Malicks Filme, darunter so unterschiedliche Genres wie Roadmovie, Melodram, Kriegsfilm und Abenteuerfilm, sind eher poetische Collagen von akustischen und visuellen Stimmungen als stringent erzählte Geschichten. Es sind philosophische Einkreisungen der existentiellen Situation des Menschen, Meditationen über den Verlust der Unschuld in einer von Autorität und Gewalt bestimmten Umwelt. Durch die Instanz von Off-Erzählstimmen berichten sie von der Begegnung des Menschen mit Tod und Zerstörung, kontrastiert mit Naturaufnahmen von überwältigender Schönheit. Die Handlung tritt dabei teilweise in den Hintergrund, die Kamera nimmt sich Zeit, in die Natur abzuschweifen. Wasser, Wolken, Tiere und sich im Wind wiegende Gräser werden wichtiger, als die dem Augenblick verhaftete Psychologie der Personen. Oft bewegen sich die Protagonisten hin zu einer neuen Welt, die ein besseres Leben bedeuten könnte, begeben sich auf eine Reise in die Natur, ein potentielles Paradies, das die Menschen nicht erkennen oder nicht zu nutzen wissen. Auch wenn die Reisen scheitern, verströmen Malicks Filme keinen Pessimismus. Sie strahlen vielmehr eine "kosmische Gleichgültigkeit" (Peter Körte) aus. Die letzte Einstellung ist immer ein in die Ferne gerichteter Blick: endloser Himmel, Bahnschienen, die am Horizont verschwinden, die Weite des Meeres, vom Wind bewegte Baumkronen. Wir eröffnen die Reihe mit der Präsentation des Buches Terrence Malick in Anwesenheit des Autors Dominik Kamalzadeh und der anschließenden Vorführung von Terrence Malicks Debüt BADLANDS. Das Buch widmet sich Malick anhand mehrerer Essays und behandelt sowohl seine Persona und seine unvollendeten Projekte, die Nähe zu den amerikanischen Transzendentalisten, seine eigenwillige Nostalgie-Auslegung, die offene, assoziative Erzählform der Filme sowie Malicks Umgang mit dem Ton. BADLANDS (USA 1973, 12.5., in Anwesenheit von Dominik Kamalzadeh, 22. & 31.5.) erzählt, frei nach dem authentischen Fall "Starkweather/Fugate" aus dem Jahr 1958/59, die Geschichte von Holly und Kit aus Rapid City, South Dakota. Kit, ein 25-jähriger Müllarbeiter, der James Dean ähnlich sieht, verliebt sich in die zehn Jahre jüngere Schülerin Holly. Während einer Auseinandersetzung erschießt Kit Hollys Vater, der sich gegen die Beziehung stellt. Holly und Kit setzen das Haus in Brand und fliehen Richtung Badlands, eine Sumpflandschaft an der Grenze zu Montana. Terrence Malick inszeniert das zu den Klassikern des New Hollywood zählende Roadmovie in einem eigentümlich märchenhaften Stil. In einer träumerischen Atmosphäre kommentiert Holly zur Musik von Carl Orffs "Schulwerk" das Geschehen beiläufig aus dem Off, die Gewalt wird nie ausgestellt. DAYS OF HEAVEN (USA 1978, 15. & 30.5.) Chicago, 1916. Der junge Stahlarbeiter Bill lehnt sich gewaltsam gegen die Ausbeutung im Werk auf und erschlägt seinen Vorarbeiter. Gemeinsam mit seiner zwölfjährigen Schwester Linda und seiner Geliebten Abby, die er ebenfalls als seine Schwester ausgibt, flieht er nach Süden. In Texas finden sie Arbeit als Erntehelfer bei einem reichen Farmer, der sich in Abby verliebt. Bill überredet Abby, den angeblich sterbenskranken Farmer zu heiraten, um nach dessen Tod das Erbe zu kassieren. Doch der Farmer erweist sich als langlebiger als erwartet. DAYS OF HEAVEN ist vor allem wegen seiner besonderen fotografischen Qualitäten und außergewöhnlichen Lichtstimmungen berühmt geworden. Der Film wurde unter weitgehendem Verzicht auf künstliches Licht aufgenommen. Nestor Almendros und Haskell Wexler, die für die Kameraführung mit einem Oscar ausgezeichnet wurden, drehten die Außenaufnahmen hauptsächlich zur Morgen- oder Abenddämmerung, der