Dada z.B. setzt die von Krieg und Urbanismus geprägten Erfahrungen der Moderne in radikale Ton- und Bildcollagen um, die jede bürgerliche Kunstvorstellung kompromisslos über Bord werfen. Angelegt ist hier auch schon der Anspruch, synästhetische Werke zu schaffen und eine interdisziplinäre Formensprache zu entwickeln. Zusammen mit Viking Eggeling enstehen seine ersten Filmexperimente, die noch stark unter dem Einfluss der abstrakten Malerei stehen, aber bereits das einzigartige Potential des Mediums Film ausloten: "Unter Film verstehe ich Rhythmus, dargestellt mit den Mitteln der Phototechnik" (Hans Richter, 1926). Die Bewegungsexperimente der RHYTHMUS-Filme (3.4.) erweitern die abstrakte Malerei um eine kinetische Dimension und entdecken dabei die Montage, d.i. die rhythmische Anordnung von Filmbildern, als eines der grundlegenden Form-prinzipien des Mediums Film. In den folgenden Filmexperimenten wie der FILMSTUDIE oder VORMITTAGSSPUK (3.4.) dienen dann reale, gegenständliche Bilder als Material, das durch tricktechnische Verfremdung und experimentelle Montage bearbeitet wird. Sie stellen einen Übergang von den abstrakt konzipierten "absoluten" Filmen hin zu den surrealistischen Werken dar, die in späteren Jahren insbesondere in der Zusammenarbeit mit anderen Künstlern entstehen. Nach dem Zweiten Weltkrieg kann Hans Richter in den USA mit Künstlern wie Hans Arp, Man Ray, Alexander Calder, Fernand Léger u.v.a. Langfilme realisieren, die formal und narrativ stark surrealistisch geprägt sind. 1957 entsteht 8X8. A CHESS SONATA (4.4.), der konstruktivistische Prinzipien aufnimmt, indem er dem mathematischen Aufbau einer Schachpartie folgt. In den 60er Jahren beschäftigt sich Hans Richter mit seinen dadaistischen Ursprüngen: In den beiden DADASCOPE-Filmen (USA 1961 & 1968, 3.& 4.4.) versammelt er die Protagonisten der Bewegung mit filmischen Gedichten und betreibt damit eine verdienstvolle Geschichtsschreibung der bis dahin unzureichend dokumentierten Avantgardebewegung der Moderne. Zu dieser Zeit ist er schon viele Jahre am New Yorker City College tätig und zählt u.a. Stan Brakhage, Maya Deren und Jonas Mekas zu seinen Schülern, über die sein Einfluss auf die internationale Filmavantgarde weiter wirkt. Weniger bekannt sind Hans Richters Werbe- und Industriefilme, Auftragsarbeiten, mit denen er sich im niederländischen und Schweizer Exil über Wasser halten konnte. Drei kürzlich wiederentdeckte und restaurierte Filme – DIE BÖRSE ALS BAROMETER DER WIRTSCHAFTSLAGE (CH 1939), DIE EROBERUNG DES HIMMELS (CH 1938) und WIR LEBEN IN EINER NEUEN ZEIT (CH 1938) (4.4.) – sind nun erstmals in Berlin zu sehen. Auch diese Auftragsarbeiten tragen auf prägnante Weise Hans Richters Handschrift, indem sie filmexperimentelle Elemente in dokumentarische Verfahren integrieren und so eine kreative Durchdringung von Werbung, Dokumentarfilm und Avantgarde offenbaren. Alle vier Veranstaltungen werden von Hans-Richter-Kennern wie dem Kurator Timothy Benson, der Medienwissenschaftlerin Yvonne Zimmermann und dem Filmemacher Dave Davidson eingeführt. Dessen Dokumentarfilm HANS RICHTER. EVERYTHING TURNS, EVERYTHING REVOLVES erlebt am 3.4. seine deutsche Erstaufführung. (ah)