Programm:
L'HYPOTHÈSE DU TABLEAU VOLÉ (Die Hypothese vom gestohlenen Gemälde), Raúl Ruiz, Frankreich 1978, OV mit dt. UT, 67’
"Dies ist die Geschichte eines geheimnisvollen Bildersammlers, der auch Interpretationen sammelte. Dieser Sammler, der eine Serie von Bildern eines Malers namens Tonnerre besitzt, scheint uns zu einer Art Führung einzuladen, in deren Verlauf er den Grund des Skandals herauszufinden sucht, den die Bilder zu ihrer Zeit auslösten. Man kann annehmen, dass eines der Bilder fehlt: Das ist die Hypothese vom gestohlenen Bild, um welches sich der Skandal und die argwöhnischen Vermutungen drehen. Es geht darum, dieses unsichtbare Bild zusammenzusetzen, um das Geheimnis zu durchdringen, das der Kollektion insgesamt ihren Sinn geben könnte.
Aber anstelle einer Erklärung des Geheimnisses entdecken wir nur eine Folge von Rätseln, die spiralförmig zueinander angeordnet scheinen. Diese Fabel von der Darstellung einer maliziösen, ja perversen Intelligenz wird weniger wie ein Kriminalroman, sondern wie eine Schachpartie entwickelt, an der der Zuschauer teilnimmt, ohne je der Rolle sicher zu sein, die er spielen soll: Vertrauter, Zeuge oder Komplize."
(Raúl Ruiz)
Der Film basiert auf Texten und Theorien des französischen Philosophen Pierre Klossowski, der auch die Hauptrolle in dem Film spielt. Klossowskis Theorie koppelt den Vorrang des Bildes ("Ich stehe im Bann des Bildes") mit einer erotisierten Version von Inszenierung und dem inszeniert werden: sich in den Händen einer fremden Person befinden, ausgeliefert zwischen Gewalt und erotischem (Selbst-) Verzicht, in diesem Zustand werden die Figuren angehalten. (Stephan Geene)
COLLOQUE DE CHIENS (Kolloquium der Hunde), Raúl Ruiz, Frankreich 1978, OV mit dt. UT, 18’
Hunde erzählen eine melodramatische Geschichte, die von Adoptivkindern und Mördern handelt.
"COLLOQUE DE CHIENS ist ein komischer Film, nicht nur deshalb, weil er einen Photoroman fabriziert, der wahrer ist als die Natur (eine Geschichte von der falschen Identität, in der es – unter anderem – um die Wiederkehr der gleichen in den anderen geht), sondern auch deshalb, weil er einen lachen läßt, ohne sich jemals der Verachtung zu bedienen. Es handelt sich in der Tat nicht um eine "Entmystifizierung", um eine Lektüre „zweiten Grades“, die auf einfältige Weise die Intelligenz von Autor und Zuschauer auf dem Rücken des Photoromans (und dessen Lesern) miteinander zu verbinden sucht, sondern im Gegenteil um dessen veritable Rekonstruktion mit den Mitteln des Films. Ruiz verbindet einen aus dem Off gesprochenen Text mit einer Serie starrer Bilder, die so wie (und besser als) im Photoroman miteinander verkettet sind; so gibt er letzterem seinen Adelstitel zurück und erweist ihm gleichzeitig als Filmemacher Tribut: denn was ist ein Film anderes als eine Serie von Bildern, die mit einer Erzählung verbunden sind – das heißt die Essenz des Photoromans, einer der privilegierten Übergänge von der Photographie zum Film? Hier wird eine Genealogie abgeschlossen, das Kino wird auf den populärsten seiner Ursprünge zurückgeführt, und die Hunderasse wird gesättigt mit ihrem Anteil an Fiktion: denn, unnütz es zu sagen, Ruiz hat diese Geschichte nicht erfunden: hier haben wir es mit einem echten Dialog der Hunde zu tun." (Nathalie Heinich, Les objets et les coups, in: Cahiers du Cinema)
Informationen zu dem Projekt „if sex takes no time (and was no lebendes bild)“ von Stephan Geene finden Sie unter: http://www.arsenal-berlin.de/de/living-archive/projekte/stephan-geene.html