sogenannten "Magic Hour". THE THIN RED LINE (Der schmale Grat, USA 1998, 17. & 24.5.) „Vernunft und Wahnsinn sind nur durch eine dünne rote Linie getrennt“, erläuterte James Jones den Titel seines autobiografisch gefärbten Kriegsromans von 1962, den Terrence Malick sehr frei interpretiert. Beschrieben wird darin der Kampf der US-Armee gegen die japanischen Truppen auf der Pazifikinsel Guadal-canal im Jahr 1942. Malicks Film beginnt mit Bildern unwirklicher Schönheit und zeigt ein Inselparadies, in dem zwei amerikanische Deserteure in Harmonie mit den Ureinwohnern zusammenleben und mit den Kindern im Meer schwimmen. Die wohl ungewöhnlichste Exposition eines Kriegsfilms ist bezeichnend für Malicks freien Umgang mit dem Genre. Der Film verzichtet nicht nur auf einen Helden, es gibt nicht einmal eine Hauptfigur. Charaktere tauchen auf und verschwinden wieder. Die inneren Monologe von acht Soldaten dienen Malick dazu, die episodische Struktur seines Films zu einen und ihn in einer großen Ellipse zum Anfang zurückkehren zu lassen. THE NEW WORLD (USA/GB 2005, 18., 21. & 26.5.) Virginia, die Neue Welt, April 1607. An der Mündung des James River gehen drei englische Schiffe vor Anker, um einen Stützpunkt an der Ostküste Nordamerikas zu errichten. Captain Smith wird ausgesandt, um mit den Ureinwohnern in Kontakt zu treten. Dabei gerät er in Gefangenschaft und entgeht der Hinrichtung nur, weil sich die Lieblingstochter des Algonquin-Häuptlings Powhatan für sein Leben einsetzt. Terrence Malick inszeniert die Geschichte der Indianerprinzessin Pocahontas und ihrer Liebe zu dem englischen Abenteurer John Smith nicht als Historien-Epos. Pocahontas, das ist bei Malick die Personifizierung der unbefleckten Schönheit des virgin land Virginia. Er entwickelt die Begegnung von Smith und Pocahontas als das Drama der Welt und der Zivilisation schlechthin, in der Kultur unvorstellbar ist ohne Natur und Natürlichkeit. Von THE NEW WORLD existieren drei Schnittversionen; die Premierenfassung von 150 Minuten Spieldauer kürzte Malick für den Kinostart auf 135 Minuten. Wir zeigen neben der regulären Kinofassung einmalig auf der großen Leinwand den nur als Blu-ray veröffentlichten 172-minütigen "Extended Cut" (26.5.). THE TREE OF LIFE (USA 2011, 16., 19. & 29.5.) Waco, Texas, 1955: Der zwölfjährige Jack O’Brien, der mit seinen beiden jüngeren Brüdern aufwächst, sucht seinen Weg ins Leben im Spannungsfeld zwischen seiner sanften, ätherischen Mutter und dem strengen Vater. Terrence Malick verbindet mit großer formaler Freiheit Erinnerungen an eine Kindheit in den 50er Jahren mit atemberaubenden Bildern, die zurückführen zum Anbeginn der Welt. The Tree of Life ist ein verfilmter Bewusstseinsstrom, ein vielschichtiges, bildgewaltiges Assoziationsmosaik, das nichts Geringeres als die Entstehung des Lebens zeigt: den Urknall, die Bildung von Galaxien, erste Mikro- und Makroorganismen, Bilder von Vulkanen, Ozeanen, Quallen und Haien. Eine Vielzahl von Voice-Over-Stimmen, die sich nicht immer einzelnen Figuren zuordnen lassen, kommentiert den Film. ROSY-FINGERED DAWN: A FILM ON TERRENCE MALICK (Luciano Barcaroli, Carlo Hintermann, Gerardo Panichi, Daniele Villa, Italien 2002, 20. & 28.5.) Der öffentlichkeitsscheue Terrence Malick stand auch für den ihm gewidmeten Dokumentarfilm nicht als Interviewpartner zur Verfügung. Dafür äußern sich wortreich viele an der Entstehung seiner Filme Beteiligten: Martin Sheen, Sissy Spacek, Arthur Penn, Sam Shepard, John Turturro, Sean Penn, Haskell Wexler, Billy Weber, George Tipton, Jack Fisk, John Savage, Ennio Morricone u.v.a. Filmausschnitte sowie die Spurensuche an Originalschauplätzen strukturieren den Interviewfilm.