu begegnen, ist sie ziemlich durcheinander und führt häufig Selbstgespräche. Zugleich ist sie die Geliebte des Regisseurs Ugo, der auf der Suche nach einem Manuskript von Goldoni durch Pariser Bibliotheken geistert. Liebesirrungen und Wirrungen nehmen ihren Lauf, ein wunderbarer Reigen der Möglichkeiten, in dem immer neue Kombinationen von Verführern und Verführten auftauchen. Das Leben auf der Bühne und im Alltag vermischt sich, die Grenzen zwischen Spiel und Realität befinden sich in Auflösung.
THE BRIG (Jonas Mekas, USA 1964, 6.3.) ist die Verfilmung des Bühnenstücks The Brig von Kenneth Brown in einer Inszenierung des Living Theater von Judith Malina und Julian Beck in New York, das von Jonas Mekas in einer spontanen Entscheidung und ohne Vorbereitungen gefilmt wurde. Das Stück handelt von einer Strafbaracke im Jahre 1957. US-amerikanische strafgefangene Soldaten werden auf kleinstem Raum mit sinnlosen Verhaltensregeln gequält, die nur dazu dienen, sie zu demütigen. "Eine der Ideen, die ich verfolgte, war die Anwendung der sogenannten Cinéma-vérité-Technik auf ein inszeniertes Ereignis." (Jonas Mekas)
Leben und Theater gehen fast übergangslos ineinander über in Louis Malles VANYA ON 42ND STREET (Louis Malle, USA 1994, 22. & 26.3.). Eine Gruppe von Menschen (darunter Louis Malle und der Theaterregisseur André Gregory) treffen sich auf der Straße in Manhattan und gehen gemeinsam zu einem Theater in der 42. Straße, wo die Proben zu Anton Tschechows Stück Onkel Wanja stattfinden. Dort angekommen, schlüpfen die Schauspieler (darunter Wallace Shawn und Julianne Moore) vom Zuschauer quasi unbemerkt in ihre Rollen – ohne sichtbare Zäsur wechseln sie von einer Sphäre in die andere, ohne Schminke, Kostümwechsel, ohne sichtbare Vorbereitung. In dem heruntergekommenen Theater, dessen Ausstattung aus nicht viel mehr als ein paar Tischen und Stühlen besteht, entsteht eine eindringlich intime Stimmung.
LES ARTISTES DU THÉÂTRE BRÛLÉ (Das Theater in den Ruinen, Rithy Panh, Kambodscha/F 2005, 4. & 8.3.) Das Nationaltheater von Phnom Penh hat wie durch ein Wunder der destruktiven Gewaltherrschaft der Roten Khmer standgehalten und wurde erst 1994 durch einen Brand zerstört. Heute steht es wie eine offene Wunde in der Stadt, während rundherum gebaut wird und Phnom Penh in eine moderne Stadt verwandelt wird. In einer Mischung aus Fiktion und Realität zeigt Rithy Panh die Versuche einiger Schauspieler, den Glauben an die Kunst aufrechtzuerhalten und an verlorene Traditionen anzuknüpfen.
Eine inszenierte Gerichtsverhandlung steht im Zentrum von BAMAKO (Abderrahmane Sissako, Mali 2006, 20. & 24.3.). Im Innenhof eines Wohnhauses wird dem Internationalen Währungsfonds und der Weltbank von Vertretern der afrikanischen Bevölkerung der Prozess gemacht. Während Anklagende, Zeugen und Verteidiger ihre Standpunkte vertreten, spielt das Leben im Hof munter weiter, mischen sich alltägliche Verrichtungen wie ein Kommentar in die intellektuelle Debatte. Dadurch, dass das Gericht in den Alltag geholt wird, wird vieles, was diskutiert wird, ganz beiläufig auch sichtbar und begreifbar.