Direkt zum Seiteninhalt springen
LAYALI BALA NOOM / SLEEPLESS NIGHTS (Eliane Raheb, Libanon/Palästina/Katar/ Vereinigte Arabische Emirate/F 2012, 26.9., im Anschluss Gespräch mit Eliane Raheb) Zwei vom Bürgerkrieg gezeichnete Personen, ein Mann und eine Frau, Täter und Opfer, sind die beiden Pole dieses brisanten Films: Assaad Shaftari, ehemaliger hochrangiger Geheimdienstoffizier der rechten christlichen Miliz und für unzählige Tote verantwortlich – und Maryam Saiidi, Mutter eines im Alter von 15 Jahren 1982 verschwundenen kommunistischen Kämpfers. Beide haben sich dem Gebot widersetzt, vom Krieg zu schweigen: Shaftari gestand im Jahr 2000 öffentlich seine Schuld, und Saiidi spricht unbeirrt und laut über die Suche nach dem Verbleib ihres Sohns und ihren Schmerz. Die unerschrockene Filmemacherin initiiert Begegnungen der beiden. Diese Konfrontation wirft die Frage nach der Möglichkeit von Vergebung und Versöhnung auf. Neben der individuellen wird auch die gesellschaftliche Dimension beleuchtet: Anhand von Szenen mit Shaftaris Frau und Sohn, seinen Eltern, dem "Roten Bischof" Haddad, einer britischen Psychotherapeutin und ihrem "Garden of Forgiveness" sowie mit Shaftaris früheren Miliz-Gefährten bei der Hasenjagd und einem schweigsamen ehemaligen kommunistischen Befehlshaber gerät die libanesische Gesellschaft als Ganzes in den Blick. Ein filmisches Statement gegen das staatlich verordnete kollektive Vergessen. MA HATAFTU LI GHAYRIHA / MY HEART BEATS ONLY FOR HER (Mohamed Soueid, Libanon 2008, 27.9., Einführung: Saadi Nikro, ZMO) "Vietnam Today, Palestine Tomorrow!" Abu Hassan Hanoi kämpfte einst in Arafats Fatah-Brigade im Libanon, zu einer Zeit, als Beirut in Folge der palästinensischen Revolution zu einem zweiten Hanoi werden sollte. Nach der israelischen Invasion 1982 beendete er sein politisches Engagement. Anhand seines Tagebuchs rekonstruiert sein Sohn Hassan, ein in Dubai lebender Filmemacher, die revolutionäre Vergangenheit des Vaters. In Form eines filmischen Briefs, der kühn autobiografische, dokumentarische und fiktionale Elemente mischt, entsteht aus Stadtansichten von Beirut, Dubai und Hanoi, Gesprächen mit ehemaligen Fatah-Kämpfern, historischem Archivmaterial und dem politischen Kämpfer als Harley-Davidson-Fan und Liebhaber von Hollywoodfilmen ein assoziativer Essayfilm über die verlorenen revolutionären Träume der 70er Jahre und die materialistischen Superlative der Gegenwart. YAWMON AKHAR / A PERFECT DAY (Joana Hadjithomas, Khalil Joreige, Libanon/F/D 2005, 27.9., Einführung: Regina Sarreiter, ZMO) Ein Tag in Beirut. Der 25-jährige Malek lebt bei seiner Mutter. Er leidet an einer anfallartigen Schlafkrankheit. Sein Vater zählt zu den 17.000 Vermissten, die während des Bürgerkriegs spurlos verschwunden sind. Doch die Mutter hofft auch 15 Jahre später noch auf seine Rückkehr. Jedes Motorengeräusch vor dem Haus lässt sie aufhorchen. Nach jahrelangem Warten gehen die beiden zum Anwalt, um den Vater für tot erklären zu lassen. Zusammen und doch allein. Während die Mutter danach zögerlich dessen Schrank ausräumt, fährt Malek im Auto durch die Stadt, die immer noch die Spuren des Bürgerkriegs trägt, aber auch teure Shopping Malls und trendige Nachtclubs hat. Dort wird er seine Ex-Freundin treffen – dass sie ihn verlassen hat, ist eine Realität, die er nicht akzeptiert. Ein präzise inszenierter Film über Verlust und Schmerz, Bewahren und Vergessen und eine angespannte Stadt voller Paradoxe: Beirut. SECTOR ZERO (Nadim Mishlawi, Libanon/Vereinigte Arabische Emirate 2011, 28.9., Einführung: Claudia Jubeh, ALFILM Festival) Am Rand von Beirut liegt das berüchtigte und heruntergekommene Viertel Karantina. Während des libanesischen Bürgerkriegs 1976 Schauplatz eines Massakers, wurde es danach zu einer Leerstelle in der städtischen Topografie. Entlang von einigen Gebäuden – einer Gerberei, einem Schlachthof, einem Krankenhaus und dem Nachtclub BO18 – erkundet dieser dokumentarische Essay die Geschichte von Karantina und nutzt sie als Metapher für die Verfasstheit des ganzen Landes. Er kombiniert aktuelle und historische Aufnahmen mit Soundscapes aus Musik und Geräuschen sowie den Reflexionen eines Psychiaters, eines Journalisten und des Architekten Bernard Khoury, der über das Viertel als Laboratorium urbanistischer Entwicklung nachdenkt. Karantina wird hier zum Terrain, auf dem sich die verdrängten Traumata und das kollektive Unbewusste des Libanon bündeln. AL JABAL / THE MOUNTAIN (Ghassan Salhab, Libanon/Katar 2010, 28.9., im Anschluss Gespräch mit Ghassan