RIO GRANDE (John Ford, USA 1950, 10.7., Einführung: Annett Busch) "Der Dritte von Fords Kavallerie-Western (1. Fort Apache, 2. She Wore a Yellow Ribbon). Mit vielen Liedern, Lyrics, Männerchören. Fast ein Melodram. Jedenfalls eine Familiengeschichte. Irland in Gestalt von Maureen O'Hara und John Wayne als Kommisskopp, rechthaberisch, fies. Es gibt Stimmen, die so von Ford sprechen." Es geht um Ehre, um Familie, um Kameraderie und darum, die Kurve zu kriegen vor all den historischen Herausforderungen, Nord gegen Süd, Soldaten/Siedler gegen Apachen, irgendwie auch alt gegen jung. Ken Curtis hat einen seiner bewegendsten Auftritte als Sänger. Noch mal Grafe: "Er ist wie eine Vorstudie oder wie ein Nachtrag zu anderen seiner Filme". THE MERRY WIDOW (Ernst Lubitsch, USA 1934, 10.7., Einführung: Klaus Theweleit) „Als die Operette, der seine Liebe gehörte, keine Konjunktur mehr hatte," schreibt Frieda Grafe über Lubitsch, "löste er sie auf hin zur Music-Hall, zum Musical. Die Ausstattung und die Tanzeinlagen in seiner MERRY WIDOW sind Orgien in Schwarz und Weiß, wie Hollywood es damals in seinen Revuen zu machen pflegte." Die Version, und nichts anderes als eine Version, eine Coverversion mit gegen den Strich geschriebenem Refrain ist der Film, erfindet die Witwe neu. Klaus Theweleit: "Zu sagen, Lubitsch entschlacke die Handlung, wäre untertrieben. Er dreht sie um, stellt sie auf den Kopf, stellt sie auf die Füße." THE HONEYPOT (Joseph L. Mankiewicz, USA 1967, 11.7., Einführung: Chris Fujiwara) Eine Mystery-Story, die mehr Komödie ist als Mystery. Rex Harrison führt seine Ex-Liebhaberinnen genau so aufs Glatteis wie Joe Mankiewicz uns, das Publikum. Frieda Grafe schreibt: "Mankiewicz war überzeugt, dass mit und für das Kino eine neue Art von Schreiben entstanden ist, die die künstlerische Funktion der Sprache und ihr Verhältnis zum Publikum, wie der Roman und das Theater sie praktizieren, verändert hat. Sie hat Visuelles und Inszenierung sich einverleibt, und als gesprochene Sprache in real artikulierten Stimmen spricht sie, Antwort heischend, das Publikum direkt an." THE LITTLE SHOP OF HORRORS (Roger Corman, USA 1960, 11.7., Einführung: Akin Omotoso) Ein Frieda-Grafe-Filmtipp: "Das ist Kino für Kenner, selbstverständlich im Original und nur Nachtvorstellung." Der legendäre Film aus dem früheren Werk von Roger Corman verweigert sich den Kategorien konsequent. Horror? Komödie? Beides? Wer weiß das schon? Grafe schreibt: "Was den Horror in diesem Film betrifft, nur dass man auch mit den richtigen Erwartungen ins Kino kommt: mit klassischem Hitchcock verglichen ist er etwas degeneriert." Akin Omotoso: "Shot over two and a half days, the tale of a man ultimately destroyed by his creation."ANGELE (Marcel Pagnol, Frankreich 1934, 12.7., Einführung: Nicholas Bussmann) Was macht Marcel Pagnol, der Theatermann, auf der Liste mit Frieda Grafes Lieblingsfilmen? Sie schreibt: "So ungewöhnlich es war, 1930, dass ein erfolgreicher Theaterautor sich dem Tonfilm zuwandte, so wenig verwunderlich ist es bei Pagnol, wenn man den Gegenstand seiner Stücke in Betracht zieht, die Klasse von Menschen in ihnen und ihre Art, mit Sprache umzugehen. Das Theater, von seiner Geschichte her, ist nicht der Ort, an dem das Spiel kleinbürgerlicher Alltagsprobleme sich entfalten kann." Und: "Für die Italiener, für de Sica und Rossellini, hat Pagnol mit ANGELE