SUD PRALAD (Tropical Malady, Apichatpong Weerasethakul, Thailand / D / F / I 2004, 1. & 5.1.) Ein Film in zwei Teilen und zwei Welten: Was als unbeschwert mäandernde Romanze zwischen dem jungen Soldaten Keng und seinem Freund Tong beginnt, öffnet sich im zweiten Teil nach einer langen Schwarzblende in ein so rätselhaftes wie hypnotisierendes Zwischenreich. Im nächtlichen Dschungel, wo Keng seinen plötzlich verschwundenen Freund sucht, lösen sich die Grenzen zwischen Mensch, Tier und Natur allmählich auf. Eine grandiose, vielstimmige Tonspur lässt die fremd-flirrende Landschaft im Halbdunkel hör- und fühlbar werden. DAS WEITE FELD (Volker Koepp, DDR 1976, 2. & 4.1.) & KURISCHE NEHRUNG (Volker Koepp, D 2001, 2. & 4.1.) Zwei Landschaften als Räume, in deren Hier und Jetzt sich die Zeit abbildet. Zum einen Fontane-Land: Koepp nimmt das "weite Feld" zum Ausgangspunkt für eine kleine Kulturgeschichte der nördlichen Mark Brandenburg, für ein Porträt ihrer Bewohner und ihrer Landschaft. Auf der schmalen Halbinsel, der Kurischen Nehrung, halb Russland, halb Litauen, haben sich Menschen und Landschaften gegenseitig geformt und die Geschichte des 20. Jahrhunderts in die Biografien der Bewohner und in den mythischen Landstrich eingeschrieben. SUNA NO ONNA (Die Frau in den Dünen, Teshigahara Hiroshi, Japan 1964, 3. & 10.1.) Sand überall: in jeder Ritze der Hütte und sich auftürmend zu riesigen Sanddünen davor. Ein Insektenkundler hat nach einem Ausflug den Bus verpasst und kommt in der Hütte einer Witwe unter. Am nächsten Morgen versperren ihm unglaubliche Sandmassen den Weg in sein normales Leben und werden zum lebensbedrohenden Gegenspieler. Atemberaubende Schwarzweißbilder der unbezwingbaren Dünen und des fließenden Sandes verschwimmen mit den Körpern der Eingeschlos-senen. U SAMOGO SINJEGO MORJA (Am blauen, blauen Meer, Boris Barnet, UdSSR 1936, 6. & 11.1.) Der erste aserbaidschanische Tonfilm ist eine clowneske, tragikomische Märchenkomödie, die vor der atemberaubenden Szenerie einer Insel im Kaspischen Meer spielt. Umgeben vom endlosen Horizont herrscht hier ein Leben ohne Grenzen, befindet sich ein utopisches Eiland der Glückseligen. So scheint es auch den beiden schiffbrüchigen Matrosen Aljoscha und Jusuf, bis sie sich beide in die schöne Brigadeführerin Mascha verlieben und zu Erzrivalen werden. Das Meer wird zum Spiegel der Gefühlswelt der Protagonisten und ihrer stürmischen Dreiecksbeziehung. ZABRISKIE POINT (Michelangelo Antonioni, USA 1969/70, 9. & 12.1.) Der Blick eines Außenstehenden auf ein Amerika zwischen Studentenunruhen, dem Mythos eines Wunderlandes der unbegrenzten Möglichkeiten und grenzenlosen Weiten. Antonionis erste und einzige amerikanische Produktion zeigt die Flucht eines junges Paares in eine zivilisationsferne Wüstenlandschaft. Die monumentalen Felsformationen des Death Valley werden einmal nicht stumme Zeugen heldenhaften Handelns sondern zum Schauplatz einer Grenzerfahrung. Atemberaubend das apokalyptische Finale zur Musik von Pink Floyd, in dem Antonioni eine Luxusvilla in Zeitlupe zerbersten lässt. JAIDER, DER EINSAME JÄGER (Volker Vogeler, BRD 1970, 13. & 17.1.) Idyllische Bilder von Wäldern, Bergen, Seen – Vogeler zitiert die klassischen Panoramen des deutschen Heimatfilms der 50er Jahre und konterkariert sie mit einem schneidenden Voice-over: "Das ist die