MONTEREY POP (D.A. Pennebaker, USA 1968, 1. & 5.10.) Der Ruf nach neuen dokumentarischen Formen und die entsprechenden technischen Innovationen – leichte 16-mm-Kameras und tragbare Tonaufnahmegeräte – bewirkten Anfang der 60er Jahre eine regelrechte Revolution auf dem Gebiet des Dokumentarfilms. Unter dem Label "Direct Cinema" drehten Regisseure wie Robert Drew, Richard Leacock, Albert & David Maysles und D.A. Pennebaker Filme von ungewohnter Unmittelbarkeit und Lebendigkeit. Eines der Hauptwerke des Direct Cinema ist der frühe Konzertfilm MONTEREY POP, der nicht unwesentlich zur Mythenbildung des dreitägigen Musikfestivals im kalifornischen Monterey 1967 beigetragen hat. Janis Joplin, Jimi Hendrix, The Who, Jefferson Airplane, The Mamas & the Papas, Ravi Shankar und begeisterte 50.000 Festivalbesucher zelebrieren den Höhepunkt des "Summer of Love". TERRA AM TRANSE (Land in Trance, Glauber Rocha, Brasilien 1967, 2. & 18.10.) Ebenfalls in den frühen 60er Jahren entwickelte sich in Brasilien das Cinema Novo, dessen Regisseure sich für einen spezifisch brasilianischen künstlerischen Ausdruck unter Einbeziehung traditioneller Erzählformen und Ästhetik aussprachen. Von Glauber Rocha stammt nicht nur der zentrale Text der Bewegung, Ästhetik des Hungers (1965), sondern auch deren radikalster Film: TERRA EM TRANSE. Dokumentarische, surrealistische, opernhafte, poetische und mythologische Elemente fügen sich zu einem furiosen Bild der Machtverhältnisse in Brasilien. Der Protagonist Paulo schließt sich erst einem rechtskonservativen Politiker, danach einem populistischen Reformer an. Bald erkennt er, dass es beiden nur um die Macht und nicht um gesellschaftliche Veränderung geht. HAMLET (Svend Gade, Heinz Schall, D 1920/21, 3. & 16.10., am Klavier: Eunice Martins) Asta Nielsen, Schauspielerin, Filmautorin, Produzentin, gilt als erster Kinostar der Filmgeschichte und Filmkünstlerin größter internationaler Bedeutung, die zudem eine völlig neuartige Schauspielästhetik basierend auf großer physischer Präsenz entwickelt hat. Ihre präzise Körpersprache buchstabiert Stimmungen, Spannungen und Gefühle, unterteilt und erfüllt Räume und tritt in direkte Kommunikation mit dem Zuschauer. Die Shakespeare-Adaption zeigt Hamlet als verkleidete Prinzessin und Asta Nielsen in einer ihrer herausragenden Rollen. ODNA (Allein, Grigori Kosinzew, Leonid Trauberg, UdSSR 1931, 4. & 19.10.) Wie zahlreiche Filme der späten 20er Jahre wird auch Kosinzew & Traubergs erneute Zusammenarbeit vom Vormarsch des Tonfilms beinahe abgehängt. Als Stummfilm konzipiert und gedreht, erhält der Film erst nach Fertigstellung eine innovative Tonspur, die die Originalkomposition von Dimitri Schostakowitsch mit gesungenen und gesprochenen Dialogen, Natur- und Straßengeräuschen versetzt. Auch onscreen steht der Fortschrittsgedanke im Vordergrund: Schweren Herzens entschließt sich die junge Lehrerin Jelena, den sowjetischen Bildungsauftrag in der kasachischen Hochsteppe zu erfüllen. Nicht nur ihre Motivation wird von den rückständigen Kulaken der Region ausgebremst – auch ihr Leben steht auf dem Spiel. GERMANIA ANNO ZERO (Deutschland im Jahre Null, Roberto Rossellini, Italien/D 1948, 6. & 11.10.) Der italienische Neorealismus gilt als eine der einschneidendsten Erneuerungsbewegungen der Filmgeschichte, ein ungeschminktes Kino als Gegenentwurf zu Propaganda und bloßer Unterhaltung und nicht zuletzt als Ausdruck der politischen Stunde Null. Keine Stunde Null sah Rossellini indes in Deutschland: Er zeigt das zerstörte, korrumpierte Berlin und die Befindlichkeit der Deutschen nach Kriegsende. Auch wenn der Krieg beendet ist, wirkt das barbarische Nazi-Gedankengut weiter, so in Edmund und seinem früheren Lehrer, der ihn anstiftet, seinen kranken Vater zu vergiften. JADUP UND BOEL (Rainer Simon, DDR 1980/88, 12. & 20.10.) Sieben Jahre verboten und erst im Sommer 1988 in wenigen Studiokinos der DDR verschämt gezeigt: Das Porträt einer erstarrten Kleinstadtgesellschaft, die nicht in der Lage ist, mit ihrer Geschichte umzugehen, liest sich als Sinnbild größerer gesellschaftlicher Strukturen. Genosse Jadup wird durch Zufall mit einem unbewältigten Kapitel seiner Vergangenheit konfrontiert. Sein damaliges Versagen nimmt er nun zum Anlass, die Gegenwart kritisch zu hinterfragen. Ein vielschichtiger Film, mit "surrealen Intervallen, ironischen Marginalien, Doppelbödigem, Verschmitztem" (Fred Gehler). KILLER OF SHEEP (Charles Burnett, USA 1977, 23. & 30.10.) UCLA, Mitte/Ende der 70er Jahre: An der amerikanischen Filmhochschule studieren afroamerikanische Filmemacher wie z.B. Julie Dash, Haile Gerima, Billy Woodberry und Charles Burnett, die jenseits des weißen Hollywoods, aber auch der Blaxploitation-Filme nach neuen Bildern suchen, um afroamerikanische Lebenswelten darzustellen. Burnett ist als Kameramann und Regisseur zentrale Figur der sog. "L.A.-Rebellion". Sein neorealistisch anmutender Debütfilm KILLER OF SHEEP zeigt Vignetten aus dem Leben des sensiblen Träumers Stan, der mit Frau und Kind im Bezirk Watts in Los Angeles lebt und dessen Job im Schlachthof ihm mehr und mehr zusetzt. Kurze Augenblicke einfacher Freuden, ein Tanz mit seiner Frau oder eine Tasse Kaffee lassen Stan für kurze Zeit sein düsteres Leben vergessen.