EXAMINED LIFE (Astra Taylor, Kanada 2008, 24.11.) zeigt acht PhilosophInnen "bei der Arbeit" – Cornel West, Avital Ronell, Peter Singer, Kwame Anthony Appiah, Martha Nussbaum, Michael Hardt, Slavoj Žižek und Judith Butler reflektieren, analysieren, formulieren an für sie prägnanten Orten in New York. Taylor hat einen "Walking Heads" Film gemacht, der gleichzeitig viele für die Menschenrechtsarbeit wichtige Diskurse vorstellt. Der Archiv-Essay-Film WATCHED OVER BY MACHINES OF LOVING GRACE (Adam Curtis, GB 2011, 26.11.) spannt einen weiten historischen Bogen – von den Vordenkern des Neoliberalismus wie Ayn Rand bis zu verheerenden Auswirkungen der brutalen Kolonialpolitik im Kongo. Curtis untersucht die Rolle staatlicher und großwirtschaftlicher Kontrolle – und inwieweit beide Instanzen miteinander verflochten sind. Ein Hohelied auf den Kontrollverlust singen Jesper Huor und Bosse Lindquist in WIKIREBELS (Schweden 2010, 24.11.): Der Film über die aufklärerische Rolle der Internet-Whistleblower Wiki-Leaks machte Furore, als er kurz nach der Verhaftung von WikiLeaks-Führer Julian Assange vor einem Jahr veröffentlicht wurde, bleibt aber noch heute aktuell. Die brisantesten Enthüllungen von Wiki-Leaks betreffen die Militäroperationen der westlichen Streitkräfte in Vorderasien. Zwei Beiträge, MUSIK ALS WAFFEREMOTE CONTROL WAR (Tristan Chytroschek, D 2010, 29.11.) und REMOTE CONTROL WAR (Leif Kaldor, Kanada 2010, 29.11.), zeigen hoch unkonventionelle Waffen, die in den jüngsten Kriegen zum Einsatz kamen. Selbst Kinderlieder können bei lautstarker und unablässiger Beschallung zu Folterinstrumenten werden. Und es fehlt nicht viel, bis effektive ferngesteuerte Kampfmaschinen mit Bauteilen vom Elektronikmarkt angefertigt werden können. Ein panoramisches Bild vom Leben nach dem Sturz Saddam Husseins und unter US-Besatzung zeichnet der irakische Regisseur Kasim Abid in LIFE AFTER THE FALL (Irak/GB 2008, 26.11.). Davor sind im Programm Human Right Matters Kurzfilme zu sehen, die unter Abids Anleitung in der Baghdad Film School entstanden sind. Das Projekt widmet sich der Ausbildung von irakischen Nachwuchsfilmemachern. Arabischer Frühling – amerikanischer Herbst. Die Begeisterung für eine Protestbewegung, die einen Vorstoß in die Höhle des Löwen wagt – den symbolischen und de facto Sitz des internationalen Finanzwesens auf der Wall Street in New York – war die Inspiration für OCCUPY WALL STREET. Aus Aktualitätsgründen wird das endgültige Programm erst kurz vor Veranstaltungstermin feststehen. (25.11.) IN FREE FALL (D 2010, 30.11.), Hito Steyerls jüngstes Werk, bezieht sich ebenfalls auf die Krise. (zusammen mit NOVEMBER, Hoto Steyerl, D 2004). Eine weitere Würdigung aktueller Entwicklungen ist die Vorführung von Michael Madsens preisgekröntem Film INTO ETERNITY (Dänemark/Schweden/Finnland, Italien, 28.11.), der sich mit Kernkraft auseinandersetzt. In GRANITO (USA 2010, 27.11.) greift Pamela Yates den Massenmord an über 20.000 Mayas während des Bürgerkrieges Anfang der 80er Jahre in Guatemala auf. Die Verbrechen und die Straflosigkeit der beteiligten Mitglieder der guatemalischen Armee waren bereits Sujet von Yates Film When The Mountains Tremble (1982), deren Aufnahmen 25 Jahre später als Beweismaterial im Prozess vor dem ICC dienten. Zu diesem Anlass kommen Yates und die Aktivisten von damals wieder zusammen. MEANDROS (Manuel Ruiz Montealegre, Hector Ulloque Franco, Kolumbien 2010, 27.11.) zeigt die Region um den kolumbianischen Fluss Guaviare als Schauplatz blutiger Auseinandersetzungen zwischen Paramilitärs, Guerilla, Regierungsstreitkräften und Drogenmafia. An seinen Ufern zeigt sich ein undurchsichtiges Mosaik aus Drogenkrieg und ethnischen Gegensätzen. Einst vertrieben die Siedler die indigene Bevölkerung, heute sie sind selbst auf der Flucht vor Mafia und Milizen. MISSIONARIES OF HATE (Mariana von Zeller, USA 2010, 25.11.) untersucht die Rolle von evangelikalen Christen aus den USA bei dem Entwurf eines Gesetzes in Uganda, das Homosexualität unter Todesstrafe stellt. Viele afrikanische Gesellschaften sehen gleichgeschlechtliche Lebensweisen als dekadente Importe aus dem Westen, aber sie als Kapitalverbrechen zu ahnden erscheint ihnen sehr extrem – bis auf einige Prediger mit großen Anhängerschaften und ideeller Unterstützung aus den USA. Als Sondervorführung zeigen wir WHITE CHARITY (Timo Kiesel, Carolin Philipp, D 2011, 27.11.), der die Plakatwerbung von Hilfsorganisationen analysiert, die die Menschen, für die gespendet werden sollen, teilweise diskriminiert. Es feiern zwei europäische Filmklassifikationsbehörden 100-Jähriges. Die schwedische Filmzensur hat pünktlich zum 100. Geburtstag die Arbeit eingestellt. CENSUR – EN THRILLER (Peter Normark, Schweden 2011) dokumentiert die Behörde im Wandel der Zeiten und Tabus. Die British Film Classification Board dagegen ist noch aktiv. Matt Pellys DEAR CENSOR (GB 2011) porträtiert die bisher fünf amtierenden britischen Oberzensoren. (28.11.) In der Black Box ist für die Dauer des Festivals das 50-stündige Werk THE MAGIC BULLET von Markus Öhrn zu sehen. Öhrn hat darin alle Filmszenen, die je auf Anweisung von der schwedischen Zensurbehörde herausgeschnitten werden mussten, zusammengetragen. In diesem Archiv der anderen Art begegnen sich Softcorepornos, Splatterfilme, Filmkunst – und Burt Reynolds und Liza Minnelli. (Mit freundlicher Unterstützung der Schwedischen Botschaft). Teile des Programms können auch im Internet verfolgt werden. Auf www.realeyz.tv - external-link-new-window>www.realeyz.tv können ausgewählte Filme vergangener Jahrgänge und auch des aktuellen Festivals (nach der Kinopremiere) als Stream angeschaut werden. Auch Diskussionsveranstaltungen werden online abrufbar sein. (Natalie Gravenor)