Sie war die aufregendste und eleganteste Tänzerin im Hollywood-Musical der 50er Jahre. Ihre Beine waren MGM der Legende nach eine Versicherungssumme von 5 Millionen Dollar wert. Sie spielte mehrfach Hauptrollen bei den bedeutendsten Regisseuren des Genres – Vincente Minnelli und Stanley Donen – und war eine bevorzugte Tanzpartnerin von Gene Kelly und Fred Astaire. "Beautiful dynamite", nannte Astaire sie und beschrieb damit treffend die ihr eigene Art zu tanzen, eine Mischung aus Eleganz und Dynamik, Feminität und Kraft.
Nicht nur ihr herausragendes Talent, ihre Virtuosität und ihr fließender Bewegungsstil unterschied sie von allen anderen Musical-Darstellerinnen der Zeit. Cyd Charisse war weder das brave Mädchen von nebenan, das den männlichen Beschützerinstinkt weckte, noch war sie der Kumpel zum Pferde stehlen. Ihre Präsenz, ihr Selbstbewusstsein, ihre Körpergröße, die die ihrer Tanzpartner zum Teil übertraf, hatten in Verbindung mit ihrem Sexappeal eine eher einschüchternde Wirkung auf Männer. Im prüden Hollywood der 50er Jahre zählten Cyd Charisses Tanzszenen zum Erotischsten, was auf der Leinwand gezeigt werden konnte. Die Zensoren waren immer am Set.
1921 als Tula Ellice Finklea in Amarillo, Texas zur Welt gekommen, war Cyd Charisse neben Leslie Caron der einzige Musicalstar mit klassischer Tanzausbildung. Als Sechsjährige erhielt sie Ballettunterricht bei einem ehemaligen Mitglied des Bolschoi-Theaters, als 14-Jährige tanzte sie (unter russischem Pseudonym) für das Ballet Russe in Monte Carlo. Anfang der 40er Jahre gelangte sie zum Film, wo sie bald zur Primaballerina des Musicalfilms avancierte. Nach "Ziegfeld Follies" (1945) wurde sie, mit einem Sieben-Jahres-Vertrag von MGM ausgestattet, auch für Sprechrollen besetzt. Die angebotene Hauptrolle in "An American in Paris" (1951) konnte die schwangere Cyd Charisse nicht annehmen, so dass sich der internationale Durchbruch um ein Jahr verzögerte. Die freizügige Inszenierung ihrer verführerischen Beine in SINGIN' IN THE RAIN (1952) führte schließlich zu dem legendären Millionen-Dollar-Versicherungscoup. Es folgte die erste Hauptrolle an der Seite von Fred Astaire in Vincente Minnellis THE BAND WAGON (1953) und ein halbes Dutzend weiterer Hauptrollen in Hollywood-Großproduktionen im Verlauf der fünf darauffolgenden Jahre. Mit dem goldenen Zeitalter der Musicals endete Ende der 50er Jahre auch Cyd Charisses große Zeit. Ihr letztes Filmmusical, SILK STOCKINGS (1957), führte das Tanzpaar Astaire-Charisse noch einmal zusammen. Am Ende einer Tanznummer, die auf den aufkommenden Rock 'n' Roll verweist, wirft Astaire symbolisch den für ihn so typischen Hut weg, um seinen Abschied vom Musicalfilm anzukündigen. Nach Nicholas Rays PARTY GIRL (1958), Minnellis "Two Weeks in Another Town" (1962) und dem wegen Marilyn Monroes Tod unvollendet gebliebenen "Something's Got to Give" von George Cukor (1962) zog sich Cyd Charisse ab den 60er Jahren langsam aus Hollywood zurück, um gemeinsam mit ihrem Mann, dem Crooner Tony Martin, in Nightclub- und TV-Shows aufzutreten. Cyd Charisse starb im Juni 2008.