den Neorealismus begonnen." IT'S A GIFT (Norman Z. McLeod, USA 1934, 12.7., Einführung Nanna Heidenreich) "Das Innenleben einer Krämerseele, die ganze schweigende Mehrheit in einer Person." Das schreibt Frieda Grafe der Figur des Harold Bissonette ein. "Fields zerstört in Slapstickmanier mit der Sprache das konventionelle Erzählen. Wörter ballt er zu Knalleffekten, er verdreht den Sinn von Wendungen durch bloße Wiederholung. Er beugt durch Rhythmus und Intonation die Sprache zum ganz persönlichen Gebrauch." Und Nanna Heidenreich: "… anarchisch, ungeordnet, und bloß nicht gesellschaftsfähig." ORDET (Das Wort, Carl Theodor Dreyer, Dänemark 1955, 13.7., Einführung: Cristina Nord) "Frieda Grafe hat für das promiske Miteinander von Sinnlichem und Übersinnlichem einen schönen Begriff gefunden," schreibt Cristina Nord, "einen Begriff, der so alltäglich ist wie die Verrichtungen auf dem Hof der Borgens, wie das wiederholte Kaffeekochen oder das Walken eines Teigs: den Begriff der Unordnung." Und Grafe: "Alle Filme Dreyers beginnen erst zu existieren durch die Relation vom Sichtbaren zum Unsichtbaren. Ihre Strenge, ihre Rigorosität in Sujet und Struktur, das Zugemachte ihrer Räume, das Insistieren auf ein paar sparsame Gegenstände markiert nur umso nachdrücklicher den Punkt, die Grenze, an der dann die Imagination nach ihrem Recht verlangt." AKIBIYORI (Late Autumn, Yasujiro Ozu, Japan 1960, 13.7., Einführung: Alex Descas) Ozus drittletzter Film enthält viele Elemente einer Komödie, ohne gleich unter diesem Etikett zu reisen. Frieda Grafe hingegen schreibt mehr über die Farben Ozus als über seine Charaktere: "Mit Agfacolor kann man mehr als zehn verschiedene Rotnuancen bekommen, hat sich Ozu geäußert." Und: "Wann immer genuin japanisches Leben sich zeigt, wird das Bild farbiger, allein durch die Gewänder. In den Hotelkimonos eines Landgasthofes haben authentische Farben sich am besten gehalten." LADY IN THE DARK (Mitchell Leisen, USA 1944, 14.7., Einführung: Marcus Coelen) Noch vor Hitchcock nahm sich Mitchell Leisen der Psychoanalyse an, bunter sowieso, lustiger und mit mehr Musik. "Wenn jemand wie Leisen, der Art-Direktor bei DeMille war," schreibt Frieda Grafe, "Regisseur wird – und er ist einer der wenigen, die aus diesem Bereich zur Regie überwechselten –, dann ist naheliegend, dass er seine Spezialität zum Gegenstand seiner Regie macht." Und: "LADY IN THE DARK (ist) ein Modefilm mit unglaublichen Frisuren, Kleidern und Hüten aus den vierziger Jahren. In ihnen spielt Leisen mit den Technicolorfarben wie außer Minnelli niemand das nach ihm gemacht hat." SUMMER STOCK (Charles Walters, USA 1950, 14.7., Einführung: Kodwo Eshun) Wie das Musical von der Bühne in die Scheune kam. Oder: Wie die Scheune zur Bühne wurde. "Als die Farbe zum Tonfilm kam," schreibt Frieda Grafe, "sah sich das Musical gezwungen, den Stil zu wechseln. Das bedeutete in seinem Fall: den Inhalt. Farbe kam in die Bewegung, und paradoxerweise suchte danach das sonst so wirklichkeitsabgewandte Genre seine Inspiration mehr im Alltäglichen." (Max Annas, Annett Busch, Henriette Gunkel) "Wie Film Geschichte anders schreibt / Frieda Grafe – 30 Filme" ist ein Projekt von Max Annas, Annett Busch und Henriette Gunkel und wird gefördert durch den Hauptstadtkulturfonds, in Zusammenarbeit mit dem Verlag Brinkmann & Bose und dem Arsenal – Institut für Film und Videokunst.