Salhab) Ein Mann wird von einem Freund zum Beiruter Flughafen gefahren. Doch statt ein Flugzeug zu besteigen, um einen Monat im Ausland zu verbringen, mietet er ein Auto und fährt in die winterlichen Berge. Unterwegs wird er Zeuge eines Verkehrsunfalls mit tödlichem Ausgang. Im Hotelzimmer angekommen, vermeidet er jeden Kontakt und zieht sich in die totale Isolation zurück. Er versucht zu schreiben, reagiert hellhörig auf jedes Geräusch, schaut einem Pinienzapfen beim Verfall zu und murmelt bisweilen einen Songtext von Johnny Cash. Die innere Reise nimmt ihren Lauf – und dann liegt ein toter Mann im Schnee. Mit hypnotischen Bildkompositionen in Schwarzweiß und fast ohne Worte evoziert dieses enigmatische Kammerspiel einen intensiven Gemütszustand, eine Atmosphäre latenter Gewalt und die Frage nach der Möglichkeit, Kunst zu schaffen in einem von Spannungen und Krieg geprägten Umfeld. TAHT ALQASF / UNDER THE BOMBS (Philippe Aractingi, F/GB/Libanon 2007, 28.9., Einführung: Birgit Schäbler, Universität Erfurt) Zeina, eine in Dubai lebende Libanesin, kehrt aus Sorge um ihren kleinen Sohn Karim während einer Feuerpause der israelischen Luftangriffe im Sommer 2006 nach Beirut zurück. Nur mit Mühe kann sie einen Taxifahrer dazu bewegen, die gefährliche Fahrt in den Südlibanon zu übernehmen, wo sie Karim vorübergehend bei ihrer Schwester untergebracht hatte. Während der zunehmend verzweifelten Suche nach Schwester und Sohn in rauchenden Trümmern und vom Krieg zerstörten apokalyptischen Landschaften kommt sich das ungleiche Gespann trotz unterschiedlicher sozialer Herkunft und Religionszugehörigkeit näher. Noch während des Kriegs on location und ohne veritables Drehbuch gedreht, legt diese fiktive Geschichte unmittelbar Zeugnis ab von der Realität eines Kriegs. Flüchtlinge, Journalisten und Soldaten vor Ort agieren neben den beiden professionellen Schauspielern. CHOU SAR? / WHAT HAPPENED? (De Gaulle Eid, Libanon/F/Palästina 2010, 29.9., Einführung: Saadi Nikro, ZMO) Der Filmemacher De Gaulle Eid überlebte als Kind ein Massaker, bei dem am 9. Dezember 1980 in Edbel im Norden des Libanon ein Großteil seiner Familie, darunter seine Eltern und eine Schwester, ums Leben kamen. Fast 30 Jahre später bricht er von seinem korsischen Wohnort in den Libanon auf, um die dort lebenden übrigen Familienmitglieder zu den damaligen Ereignissen zu befragen und deren Hintergründe zu erforschen. Doch nicht jeder will sich den schmerzhaften Erinnerungen stellen, und viele Fragen bleiben offen. Als der Filmemacher sein Heimatdorf besucht, um sein Elternhaus wiederzusehen, begegnet er dem Mörder seiner Mutter. Eine persönliche Geschichte, die auf viele libanesische Familien übertragbar ist und das Nebeneinander von Opfern und Tätern, die der Bestrafung entgingen, hinterfragt. Die Aufführung des Films im Libanon wurde von der Zensurbehörde verboten. 74 (ISTIAADAT LI NIDAL) / 74 (THE RECONSTITUTION OF A STRUGGLE) (Rania Rafei, Raed Rafei, Libanon 2012, 29.9., im Anschluss Gespräch mit Rania und Raed Rafei) Im Frühjahr 1974, ein Jahr vor dem Ausbruch des libanesischen Bürgerkriegs, besetzten einige linksgerichtete Studenten der American University in Beirut 37 Tage lang den Campus, um gegen eine Erhöhung der Studiengebühren zu protestieren. In einer Art Re-enactment werden die Diskussionen unter den Studierenden über zentrale politische Fragen improvisierend nachinszeniert. Sie sind zunächst leidenschaftlich und hoffnungsvoll, bald jedoch zunehmend destruktiv. Hinzu kommen ein Voice-over-Kommentar zur Chronik der Ereignisse und Interviews mit den Protagonisten. Die Darsteller sind politische Aktivisten von heute. So wird ein Dialog zwischen Geschichte und Gegenwart hergestellt, und die aktuellen revolutionären Umwälzungen im arabischen Raum im Lichte eines historischen Ereignisses befragt, das mit dem Scheitern einer Utopie endete. Es bleibt also die Frage: Wie verändert man die Welt? (Birgit Kohler) Eine Veranstaltung von Arsenal – Institut für Film und Videokunst und dem Forschungsprojekt "Transforming Memories. Cultural Production and Personal/Public Memory in Lebanon and Morocco" vom Zentrum Moderner Orient (Berlin) und UMAM D&R (Beirut). Dank an Rabih El-Khoury (Metropolis Art Cinema, Beirut) und Monika Borgmann (UMAM D&R, Beirut) sowie an Lotte Laub (Berlin) und an das Team von Ayam Beirut Al-Cinema’iya – The Cinema Days of Beirut.

Gefördert durch:

  • Logo des BKM (Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien)

Arsenal on Location wird gefördert vom Hauptstadtkulturfonds