Sonne des Grafen. Das sind die Wege des Grafen. Das sind die Wasser des Grafen. Das sind die Wälder des Grafen. Das sind die Menschen des Grafen." Landschaft als Ort der Macht, der Unterdrückung, der Willkür. Gegen sie rebelliert der wortkarge Kriegsheimkehrer Jaider (Gottfried John) und muss fortan als Wilddieb im Bayerischen Wald untertauchen. Als seine Frau und sein Bruder von den Handlangern der Obrigkeit umgebracht werden, beginnt er einen persönlichen Rachefeldzug. Brutal, sarkastisch und hoffnungslos erinnert Jaider an Sergio Corbuccis Django im gleichnamigen Italowestern. 13 LAKES (James Benning, USA 2004, 15. & 25.1.) Viele von Bennings Filmen sind filmische Befragungen, Auseinandersetzungen mit spezifischen Landschaften. So auch 13 Lakes, ein großartiges Porträt von 13 großen amerikanischen Seen in ebenso vielen ruhigen Einstellungen, strukturiert durch Licht und Farben, das Wetter und die Jahreszeiten, Lärm und Stille. In 13 Einstellungen breitet Benning den Reichtum, die Farben, Reflexionen, Geräusche, Spuren menschlicher Geschichte und zugleich die scheinbar ewige Zeit der Natur vor uns aus. Eine Geschichte über die Landschaft wie auch über das Sehen und Hören selbst. VIAGGIO IN ITALIA (Reise nach Italien, Roberto Rossellini, Italien1953, 16. & 27.1.) Neapel, Vesuv, Pompeji, Capri – Stationen einer einwöchigen Reise durch Italien. Die klassische Reiseroute einer éducation sentimentale hat in Rossellinis Film jedoch den gegenteiligen Effekt. Die italienischen Landschaften und Kulturstätten rahmen vielmehr das Ende der Ehe: Katherine (Ingrid Bergman) und Alexander (George Sanders) haben sich auseinandergelebt, die Scheidung steht im Raum. Trotz melodramatischen Endes kein Melodram sondern eher die nüchterne Beobachtung einer Krise, die sachliche Beschreibung der mediterranen Landschaft. THE BALLAD OF CABLE HOGUE (Abgerechnet wird zum Schluss, Sam Peckinpah, USA 1970, 18. & 24.1.) Nach The Wild Bunch erwartete man von Peckinpahs nächstem Film ein weiteres bleischweres Blutbad. Dementsprechend groß war die Überraschung über CABLE HOGUE, die heitere, leichtfüßig-liebevolle Charakterstudie über einen Goldsucher, der von seinen Kumpanen ausgeraubt in der bergigen Wüste Nevadas seinem Schicksal überlassen wird. Die zunächst feindliche Wüste wird bald zu Cable Hogues Lebensmittelpunkt, die Landschaft sein Wohnzimmer und Schutzraum, bis Technik und Fortschritt ihn im wahrsten Sinne überrollen. TABU (Friedrich Wilhelm Murnau, USA 1930, 25. & 30.1., am Klavier: Eunice Martins) Der Schatten eines religiösen Tabus fällt auf die paradiesische Lebenswelt einer Südseeinsel und auf die Liebe zwischen zwei jungen Inselbewohnern. Aus ihrem Paradies wird unversehens ein paradise lost, aus ihrem selbstvergessenen, spielerischen Leben ein erbitterter Kampf. Ein Melodram über Zerstörung und Verlust, eingebettet in ein inszeniertes Paradies, das zur Zeit der Dreharbeiten schon nicht mehr existierte. FATA MORGANA (Werner Herzog, BRD 1969–71, 26. & 29.1.) Afrikanische Landschaften zwischen zivilisatorischer Entweihung und Apokalypse, ein essayistischer Abgesang auf einen sterbenden Planeten. Die alptraumhaft-flirrenden Wüstenaufnahmen sind unterlegt mit guatemaltekischen Erschaffungssagen, gelesen von Herzogs Mentorin Lotte Eisner, sowie einer Musikcollage mit Songs von Johnny Cash und Leonard Cohen.